Die Stelle in St. Nicolai ist seit Oktober frei, aber keiner bewirbt sich. Die Vorgänger blieben jeweils nur wenige Jahre in der evangelischen Gemeinde.

Helgoland. Eigentlich sind die Arbeitsbedingungen ideal. Die Kirche steht mitten im Ort. Die Gemeinde ist klein, aber engagiert. Es gibt einen Posaunenchor, einen Flötenkreis und ein Altencafé. Das Pastorat ist in gepflegtem Zustand. Und der Himmel nah. Trotzdem ist der Posten im Auftrag des Herrn unbesetzt. Gut zwei Monate schon wird ein Pastor für die Hochseeinsel Helgoland gesucht.

Jetzt funken die 800 Protestanten mitten in der Nordsee SOS. "Wir haben bislang keine einzige Bewerbung vorliegen", sagt Lars Carstens, Vorsitzender des Kirchenvorstands der evangelischen St.-Nicolai-Gemeinde.

Anfang Oktober hatte der bisherige Amtsinhaber Mathias Dittmar den roten Felsen verlassen und eine Pfarrstelle in der Nähe von Uelzen angetreten. Seitdem wird auf dem 1200-Einwohner-Eiland improvisiert. Die nordelbische Kirche hat zwar einen offiziellen Vakanzvertreter bestimmt. Aber Pastor Heiko Boysen sitzt mehr als 70 Kilometer weit weg auf dem Festland in Wesselburen (Dithmarschen). "Er muss jedes Mal mit dem Flugzeug kommen", sagt Carstens, "und bei Nebel fliegt es nicht." Damit den Schäfchen in der St.-Nicolai-Kirche trotzdem jeden Sonntag das Wort Gottes gepredigt wird, springt eine ehrenamtliche Laiengeistliche, eine sogenannte Prädikantin, ein. "Es herrscht kein Notstand", betont der Kirchenälteste, der im Hauptberuf Polizist ist. Aber eine Dauerlösung ist es nicht.

"Wir suchen jemanden, der mit Herzblut auf die Insel kommt", beschreibt Carstens das Anforderungsprofil. Erwartet wird, dass der neue Pastor oder die neue Pastorin predigen kann. Außerdem müsse er eine Dienststelle mit einem Dutzend Mitarbeiter - von der Kita-Erzieherin bis zum Friedhofsgärtner - leiten und als Bauherr Verantwortung übernehmen. Derzeit wird der Turm der 1959 eingeweihten St.-Nicolai-Kirche saniert. Dann kommen Kirche und Gemeindehaus dran.

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Mindestens genauso wichtig ist aber etwas anderes. "Es muss jemand sein, der sich mit Helgoland identifizieren kann und mit dem Inselleben klarkommt", sagt Carstens. Und damit meint er nicht nur die Liebe zu See, Wind und Wellen. Man muss eben auch die Abgeschiedenheit auf Deutschlands einziger Hochseeinsel mögen, auf der jeder Festlandbesuch zur Reise wird.

"Helgoland ist ein spezieller Ort", sagt auch Ute Uhlig, die sich ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert und unter anderem eine Sommerkonzertreihe organisiert. "Wir sind hier sehr dicht zusammen. Gerade als Pastor muss man lernen sich abzugrenzen, wenn man einen Privatbereich haben möchte." Es gebe, sagt die Frau, die der Liebe wegen auf die Insel kam, "ein Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Distanz". Eine elegante Umschreibung für ein ziemlich grundsätzliches Problem. Nicht zum ersten Mal erweist sich die Suche nach einem neuen Oberhirten nämlich als ausgesprochen schwierig. Der letzte Inselpastor hielt es nur drei Jahre aus, der davor gerade einmal fünf. "Wir wünschen uns schon, dass jemand für länger kommt", sagt Ute Uhlig.

Immerhin haben sich beim Nordelbischen Kirchenamt in Kiel inzwischen einige Interessenten auch aus anderen Landeskirchen gemeldet. Man sei zuversichtlich, eine Lösung für Helgoland zu finden", sagt Sprecher Norbert Radzanowski. Vor Ort ist man da etwas weniger optimistisch. "Wichtig ist, dass der Lebensrhythmus geteilt wird", sagt Andreas Crystall, der als Propst im Kirchenkreis Dithmarschen die Helgoländer Pastorensuche begleitet. "Im Sommer sind viele Gäste auf der Insel, die zu betreuen sind. Im Winter, in der Erholungsphase, sammelt sich die Gemeinde und sucht nach sich selbst." Die Fähigkeit, diese Balance zwischen Innen- und Außenwirkung zu halten, müsse der neue Pastor mitbringen. Gesucht werde jemand, "der passt und der inselfähig ist". Crystall mahnt bei der Suche auch Fingerspitzengefühl und Sorgfalt an. "Es ist eine liebenswerte und sturmerprobte Gemeinde. Sie hat einen guten Seelsorger verdient."

Nach der ersten erfolglosen Stellenausschreibung ist nun eine zweite in Vorbereitung. Helgoland biete auch viele Vorteile, wirbt Kirchenvorsteher Carstens. "Wer hier lebt, entwickelt eine andere Mentalität. Das ist nichts Schlechtes." Für die Weihnachtszeit haben die Insulaner vorsichtshalber vorgesorgt. Ein Pastor im Ruhestand, der Verwandtschaft auf Helgoland hat, habe zugesagt, die Gottesdienste zu übernehmen, sagt Carstens. Dafür hat der Kirchenvorstand sogar ein Zimmer im Pastorat hergerichtet.