Bundesumweltminister Peter Altmaier verkündet Baustopp für Gorleben. Atomkraftgegner im Wendland kritisieren “Wahlkampf pur“.

Hannover. Faktisch ruhen die Erkundungsarbeiten im Gorlebener Salzstock bereits seit Anfang November. Seit Freitag aber ist klar, dass sich daran bis mindestens Ende September nächsten Jahres nichts ändern wird. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) verkündete einen offiziellen Baustopp für das geplante Atomendlager über den Termin der Bundestagswahl hinaus. Die beiden wichtigsten Gesprächspartner im Oppositionslager reagierten wie erhofft. Sowohl der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel wie der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, begrüßten die Entscheidung und signalisierten Bereitschaft zu konkreten Gesprächen über ein neues Endlagergesetz.

Altmaier ist ihnen noch in einem weiteren Schritt entgegengekommen: im Bestreben, noch vor der Bundestagswahl ein Endlagersuchgesetz zu formulieren und zu verabschieden. Diese Verhandlungen sollen erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar beginnen. Der dortige SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil nämlich opponiert derzeit offen gegen die eigene Bundespartei und lehnt eine neue Endlagersuche unter Einschluss des Standortes Gorleben ab. Damit setzt Weil zudem die niedersächsischen Grünen unter Druck, die bislang zähneknirschend den Beschluss ihres Bundesparteitages mitgetragen haben, eine neue Endlagersuche unter Einbeziehung des Gorlebener Salzstocks zu organisieren. Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Martin Bäumer, hielt SPD und Grünen auf Landesebene vor, sie setzten "die historische Chance einer bundesweiten und ergebnisoffenen Endlagersuche aufs Spiel".

Der SPD-Spitzenkandidat Weil lehnt die Suche nach einem neuen Endlager kategorisch ab. Doch bereits im Frühjahr hatten sich der aktuelle Bundesumweltminister Altmaier und seine beiden Vorgänger Gabriel und Trittin bei informellen Gesprächen auf eine neue Suche - unter Einschluss von Gorleben bei gleichzeitiger Prüfung von Lagermöglichkeiten in Ton oder Granit - geeinigt. Sowohl Trittin als auch Gabriel hatten in ihrer Amtszeit erfolglose Anläufe unternommen, ein neues Endlagersuchgesetz auf den Weg zu bringen. Beiden Politikern ist klar, dass die Forderung nach einem kompletten Ausschluss von Gorleben aus der neuen Suche für die anderen Bundesländer ein willkommener Anlass wäre, das ganze Vorhaben zu Fall zu bringen.

Zusätzlich verkompliziert hat die Diskussion in den vergangenen Tagen auch der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU). In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" forderte er, den hoch radioaktiven Müll künftig rückholbar zu lagern. Er berief sich dabei auf die schlechten Erfahrungen mit dem maroden Endlager Asse und schlussfolgerte: "Wenn das Kriterium der Rückholbarkeit greift, hat sich Salz als Endlagermedium und damit der Standort Gorleben ohnehin erledigt."

Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg ist der wichtigste Träger der Proteste gegen das Zwischenlager Gorleben mit inzwischen über 100 Castorbehältern und das mögliche Endlager im Salzstock. Ihr Sprecher hält McAllister vor, seine Aussagen seien widersprüchlich, weil er zwar den Standort für erledigt halte, aber dessen Einbeziehung in eine neue Suche befürworte: "Welchen Sinn macht das?" Skeptisch ist auch die Anti-Atom-Initiative ausgestrahlt. "Altmaiers Minimoratorium ist Wahlkampf pur", sagte ein Sprecher.

Weil und Wenzel wiederum forderten am Freitag Regierungschef McAllister auf, sich erst einmal mit ihnen auf Landesebene zu einigen: "Wir sehen die Chance, ein Thema, das unser Bundesland seit 40 Jahren spaltet, im Sinne einer einheitlichen niedersächsischen Position voranbringen zu können." Damit aber ist auf keinen Fall zu rechnen, McAllister vermeidet anders als andere CDU-Ministerpräsidenten jeden Konflikt mit der Bundesebene seiner Partei sowie der Bundesregierung.

Unabhängig von dem jetzt verkündeten Baustopp wird weiter an einem Zwischenbericht über das Ergebnis der bisherigen Tauglichkeitsuntersuchungen des Salzstocks gearbeitet. Die zuletzt noch 200 vor Ort beschäftigten Bergleute sollen ihre Arbeitsplätze vorerst behalten. Geprüft wird, ob sie im einsturzgefährdeten Endlager Asse bei Wolfenbüttel eingesetzt werden können. Hier laufen Vorarbeiten, um rund 126 000 Fässer zurückzuholen: Wegen der Gefahr von unkontrollierbaren Wassereinbrüchen ist die nach Atomrecht vorgeschriebene Langzeitsicherheit nicht gewährleistet. Die Zustände in der Asse sind Wasser auf die Mühlen der Atomkraftgegner im Wendland. Sie monieren, es fehle über dem Gorlebener Salzstock eine Deckschicht, die Wassereinbrüche verhindern würde.