Die Hansestadt Hamburg bietet Schleswig-Holstein ein gemeinsames Gremium der Parlamente an und übernimmt die Führungsrolle im Ländergespann.

Kiel. Schleswig-Holstein hat Hamburg in den vergangenen Jahren immer wieder Angebote zu einer engeren Zusammenarbeit gemacht und ist dabei oft abgeblitzt. Nun übernimmt Hamburg mit einer brisanten Offerte die Führungsrolle im Ländergespann. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) bietet ihrem Kieler Kollegen Torsten Geerdts (CDU) in einem Brief Verhandlungen über einen "Gemeinsamen Ausschuss" der zwei Parlamente an und drückt zugleich aufs Tempo.

Veit empfiehlt in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, dass sich die Gesprächsrunde (ein Teilnehmer aus jeder Parlamentsfraktion) unter Vorsitz der beiden Präsidenten bereits Ende Februar oder in der zweiten Märzhälfte im Hamburger Rathaus, "aber auch gerne in Kiel" treffen könnte.

Geerdts hat das Schreiben umgehend an die Spitzen der sechs Landtagsfraktionen weitergeleitet und will heute im Ältestenrat über die Offerte diskutieren. Im Landeshaus gilt es als sicher, dass Schleswig-Holstein das Gesprächsangebot annimmt. Offen ist allerdings, ob die Parlamentsspitzen sich noch vor oder erst nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai treffen. Vor allem der CDU kommt die Offerte zeitlich ungelegen. Sie fürchtet eine Konkurrenzveranstaltung zum Nord-Gipfel, den Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) plant.

Der Regierungschef hat Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und dessen Senatoren für den 28. Februar zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Kiel eingeladen. Dort will Carstensen mit Scholz eine Art Grundlagenvertrag abschließen, in dem sich die Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein auf gemeinsame Spielregeln im Wettbewerb um Messen, Unternehmen oder andere Projekte einigen.

Der Vorschlag eines Zwei-Länder-Ausschusses geht weit darüber hinaus. Der Ausschuss, den sich die SPD-Fraktionen in Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam ausgedacht haben, wäre das bundesweit erste Gremium, das länderübergreifend Politik gestalten könnte. Kernaufgabe wäre die Kontrolle von bereits fusionierten Einrichtungen, etwa des Statistikamtes Nord. Der Ausschuss könnte aber auch Pflöcke für neue Fusionsvorhaben einschlagen und so einem Nordstaat den Weg bereiten.

CDU wie FDP in Kiel sehen den Zwei-Länder-Ausschuss kritisch. Sie setzen auf eine unverbindlichere "Parlamentarierkonferenz Nord", zu der Abgeordnete aus allen fünf Küstenländern zusammenkommen.

Unterstützt wird die Hamburger Initiative von der SPD in Kiel. Ihr Spitzenkandidat Torsten Albig macht gemeinsam mit Scholz im Hamburger Umland Wahlkampf und setzt nach der Wahl auf eine Koalition mit den Grünen. Die Ökopartei, die mit einem Nordstaat liebäugelt, möchte sogar die Landesverfassung ändern und so einen echten Nordausschuss ermöglichen. Nach geltendem Recht könnten die Abgesandten aus Hamburg und Schleswig-Holstein zwar gemeinsam tagen, müssten aber getrennt abstimmen.

Unbestritten ist bei allen Fraktionen in Kiel, dass es reichlich Gesprächsbedarf mit Hamburg und sogar einen aktuellen Anlass gibt. Gestern legte die Landtagskommission zur "Norddeutschen Kooperation" ihren Abschlussbericht vor, der in vielen Bereichen von Bildung über Wirtschaft bis Verwaltung große Defizite bei der Zusammenarbeit der Länder auflistet. Die Ergebnisse der Kommission seien für die "Hamburger Seite" von großem Interesse, schreibt Veit. Sie schlägt zugleich vor, die Problemfelder zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein im Zwei-Länder-Ausschuss zu bearbeiten.

Ganz oben auf der Kieler Sorgenliste steht das neue Gastschulabkommen mit Hamburg. Es legt seit 2011 bürokratisch fest, welche Schüler jenseits der Ländergrenzen pauken dürfen, verpflichtet Schleswig-Holstein zu einer Ausgleichszahlung von gut zwölf Millionen Euro im Jahr und benachteiligt die Städte im Hamburger Umland. Sie erhalten kein Geld für Gastschüler aus Hamburg, werden aber für ihre Kinder, die in Hamburg zur Schule gehen, von Kiel zur Kasse gebeten. Die Kommission einigte sich bisher nicht auf eine Lösung. Am weitesten wagen sich SPD und Grüne vor. Sie fordern freie Schulwahl im Norden, eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung mit Hamburg und eine Angleichung der Schulsysteme.

Handlungsbedarf sieht die Kommission auch in Wirtschaftsfragen, etwa bei der Ansiedlung von Unternehmen. CDU und FDP möchten die Landesplanung mit Hamburg koordinieren, die SPD setzt auf eine gemeinsame Landesplanung und länderübergreifende Gewerbegebiete. Daran müsste auch Hamburg interessiert sein. Die Metropole hat laut Kieler Bericht bis 2025 einen Gewerbeflächenbedarf von 355 Hektar, aber nur 170 Hektar zur Verfügung. Auf der Kieler Wunschliste steht zudem eine gemeinsame Wirtschaftsförderung mit Hamburg. Scholz geht bisher den entgegengesetzten Weg und baut trotz der in Kiel erfolgreich arbeitenden Investitionsbank für die Metropole ein eigenes Förderinstitut auf.

Umstritten blieb in der Kommission, ob beide Länder weitere Einrichtungen zusammenlegen sollen. Im Gespräch ist seit Jahren eine Fusion der Landesrechnungshöfe oder der Obergerichte. Auch bei der Personalverwaltung, der Landesplanung oder dem Verfassungsschutz könnte mehr Zusammenarbeit zu Einsparungen führen.

Konkrete Vorschläge machte die Kommission nicht. SPD und Grüne, die das Landtagsgremium durchgesetzt hatten, zeigten sich mit den Ergebnissen gleichwohl zufrieden. CDU, FDP, SSW und Linkspartei sahen sich in ihrer Ursprungskritik an der Kommission bestätigt. Das Gremium, das in knapp zwei Jahren 29-mal tagte und 100 000 Euro kostete, war sich immerhin in einer zentralen Frage einig. Ein Nordstaat mit Hamburg ist nur sinnvoll, wenn zuvor der Länderfinanzausgleich geändert wird. Ansonsten würden die Länder durch eine Fusion etwa eine Milliarde Euro im Jahr verlieren. Spätestens 2019 soll die Reform des Finanzausgleichs unter Dach und Fach sein.