Auf der A 1 zwischen Bargteheide und Oldesloe ist der neue Beton zu weich. Die Fahrbahn muss aufgerissen und neu gebaut werden.

Kiel. Erst vor knapp vier Monaten ist die für zwölf Millionen Euro frisch sanierte Betondecke auf der Autobahn 1 zwischen dem Kreuz Bargteheide und der Anschlussstelle Bad Oldesloe fertiggestellt worden. Doch hat die Straßenbaufirma Reinhold Meister offenbar Pfusch auf dem sechs Kilometer langen Teilabschnitt abgeliefert. Die Sachverständigen des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr (LBV) in Lübeck, die den Vertrag mit der bayerischen Firma gekündigt hat, beanstandeten die Festigkeiten der Betondecke. Ein unabhängiger Gutachter bestätigte, dass der Beton zu weich ist.

Nun muss die Fahrbahn aufgerissen und neu gebaut werden: für sechs Millionen Euro. Wer für die Kosten aufkommt, wird ein Gericht entscheiden. "Aufgrund des Gutachtens fühlen wir uns in unserer Rechtsposition sicher und sehen dem Verfahren insoweit gelassen entgegen", sagt die schleswig-holsteinische Verkehrs-Staatssekretärin Tamara Zieschang.

Am Dienstag hatten Experten des Landesverkehrsministeriums und Mitarbeiter des LBV bei einem Treffen beschlossen, dass bis Baubeginn im August der sechs Kilometer lange Autobahnabschnitt Richtung Norden vom 15. April an gesperrt wird. Auto- und Lastwagenfahrer müssen in beiden Fahrtrichtungen bis dahin und während der dreimonatigen Bauzeit die Spuren Richtung Hamburg teilen. "Um den Tourismus in der Lübecker Bucht so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, hat der Landesbetrieb schon am Tag nach der Kündigung am 9. März die gesetzlich vorgeschriebene EU-weite Ausschreibung vorgenommen", sagt Zieschang. Die Arbeiten seien so terminiert, dass am 1. August mit dem Neubau begonnen werden könne. Also zu einem Zeitpunkt, an dem die Reisewelle Richtung Norden rollt.

"Das ist eine Riesenkatastrophe", kritisiert Matthias Schmitting, Sprecher des ADAC Hansa. Während der Ferienzeit ein größeres Bauvorhaben umzusetzen, das gehe gar nicht. Der Verkehrsexperte bestätigt, dass der Pfusch an der A 1 kein Einzelfall sei. "Diese Problematik gibt es seit Jahren, nicht nur in Norddeutschland, sondern bundesweit." Es sei zu beobachten, dass der Zeitdruck auf allen Seiten gestiegen sei, weil jeder Kilometer Stau den Steuerzahler, die Volkswirtschaft und die Umwelt belaste. "Zudem wächst das Verkehrsaufkommen, und wir bauen seit Jahrzehnten dem Bedarf hinterher", sagt Schmitting. Der Zeitdruck werde bewusst aufgebaut, um Autofahrer nicht mehr als nötig zu belasten. "Es gibt etwa Prämienzahlungen für Baufirmen, wenn sie ihre Arbeit zu einem vorgegebenen Zeitpunkt erledigt haben." Hinzu komme, dass es sich beim Straßenbau um einen hart umkämpften Markt handele und das Bieterkonsortium aus ganz Europa stamme. "Die Firmen unterbieten sich gegenseitig, und es kommt zu Dumpingpreisen."

Ein weiteres Problem ist, dass die Behörden personell nicht mehr so aufgestellt sind, dass sie jeden Tag einen Kontrolleur zu den Baustellen schicken können. Fremdfirmen können damit nicht beauftragt werden, weil das Geld fehlt. "Die Entscheidungen treffen die Behörden häufig aufgrund der Aktenlage", sagt Schmitting. "Die Folge ist, dass Baufirmen versuchen können, eine Lücke zu finden, um Geld zu sparen und somit ihren Gewinn zu erhöhen."

Matthias Schmitting nennt ein weiters Phänomen, das in der Branche immer wieder auftauche. "Die Behörden hinken der Verkehrsentwicklung hinterher und kommen zu falschen Einschätzungen." Er gibt ein Beispiel: Eine Firma soll eine Straße bauen, die täglich 30 000 Fahrzeuge passieren, acht Prozent davon sind Lkws. Tatsächlich wird die Straße aber von 60 000 Fahrzeugen benutzt, von denen 20 Prozent Lkws sind. "Für diese Belastung ist die Straße dann aber nicht ausgelegt, und es kommt schneller zu Schäden an der Fahrbahn", sagt Schmitting. Doch der Auftragnehmer gewährleiste nur das, was im Vertrag vereinbart sei. Und dann gingen die Streitereien los.

"Ich habe das Gefühl, dass der Streit über die Qualität im Straßenbau zugenommen hat", sagt Rainer Kersten, Geschäftsführer beim Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein. Er fordert: "Es muss konsequenter gegen Firmen vorgegangen werden, die Pfusch betreiben. Er plädiert für die Einführung einer "Negativliste". "Wer auf der Liste steht, sollte von den Behörden von Ausschreibungen ausgeschlossen werden."