Schleswig-Holstein hat bei der Autobahnplanung eigene Arbeitsstandards ignoriert – und muss nun nachsitzen. Der etwa zehn Kilometer lange Abschnitt wird seit 2001 geplant.

Kiel. Im Zusammenhang mit der Planung der A20 war schleswig-holsteinischen Behörden frühzeitig bekannt, dass der Fledermausschutz juristische Probleme bereiten könnte. Dennoch wurde bei der Fledermauszählung in der Nähe der Segeberger Kalkberghöhlen ein Verfahren genutzt, das schon 2009 als nicht rechtssicher galt. Das haben Recherchen des Hamburger Abendblatts ergeben. Folge der Fehleinschätzung: Das Bundesverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss für den A-20-Abschnitt bei Bad Segeberg für rechtswidrig erklärt. Nun müssen die Fledermäuse neu gezählt werden. Außerdem muss eine weitere Trassenvariante geprüft werden. Der Baubeginn wird sich dadurch um mindestens zwei Jahre verzögern.

Der etwa zehn Kilometer lange Abschnitt wird seit 2001 geplant. 2006 wurde das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. 2012 folgte der Planfeststellungsbeschluss. Nun hätte eigentlich mit den Arbeiten begonnen werden können. Aber Klagen des Nabu und des BUND stoppten das Projekt – und führten schließlich vor Gericht zum Erfolg.

In Kiel stellt man sich seitdem die Frage, wer für die juristische Niederlage verantwortlich ist. Die SPD meint, es seien die CDU-Verkehrsminister der vergangenen Jahre gewesen. Der CDU-Fraktionschef Johannes Callsen attackiert die Regierung: „Das wichtigste Verkehrsprojekt steht auf dem Abstellgleis.“ Und Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD), seit 2012 im Amt, nimmt seine Mitarbeiter in Schutz: „Die Planfeststellungsbehörde war beim Fledermausschutz der Meinung, die beste Methode gewählt zu haben.“

Doch in diesem Punkt gab es auch andere Meinungen. Bei der Planungsbehörde, dem Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr (LBV), wusste man schon länger, dass die Fledermaus bei Straßenplanungen zum Problemtier werden könnte. Seit Dezember 2009 beschäftigte sich deshalb eine Arbeitsgruppe (AG) damit, diese Probleme auszuräumen. Im Juli 2011 legte sie das Ergebnis vor – die „Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenbau“. Die AG bestand aus einem Mitarbeiter des LBV, einem Kollegen des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), aus zwei Fledermausgutachtern und aus Vertretern des Kieler Instituts für Landschaftsökologie. Ebenfalls mit dabei: der vom Kieler Verkehrsministerium gern als „Fledermauspapst“ bezeichnete Biologe Ulrich Mierwald. Er hat das Land auch bei dem Planverfahren beraten, das sich nun als nicht gerichtsfest erwiesen hat.

Im Vorwort erläutern die Autoren, warum sie sich ab 2009 so intensiv mit einer einzelnen Tierart beschäftigt haben. „Die Identifizierung und Bewertung von artenschutzrechtlichen Konflikten ist bei Fledermäusen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden“, heißt es da. Als „Grundlage für die Genehmigung von Straßenbauvorhaben“ müssten aber „die artenschutzrechtlich relevanten Konflikte mit einer ausreichenden Rechtssicherheit erkannt und bewertet werden“.

Herausgeber der „Arbeitshilfe“ war der LBV. An diese Hilfe hatten sich von nun an alle Planer der Behörde zu halten. Auf rund 90 Seiten wird geschildert, nach welcher „Standardmethode“ Fledermäuse zu zählen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil das Land nun angewiesen, genau diese Standardmethode anzuwenden. Denn die vom LBV verbindlich vorgeschriebene Fledermaus-Zählweise ist bei der Planung des Autobahnabschnitts bei Bad Segeberg gar nicht zum Einsatz gekommen. Und das, obwohl die A20 in unmittelbarer Nähe der Kalkberghöhlen verläuft, die als Deutschlands größtes Fledermausquartier gelten. Der „Fledermauspapst“ Mierwald hatte sich mit einer „faunistischen Potenzialanalyse“ begnügt. Im Verkehrsministerium behauptet man heute, das Planfeststellungsverfahren sei 2011, als die „Arbeitshilfe“ vorlag, schon zu weit fortgeschritten gewesen, um die Standardmethode zu benutzen.

Der Nabu-Landesgeschäftsführer Ingo Ludwichowski vermutet hingegen, dass finanzielle Gründe ausschlaggebend waren. „Natürlich hätte man schon 2009, als klar war, dass die alte Methode nicht rechtssicher ist, die neue anwenden können. Aber das hätte dann vielleicht zu teuren zusätzlichen Schutzbauten für die Fledermäuse geführt.“ Stattdessen verwendete das Ministerium die Zählweise, die der LBV für unzuverlässig gehalten hatte.

Und so tappte das Land in die „Fledermaus-Falle“.