Ministerpräsident fordert den Abbruch der Endlagersuche in Gorleben im Wahljahr 2013. Der Bund verzichtet bereits heute auf den Ausbau.

Hannover/Berlin. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat Bewegung in die Debatte um den Standort Gorleben als mögliches Endlager für hochradioaktiven Müll gebracht. Er forderte gestern vom Bund, die Erkundung des Salzstocks im Jahr 2013 zu stoppen und bundesweit nach anderen geeigneten Standorten zu suchen. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg verlangte zwar prompt einen sofortigen Baustopp, aber ihr Sprecher Wolfgang Ehmke stellte erstaunt fest: "Es bewegt sich was in der Endlagerdebatte."

Und noch am Abend konnten sich McAllister und Ehmke freuen. Der Arbeitskreis Endlagersuche von Bund und Ländern kam in Berlin zu dem Ergebnis, von 2014 an mögliche Standorte quer durch die Republik auf Eignung zu testen und den weiteren Ausbau von Gorleben zu stoppen. "Als Vergleichsstandort bleibt Gorleben erhalten", sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach dem Treffen: "Gorleben wird also nicht herausgenommen." Röttgen, der allein als Bundesumweltminister dafür die Kompetenz hat, begründete den Ausbaustopp damit, dass sonst der Anschein entstünde, Gorleben solle konkurrenzlos als Endlager vorbereitet werden. Offen blieb gestern Abend, ob auch die weiteren Erkundungsuntersuchungen des Salzstocks gestoppt werden.

+++ Umweltminister stoppt Ausbau von Gorleben +++

Tatsächlich gingen McAllisters Forderung und Röttgens Einlenken weiter als alle bisherigen Einlassungen der schwarz-gelben Landesregierung in Hannover und der ebenfalls schwarz-gelben Bundesregierung. Offizielle Linie war bislang, den Salzstock zu Ende zu untersuchen. Jetzt soll es nach dem Willen von McAllister in zwei Jahren nur noch eine vorläufige Sicherheitsanalyse geben, die wiederum von einem internationalen Expertengremium bewertet wird.

McAllister begründete seinen Vorstoß mit verhärteten Fronten: "Da machen wir jetzt einen Kompromissvorschlag zwischen denjenigen, die sofort die Erkundung stoppen wollen, und denjenigen, die noch wesentlich länger als 2013 erkunden wollen." Gorleben sei nicht aus dem Spiel: "Aber es gibt keine Vorfestlegungen, weder auf ein Medium, in dem der Atommüll gelagert werden soll, noch auf einen Standort."

Für den Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag Stefan Wenzel ist McAllisters Vorschlag nur "Etikettenschwindel". Es gehe ihm nicht um ein Konsensangebot an die Gesellschaft, sondern um die Befriedigung der widerstrebenden Kräfte im Regierungslager von CDU und FDP im Land wie im Bund: "Unter dem Deckmantel der Forschung sollen die Vorbereitungen für die Einlagerung von Atommüll weiter laufen." Der umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion, Kurt Herzog, glaubt an einen Zusammenhang mit der Landtagswahl am 20. Januar 2013. Er nennt den Vorschlag halbherzig: "McAllister kriegt kalte Füße." Die grüne Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke, sieht das anders, nannte den Vorstoß des niedersächsischen Ministerpräsidenten "ein wichtiges Signal". Ihre Feststellung: "Ich bin froh, dass sich jemand bewegt in der CDU." Und zum Ergebnis der Arbeitsgruppe Endlagergesetz sagte sie gestern Abend, das Ergebnis der Sitzung komme einem Baustopp gleich. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag in Hannover, Detlef Tanke, hatte noch am Nachmittag zurückhaltend reagiert. Der Vorschlag sei inkonsequent: "Mit seinem Vorschlag versucht der Ministerpräsident, das Heft des Handelns in der Gorleben-Frage wieder in den Griff zu bekommen." Der Vorschlag sei "weder Fisch noch Fleisch und zielt erkennbar ab auf das Wahldatum 20. Januar 2013".

+++ Im Wendland gilt: "Ohne Mampf kein Kampf" +++

Erklärtes Ziel der Arbeitsgruppe Endlagerung von Bund und Ländern ist es, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im kommenden Jahr einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringt, der eine neue Standortsuche ermöglicht und dabei neben Salz auch andere Wirtsgesteine wie Granit oder Ton einbezieht. Nachdem die süddeutschen Länder das Vorhaben viele Jahre kategorisch abgelehnt und auf Gorleben als geeignetes Endlager verwiesen haben, kam nach dem Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg Bewegung in die Debatte. Inzwischen hat sogar Bayern sich im Grundsatz bereit erklärt, im eigenen Land nach geeignetem Wirtsgestein zu suchen.

Erkundet wird der Salzstock seit 1986, zwischen 2000 und 2010 gab es schon einmal ein von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verhängtes Moratorium. Dann ordnete der neue Bundesumweltminister Röttgen die Fortsetzung der Arbeiten an. Von ihm hängt angesichts des Atomrechts letztlich auch ab, ob es zum Baustopp kommt. Im Sommer hat er den niedersächsischen Regierungschef McAllister abblitzen lassen. Da hatte McAllister gefordert, Atommüll für Hunderte von Jahren rückholbar zu lagern. Diese Bedingung ist im Salz von Gorleben sehr viel schwerer zu erfüllen als in Granit oder Ton, weil sich das Salz bewegt.