Wie sich Lauenburg auf das Elbhochwasser vorbereitet. Pegel sinkt - Evakuierung ausgesetzt. Trotz der noch abwartend optimistischen Stimmung ist die Spannung zu spüren.

Lauenburg. Azurblauer Himmel, Temperaturen von mehr als 20 Grad und ein traumhafter Blick vom Rathaus hinab auf die Elbbrücke: Die Oberstadt von Lauenburg wirkt wie eine Postkartenidylle. Doch einige Stufen auf einem gepflasterten Fußweg hinab geht es in eine andere Welt. Unzählige Säcke liegen auf Holzpaletten, Feuerwehrmänner schippen Sand in Trichter, durch die er in immer neue Beutel rutscht. Jeweils 15 Kilogramm pro Stück. Radlader transportieren die Säcke durch die für Autos gesperrte Elbstraße zu den Häusern, Eingänge sind verschalt und in den schmalen Durchgängen zur Elbe, den Twieten, schichten Helfer Schutzwände auf. Trotz der noch abwartend optimistischen Stimmung ist die Spannung zu spüren. Lauenburg bereitet sich auf die Flutwelle der Elbe vor, die die 12.000-Einwohner-Stadt unerbittlich erreichen wird.

Am heutigen Freitagmorgen sollten zunächst 300 der 600 Bewohner der direkt am Fluss entlangführenden Elbstraße ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Doch weil der erwartete Pegel der Elbe am Donnerstag zurückging, konnte der Kreis Herzogtum Lauenburg die Maßnahme zunächst aussetzen. Der höchste Stand mit 9,20 Meter soll nun am Mittwoch erreicht werden. Zuvor war die Einsatzleitung noch von 9,78 Meter ausgegangen. Zum Vergleich: Normalerweise ist die Elbe auf Höhe der Stadt vier bis fünf Meter tief.

Ein paar Schritte vom Kleinen Kirchenplatz, wo 80 Feuerleute unablässig schippen, steht jetzt Boris Krohn, 46 vor seinem Haus. Er hat zusammen mit seinem Schwager bereits sämtliche Möbel in die erste Etage gebracht oder auf Böcken gelagert und ist auf alles vorbereitet. "Aber es wäre schon ein blödes Gefühl", sagt Krohn, "wenn wir unser Haus doch noch verlassen müssten."

Das sieht Sönke Ellerbrock, der Inhaber des Traditionslokals Zum Alten Schifferhaus, ähnlich. Der 180-Kilo-Mann sitzt in seiner mit Holzmöbeln ausgestatteten Schifferstube und rechnet vor, was ihn der noch so friedlich wirkende Fluss kosten wird. 2000 Euro hat er allein dafür ausgegeben, Fenster und Türen mit Platten zu sichern und alles mit Bauschaum und Silikon zu verkleben. Schlimmer aber ist für den Gastronomen, dass er alle Buchungen für die kommenden zwei Wochen absagen musste - in der Hochsaison. "Das kostet mich allein 30.000 bis 35.000 Euro Umsatz. Damit geht es auch um meine Existenz", sagte Ellerbrock und zieht an seiner Zigarette. Immerhin kann er sich auf seine Freunde verlassen. "Die haben Urlaub genommen und sind für mich da", sagt der Hotelier. Das empfindet er als "tolle Hilfsbereitschaft".

Von ihr lässt sich auch der Kieler Umweltminister Robert Habeck (Grüne) berichten, der kurz vor Mittag am Rathaus und den dort aufgebauten Zelten der Leitzentrale eintrifft. Männer und Frauen aus Wehren aus dem gesamten Kreis und auch aus Stormarn sind da, das Technische Hilfswerk mit seinen blauen Lkw, die DLRG und das Rote Kreuz. "Auch wenn die Lage schwierig ist, es ist doch stark, wie sich der Landkreis findet. Das ist gelebte Solidarität", sagt der Minister.

Derweil organisiert an der Elbstraße Jörg Sönksen die von ihm eingerichtete Nachbarschaftshilfe weiter. Anwohner haben sich bei ihm gemeldet, um den betroffenen Menschen aus der Unterstadt beizustehen. "Wir haben aber auch ein Lager in der sicheren Oberstadt eingerichtet und zehn Kühltruhen aufgestellt, damit Lebensmittel nicht verderben", sagt Sönksen. Franz Schütt, der Leiter der Freikirchlichen Christengemeinde Elim, bietet acht Schlafplätze an. "Wir haben Räume in unserer Kinderbetreuung freigemacht, wo auch eine Küche und Duschen bereitstehen", sagt er. Der Minister will jetzt auch etwas tun und ordert 300 Paar Arbeitshandschuhe für die Feuerwehrleute, weil die Nachschub brauchen. Die liefert das Amt für Küstenschutz aus Husum wenig später in den südlichsten Zipfel des Bundeslandes.

Eigentlich, sagt Habeck, habe er sich nicht dem Politikertourismus in die Hochwasserregionen anschließen wollen. "Aber es ist eben auch nicht richtig, gar keinen Eindruck von den Geschehnissen zu haben." Daher hat er nun auf dem Weg zur Bundesratssitzung in Berlin einen Stopp eingelegt. Offensichtlich ist er zufrieden mit dem, was er sieht. "Wir haben genug Leute und können auf 4500 freiwillige Feuerwehrleute im Kreis zurückgreifen", sagt der Einsatzleiter, Kreiswehrführer Michael Raddatz. Weitere professionelle Hilfe kommt von der Bundeswehr. Die hat vier Füllstationen geschickt, die jeweils 1000 Sandsäcke pro Stunde schaffen. Die bange Frage aber bleibt: Wird das alles reichen für die Stadt?

Welche Lehren die Politik ziehen muss, will Habeck zwar erst später erörtern, wenn die Gefahr vorbei ist. Aber er räumt doch ein, dass die Deiche nicht ständig weiter erhöht werden könnten. "Wir können nicht dauernd gegen Naturgesetze arbeiten", sagt er. Lauenburg hofft dennoch auf weitere Maßnahmen. Sechs Millionen Euro sind seit 2002 in den Hochwasserschutz geflossen. Für die Altstadt aber fehlt eine Lösung.