Parteien reagieren zustimmend auf die Forderung des niedersächsischen Regierungschefs McAllister, über neue Konzepte zur Atommülllagerung nachzudenken

Hannover. Am 13. Mai 1976 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, die Genehmigung weiterer Kernkraftwerke an einen Entsorgungsnachweis für die abgebrannten hoch radioaktiv verseuchten Brennstäbe der Meiler zu knüpfen. Ein Endlagerstandort musste her, und am 22. Februar 1977 folgte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) der dringenden Bitte des Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD), einen Standort zu benennen. Seit diesem Tag wird gestritten über die Eignung des Gorlebener Salzstocks. Aber selten ging es dabei so hoch her wie gestern im Landtag.

Da gab es den überraschenden Schwenk von Ministerpräsident David McAllister (CDU), der auf Distanz zur Einlagerung im Salz ging und fordert, über ein Konzept mit Rückholmöglichkeit des gefährlichen Mülls neu nachzudenken.

Auch die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms, die aus dem Wendland kommt, bescheinigte McAllister "eine neue Ernsthaftigkeit". Noch im Juli hatten die Regierungsparteien CDU und FDP für eine Fortsetzung der Erkundung des Gorlebener Salzstocks auf Eignung als Endlager plädiert.

Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Detlef Tanke, sagte, McAllisters Kehrtwende habe die Situation grundlegend verändert: "Damit ist Gorleben faktisch tot, McAllister traut sich nur noch nicht, das auch deutlich zu sagen." Die Opposition unterstellte dem Regierungschef auch taktische Motive: Wegen der Schwäche der FDP räume er Positionen, die eine Koalition mit den Grünen unmöglich machen würden.

Außerhalb des Parlaments zeigte die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg gestern "Skepsis", wie ernst der Vorstoß McAllisters gemeint sei. Sie forderte den Ministerpräsidenten auf, sich für einen Baustopp im Salzstock einzusetzen: "Es muss klar gesagt werden, dass Gorleben aus geologisch-wissenschaftlicher Sicht nicht geht." Greenpeace dagegen lobte: "Endlich löst sich McAllister von der starrköpfigen Festlegung der CDU auf Gorleben."

Offen blieb gestern im Landtag, ob wegen der derzeit erhöhten Strahlenbelastung im Gorlebener Zwischenlager der im November geplante nächste Castor-Transport aus Frankreich ins Wendland abgesagt wird. Entschieden werde dies auf der Basis geplanter Maßnahmen zur Abschirmung und nach neuen Messungen Ende September, kündigte FDP-Umweltminister Hans Heinrich Sander an. "Wenn der Jahresmittelwert überschritten wird, gibt es keine Einlagerung." In den vergangenen zwei Wochen waren neue Probleme bekannt geworden. Auf dem Gelände des Transport-Behälter-Lagers (TBL), nahe dem Erkundungsbergwerk, ist die Strahlung auf 0,27 Millisievert angestiegen. Erlaubt ist dort ein Jahresmittelwert von höchstens 0,3 Millisievert.

Erwartet wird in diesem Herbst der letzte Transport mit hoch radioaktivem Müll aus Frankreich, in den Jahren darauf kommen noch 22 Castoren aus der britischen Aufarbeitungsanlage Sellafield sowie weitere Transporte mit mittelaktivem Müll. Nach Informationen der Atomkraftgegner im Wendland wird der Castor-Transport in diesem Herbst vom 25. bis 28. November erfolgen. Der Propst der Evangelischen Kirche im Wendland hat dagegen am Mittwoch protestiert, weil der 27. November der 1. Advent ist: "Die Menschen haben ein Recht auf das Feiern ihrer Festtage."