Das Wasser in der Elbe steigt und steigt. Niedersachsen erwartet ein Rekordhochwasser, in Dresden mussten mehrere hundert Menschen ihre Häuser verlassen. In Bayern und Thüringen beruhigte sich die Lage.

Berlin/Dresden. Die anschwellende Elbe-Flut rollt auf Norddeutschland zu. Im Süden und Osten Deutschlands trieb das Hochwasser schon Zehntausende Menschen aus ihren Häusern. In Dresden erreichte die Elbe am Dienstagnachmittag einen Stand von 8,50 Metern. In Halle wurden etwa 30.000 Menschen aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Dort war die Saale mit 8,07 Meter auf den höchsten Wasserstand seit 400 Jahren geklettert, wie die Behörden mitteilten. In Niedersachsen wurde mit Rekordpegelständen der Elbe gerechnet.

In Bayern und Thüringen beruhigte sich die Lage dagegen allmählich und vielerorts begann das Aufräumen. Die Bundesregierung will neben der allgemeinen Soforthilfe von 100 Millionen Euro für Unternehmen in den Hochwasser-Regionen ein 10-Punkte-Programm auflegen. Damit soll der Wiederaufbau unterstützt werden.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) legte in Berlin ein Paket vor, wonach die staatliche Förderbank KfW an Firmen, Privathaushalte sowie Kommunen Kredite von weiteren 100 Millionen Euro vergeben soll. Die Auswirkung des Hochwassers auf das Wachstum könne noch nicht beurteilt werden, sagte Rösler. Die Industrie erwartet keine Rückschläge für das Wachstum. Der Aufschwung könne sich allenfalls verzögern, sagte BDI-Chef Ulrich Grillo. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) sagte den Bauern Unterstützung zu.

SACHSEN: Mehrere hundert Menschen mussten in Dresden vor der Elbeflut in Sicherheit gebracht werden. Im Stadtteil Laubegast bot die Feuerwehr eine freiwillige Evakuierung an. Der Scheitel des Hochwassers werde Sachsen am Donnerstag erreichen, sagte eine Sprecherin des Landeshochwasserzentrums. Für die Landeshauptstadt wurde ein maximaler Wasserstand von 8,50 Meter bis 8,70 Meter erwartet, die Elbe bleibt nach Angaben der Hydrologen damit unter dem Höchststand von 2002. Damals waren in Dresden 9,40 Meter gemessen worden. „Die Pegelstände werden über einen langen Zeitraum in der höchsten Warnstufe bleiben“, sagte die Sprecherin. Basis der Berechnung sind die Werte vom Pegel Usti in Tschechien.

Zwei im Wasser treibenden Gastanks aus Tschechien wurden inzwischen gesichert. Ein dritter Tank war zuvor im tschechischen Hrensko gestoppt worden. Die tonnenschweren Behälter enthielten einen Rest Stickstoff. Sie hatten sich im Hafen von Decin gelöst. Mit vier Hubschraubern sucht die Bundespolizei im Hochwasser der Elbe bis nach Dresden noch nach mehreren anderen Containern aus dem Deciner Hafen.

NIEDERSACHSEN/SCHLESWIG-HOLSTEIN: Wegen des erwarteten Rekordhochwassers der Elbe lösten die niedersächsischen Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg Katastrophenalarm aus. Hitzacker bereitete sich darauf vor, möglicherweise Menschen in Sicherheit zu bringen. „Wir werden Sandsäcke auf die Deiche bringen, um gegen höhere Wasserstände gewappnet zu sein. Mehr können wir im Moment nicht machen“, sagte der Bürgermeister der Samtgemeinde Elbtalaue, Jürgen Meyer. Sorge vor einem ähnlichen Ausmaß des Hochwassers wie vor elf Jahren habe er nicht. „Wir haben eine andere Situation. 2002 hatte Hitzacker keinen Hochwasserschutz.“ Das an Hochwasser gewöhnte Lauenburg in Schleswig-Holstein evakuiert erstmals die von der Elbeflut bedrohte Unterstadt. Betroffen sind bis zu 150 Häuser.

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SACHSEN-ANHALT: Die Hochwasserlage in Sachsen-Anhalt verschärfte sich. In Halle stieg die Saale auf ein Rekordhoch von 8,07 Metern, etwa 30.000 Menschen sollten ihre Häuser verlassen. Normalerweise liegt der Pegelstand dort bei knapp zwei Metern. Nach Angaben des Katastrophenstabes wurden Teile mehrerer Stadtteile überflutet. In Bitterfeld-Wolfen brachte die Sprengung eines Deiches am Seelhausener See nicht die erhoffte Entlastung. Die Stadt bangt weiter, weil der Goitzschesee über die Ufer treten könnte. Schon am Vortag waren dort Tausende Menschen zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert worden. Mehrere Kommunen riefen den Katastrophenfall aus.

Durch das Hochwasser sind in Sachsen-Anhalt auch die ersten Zootiere umgekommen. Im Tiergarten von Bernburg seien mehrere Hirsche durch die eindringenden Fluten der Saale ertrunken, teilte ein Sprecher der Stadtverwaltung am Mittwoch mit. Weil die Tierpark-Mitarbeiter wegen der starken Wasserströmung nicht mehr in alle Bereiche gelangen können, müsse befürchtet werden, dass weitere Tiere sterben.

In den vergangenen Tagen waren zahlreiche Tiere bereits in höher gelegene Gehege umgesetzt sowie in die Zoos von Halle und Aschersleben umgesiedelt worden. Der Bernburger Tierpark befindet sich direkt am Ufer der Saale.

BRANDENBURG: In der Mühlberg an der Elbe gilt seit Mittwoch Katastrophenalarm, dort sollten bis zu 200 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Der Wasserstand erreichte laut Innenministerium 9,02 Meter, bis Freitag könnte er auf 10,20 Meter steigen, wie der Landkreis mitteilt. Bei der Rekordflut vom August 2002 wurden 9,98 Meter erreicht. Für den Landkreis Elbe-Elster gilt seit Dienstag die höchste Alarmstufe 4. Bei Herzberg an der Schwarzen Elster brach am Mittwoch auf 20 Meter Länge ein Deich. Menschen seien nicht in Gefahr, teilten die Behörden mit. Überflutet seien Ackerland und Wälder. Bei Bad Liebenwerda wurde ein Deich geöffnet. Im Norden Brandenburg wurde der Höhepunkt der Flut am Wochenende erwartet. Bei Wittenberge wird für Sonntag ein Rekord von 7,50 Meter erwartet.

BAYERN: In Bayern geht das Hochwasser an vielen Orten zurück, in Deggendorf und Straubing blieb die Lage aber ernst. Am Mittwochmittag erreichte die Hochwasserwelle der Donau in Deggendorf ihren Scheitelpunkt. Tausende Menschen hatten in der Region Straubing und Deggendorf ihre Wohnungen verlassen müssen, etliche Dörfer sind komplett überflutet. „Die Hochwasserlage an der Donau ist weiterhin sehr ernst“, mahnte Landkreis-Sprecher Markus Mühlbauer.

In Passau haben die meisten Bürger wieder Trinkwasser. Auch die Stromversorgung werde nach und nach wiederhergestellt, sagte Stadt-Sprecher Herbert Zillinger. Die Menschen der Drei-Flüsse-Stadt hatten in der Nacht zum Dienstag das schlimmste Hochwasser seit mehr als fünf Jahrhunderten erlebt. In Regensburg zeichnete sich eine Entspannung ab. Der Katastrophenfall bleibe aber vorerst bestehen.

THÜRINGEN: Immer mehr Menschen in Thüringens Hochwassergebieten können allmählich aufatmen. Die Lage an den Flüssen entspannte sich weiter, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Das Aufräumen begannen. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) versprach den Flutopfern in Thüringen 20 Millionen Euro Soforthilfe vom Land. Die Nothilfe solle Privatleuten und kleinen Betrieben zu Gute kommen. Das Ausmaß der Zerstörung könne erst abgeschätzt werden, wenn das Wasser komplett abgelaufen sei, sagte ein Sprecher der Stadt Gera.

TSCHECHIEN/ÖSTERREICH: Die Elbe flutete in Tschechien weite Teile der Industriestadt Usti (Aussig) im Norden des Landes. Ihr Wasser strömte in der Nacht zum Mittwoch schneller als erwartet über die Hochwasserwände im Stadtteil Strekov, wie das tschechische Fernsehen berichtete. Hunderte Menschen kamen in Notunterkünfte. Erwartet wurde ein Pegelstand zwischen 11,1 und 11,5 Metern, normal sind etwa zwei Meter. Landesweit hätten mehr als 19 000 Menschen ihre Wohnungen und Häuser verlassen müssen, teilte die Feuerwehr mit. Bislang seien acht Menschen in Tschechien bei den Unwetter gestorben. In Prag begann sich die Lage langsam zu entspannen, das U-Bahnnetz im Zentrum der Millionenstadt blieb aber geschlossen. Die Lage entlang der Donau in Österreich dagegen blieb äußerst angespannt.