Nach Ärger um die Konkurrenz aus Hamburg sucht die Windmesse jetzt neue Allianzen. Unterstützung kommt aus der Wirtschaft.

Husum/Hannover/Hamburg. Hermann Albers, einen der Veteranen der Windkraftbewegung, bringt eigentlich nichts aus der Ruhe. Gestern lief der Präsident des Bundesverbandes WindEnergie Sturm - gegen die Pläne Hamburgs, ab 2014 eine große Windmesse auszurichten und so der Leitmesse in der kleinen Kreisstadt Husum den Garaus zu machen. Die Pläne würden sowohl dem Messestandort Deutschland als auch der Windkraftindustrie schaden, schimpfte Albers.

Ins Visier nahm der Windkraftboss neben der Hamburg Messe und Congress GmbH insbesondere die Windsparte im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Der VDMA, in dem viele Unternehmen aus der Windbranche organisiert sind, hatte sich in den vergangenen Monaten nach dem künftigen Standort für die größte Windmesse der Welt umgeschaut und dabei neben Husum auch Hamburg und Hannover geprüft. Gestern gab Verbandschef Thomas Richterich das Votum für Hamburg bekannt, das bereits vor Tagen durchgesickert und für viele in der Branche auch aus anderem Grund keine Überraschung war. Der VDMA hatte schon einmal versucht, die Messe in der Metropole zu etablieren. Vor fünf Jahren, nach der dritten Messe, gab Hamburg die Messe aber wieder auf und schloss einen Kooperationsvertrag mit Husum.

+++ Hamburg erste Wahl +++

+++ Sky Sails plant Anlage für Windenergie auf dem Meer +++

+++ Schleswig-Holstein will Windenergie fördern +++

Beim Auftritt von Messegesellschaft und VDMA in Hamburg war davon keine Rede. "Die Windindustrie sieht 2011 ganz anders aus als noch vor wenigen Jahren", sagte Richterich, der auch Vorstandschef von der Nordex SE ist, die Windkraftanlagen herstellt. Vor allem die internationalen Kollegen täten sich "schwer mit Husum", meinte er. Es gelinge nicht, sie in die Kleinstadt (22 000 Einwohner) hinterm Deich zu locken. Genau solche Probleme veranlassten die VDMA, über einen neuen Standort nachzudenken, sagte Thorsten Herdan und sprach der Messegesellschaft damit aus dem Herzen. "Wir freuen uns sehr, dass wir mit unserem Konzept für diese zentrale Windenergiemesse überzeugen konnten", sagte Messechef Bernd Aufderheide. "Unser modernes Messegelände bietet Ausstellern eine effiziente Logistik und ist international gut erreichbar."

Auf breite Zustimmung stößt das Vorhaben auch in Teilen der Windbranche. "Hamburg hat sich in den vergangenen Jahren als europäische Hauptstadt der Windenergie-Industrie etabliert", sagte Felix Felemann, CEO der Siemens Wind Power Division. Daher sei es logisch, dass Hamburg auch der Standort der europäischen Leitmesse für Windenergie werde.

Im Anschluss an das Plädoyer für Hamburg betonte nicht nur der VDMA, dass er sich eine Kooperation mit der Windmesse in Husum wünsche. "Die Tür steht offen", versicherte Herdan. Sollte es künftig aber zwei Messen geben, sei dies auch kein Problem. "Ich würde dem gelassen entgegensehen", sagte Herdan. Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) bemühte sich ebenfalls um Schadensbegrenzung in Schleswig-Holstein. "Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Verantwortlichen sich eine Fortsetzung der bisher bestehenden Kooperation beider Messegesellschaften in Husum und Hamburg wünschen."

Die warmen Worte aus Hamburg konnten den Frust in Husum und Kiel allerdings nicht mildern, zumal auch Horch offenließ, welche Zukunft der populären Messe an der Nordsee bleibt. Im Kieler Landeshaus verurteilten fast alle Parteien den Hamburger Windstreich, mal sanft als "Vertrauensbruch", mal hart als "Kriegserklärung" von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Dem Bürgermeister sei sein Wahlerfolg und die sozialdemokratische Alleinregierung offensichtlich zu Kopf gestiegen, schimpfte der Grünen-Abgeordnete Detlef Matthiessen. "Wir sind als Schleswig-Holsteiner nicht nur gut, Ausgleichsflächen für die Erweiterung der Airbusindustrie und das Ausbaggern der Elbe zur Verfügung zu stellen." Tatsächlich hatte Scholz mit der ganzen Sache bisher aber gar nichts zu tun.

Wie im Landtag, der sich am Freitag klar zur Messe in Husum bekannt hatte, scherte gestern in Kiel nur die SPD aus . Sie warf der schwarz-gelben Landesregierung vor, den Messestandort Husum vernachlässigt und so Hamburg Tür und Tor geöffnet zu haben. Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) wies das zurück, kündigte aber an, beim Ausbau des Standorts Husum zu helfen, etwa bei der Anlage neuer Parkplätze, damit Messebesucher bei Regen künftig nicht mehr über durchweichte Wiesen stapfen müssen.

Hamburg werde die Windmesse in Husum nicht kleinkriegen, versicherte Messegeschäftsführer Peter Becker. 2010 seien fast 1000 Aussteller und mehr als 35 000 Besucher nach Husum gekommen, und die nächste Messe 2012 sei bereits gut gebucht. Auf Nachfrage räumte Becker ein, dass die Geburtsmesse der Windkraft inzwischen zum Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden ist. Für 2012 musste Becker einigen Ausstellern mitteilen, dass für sie in der Messehalle und den geplanten weiteren Leichtbauhallen kein Platz ist. "Wir haben eine Warteliste." Trotzdem hat die Messe in Husum, im Volksmund auch "Windstock" genannt, gewichtige Unterstützer. Der dänische Weltmarktführer Vestas setzt ebenso auf Husum wie der Branchenführer in Deutschland, Enercon aus Niedersachsen. Beide Konzerne sind nicht im VDMA und halten auch zu Husum, weil das "Windstock" an der Küste im jährlichen Wechsel mit der internationalen Windmesse in Hannover stattfindet. Dort werden viele große Geschäfte abgeschlossen.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) lässt keinen Zweifel daran, dass Husum und Hannover ihren bis 2013 laufenden Vertrag fortschreiben sollten. Die Verhandlungen laufen und könnten dazu führen, dass Hamburg seine Messepläne eindampfen muss. "Wie stark die Messe in Hamburg am Ende wird, ist heute noch nicht abzusehen", bilanzierte de Jager.

Rückendeckung bekam Schleswig-Holstein aus Niedersachsen. Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) erinnerte an die laufenden Verträge. "Fest steht, dass der Standort Husum eine große Tradition und sich das bisherige Konzept mit der Hannover Industriemesse als Partner seit vielen Jahren bewährt hat", sagte er dem Abendblatt. Hinzu kommt die Gefühlslage. In Niedersachsen wird ähnlich wie in Schleswig-Holstein mit einigem Misstrauen beobachtet, dass Hamburg weniger auf Kooperation denn auf Alleingänge setzt. Auch vollmundige Hamburger Feststellungen, man sei die deutsche oder gar europäische Hauptstadt der Windbranche, stoßen auf Missfallen. Niedersachsen investiert wie Schleswig-Holstein erheblich in eigene Hafenanlagen und andere Infrastrukturprojekte der Windbranche. Befürchtet wird durchaus eine langfristige Konzentration von Firmenzentralen in Hamburg, sodass das eigene Land zur verlängerten Werkbank verkommt.