Umweltschützer legen ein Gutachten vor. Sie sehen das Unesco-Welterbe Wattenmeer in Gefahr und fürchten eine Versalzung des Trinkwassers.

Hamburg. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnt eindringlich vor der unterirdischen Kohlendioxid-Lagerung in der Nordsee. "Die ökologischen Folgen wären verheerend", sagte Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch. Der Umweltverband hatte am Freitag ein Gutachten des Geologen Ralf Krupp mit dem Titel "Risiken der Verpressung von Kohlendioxid unter der Nordsee" präsentiert.

Die Anwendung der sogenannten CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) - also das Herausfiltern von Kohlendioxid aus Kraftwerken mit anschließender unterirdischer Lagerung - könne schwere ökologische Schäden bei Fauna und Flora im Meer verursachen, so ein Ergebnis des Gutachtens. Der hohe Druck, der zur Verpressung in die Tiefe des Meeresgrundes erforderlich sei, sowie chemische Reaktionen könnten zu CO2-Lecks führen.

Außerdem hätte die Verdrängung großer Mengen Salzwassers für die Lagerstätten "verheerende Folgen - sowohl für zahlreiche Lebewesen im Meer wie auch für regionale Wirtschaftszweige wie Fischerei und Tourismus". Der BUND hält auch eine Beeinträchtigung des Unesco-Welterbes Wattenmeer sowie eine Versalzung von Trinkwasser an der Nordsee für möglich. Bedroht sei außerdem eine Vielzahl von Riffen und Sandbänken, die zu den sogenannten Natura-2000-Schutzgebieten gehören. Die Studie belege, dass die Folgen der Anwendung der CCS-Technologie noch zu wenig erforscht seien. Aus diesem Grund, so die Forderung des BUND, müsse der Bundesrat das Gesetz zur Einführung der CCS-Technologie grundsätzlich ablehnen. Am 23. September soll in Berlin darüber abgestimmt werden. Anfang Juli hatte der Bundestag nach hitzigen Debatten mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP für die unterirdische CO2-Speicherung votiert. Die Opposition lehnte das Vorhaben ab.

Auf Druck Schleswig-Holsteins und Niedersachsens wurde eine Klausel in das Gesetz mit aufgenommen, die den Ländern freistellt, CCS für bestimmte Länder auszuschließen. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) hat bereits angekündigt, sein Land wolle die Speicherung des Treibhausgases verbieten. Da in Norddeutschland die meisten potenziellen Lagerstätten für das Treibhausgas liegen, wäre ein solches Verbot ein Rückschlag für die Technologie, die von der Bundesregierung als Mittel im Kampf gegen die Klimaerwärmung angesehen wird.

Der BUND lehnt die CCS-Technologie nicht nur wegen ihrer Risiken, sondern auch aus energiepolitischen Gründen ab. BUND-Klimaexpertin Tina Löffelsend: "Kohlekraftwerke werden auch mit CCS nicht sauber. Stattdessen dient das Verfahren vor allem dazu, dass mehr Kohle verfeuert wird als in Kraftwerken ohne CCS." Die Technologie helfe, "klimaschädlichen Kohlekraftwerken ein grünes Image" zu geben und deren Neubau zu legitimieren, so Löffelsend.

In Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen-Anhalt demonstrieren Bürgerinitiativen und Umweltverbände, darunter der BUND, seit Längerem gegen die Pläne zur CO2-Endlagerung - sowohl in der Erde als auch unter dem Meer.

Für Hamburg spielt die Frage der CCS-Technologie zudem eine besondere Rolle. In einer Vereinbarung zwischen der Stadt Hamburg und dem Energiekonzern Vattenfall zum Bau des Kohlekraftwerks Moorburg hatte sich Vattenfall dazu verpflichtet, die CCS-Technologie nachzurüsten, sobald dies technisch und wirtschaftlich möglich sei, um den CO2-Ausstoß des 1640-Megawatt-Kraftwerks zu reduzieren. Ohne CCS liegt dieser Ausstoß bei acht Millionen Tonnen pro Jahr. Die Vereinbarung ist Bestandteil der Genehmigungsunterlagen.

"Moorburg wird nie ein sauberes Kraftwerk werden", betonte Manfred Braasch. Für die Stadt werde das Kohlekraftwerk Moorburg ohne CCS-Technologie immer ein Sündenfall bleiben.

Das Gutachten des BUND macht den Einsatz dieser Technik jetzt noch unwahrscheinlicher. Geologe Ralf Krupp: "Die Verpressung von CO2 unter die Nordsee ist potenziell nicht weniger gefährlich als auf dem Festland, weil grundsätzlich die gleichen geologischen Mechanismen wirken." Zudem, so ergänzt BUND-Meeresexpertin Nadja Ziebarth, würden die potenziell geeigneten CO2-Lagerstätten vor allem in Natura-2000-Schutzgebieten liegen. "Zahllose Meerestiere und Vögel hätten ihre Kinderstube Wattenmeer. "Wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass von unterseeischen CO2-Lagerstätten keine Gefahr ausgeht, dürfen solche Projekte in der Nordsee auch nicht realisiert werden", so Ziebarth.