“Stümperhafte Inszenierung“: Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef attackiert eigene Koalition und seinen Parteifreund Ekkehard Klug.

Kiel. In der schwarz-gelben Koalition in Schleswig-Holstein geht es 100 Tage vor der Landtagswahl drunter und drüber. Nach zwei Attacken der FDP auf die eigene Regierung warf Fraktionschef Wolfgang Kubicki gestern dem liberalen Schulminister Ekkehard Klug vor, mit seiner öffentlichen Forderung nach mehr Lehrerstellen Schaden angerichtet zu haben. "Das war eine stümperhafte Inszenierung."

Für die Selbstdemontage der Koalition hat der Kieler Politikwissenschaftler Professor Joachim Krause eine einfache Erklärung. Die FDP versuche, die laut Wahlumfragen noch fehlenden zwei Prozentpunkte für einen Wiedereinzug in den Landtag zu bekommen, und das um fast jeden Preis. "Wenn man verzweifelt ist, macht man alles." Profilierungsversuche gegen die eigene Regierung seien aber "riskant". Für die CDU, weil das bisher sorgsam gepflegte Bild einer harmonischen Regierung Schaden nehme, und für die FDP, weil die Wähler stutzig würden, wenn eine Partei ihre Positionen im Wahlkampf plötzlich ändere.

+++ Kubicki hält neun Prozent für FDP für erreichbar +++

+++ FDP setzt auf den Kubicki-Faktor +++

Begonnen hatte die Selbstdemontage der Koalition am Dienstag mit einem Querschuss Kubickis. Er kritisierte das Veto von Innenminister Klaus Schlie (CDU) gegen eine Erweiterung des Möbelhauses Dodenhof in Kaltenkirchen und sprach von DDR-Planwirtschaft. Für seine "Überreaktion" entschuldigte sich Kubicki, inhaltlich legte er nach. Die Koalition habe sich auf die Fahnen geschrieben, Schleswig-Holstein zum wirtschaftsfreundlichsten Bundesland zu machen. Dem widerspreche die Dodenhof-Entscheidung.

Kubickis Hoffnung, das Profil der FDP als Wirtschaftspartei zu schärfen, erfüllte sich bisher allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Unternehmensverbände Nord erinnerten Kubicki gestern öffentlich daran, dass ein Ausbau des Möbelhauses laut des von CDU und FDP 2010 erarbeiteten Landesentwicklungsplans nicht zulässig sei. Der Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Nord legte intern in einem Schreiben an Kubicki nach. "Früher stand die FDP für Ordnungspolitik, heute hat sie offensichtlich den Opportunismus zu ihrem politischen Prinzip erhoben." Ein Ausbau von Dodenhof würde den Einzelhandel im Großraum Kaltenkirchen gefährden.

Kubicki machte dafür, dass sein Vorstoß nicht zündete, derweil Klug verantwortlich, weil der Minister am Mittwoch seinen Bericht über eine angebliche Lehrerlücke (453 Stellen) an die Medien durchsteckte und damit für den nächsten Koalitionszoff sorgte. Klug habe die Dodenhof-Aktion "sabotiert", schimpfte Kubicki. Der Lehrerbericht sei für den Koalitionsausschuss gedacht gewesen.

Die CDU wurde von Klugs Bericht kalt erwischt und fühlte sich an den vergangenen Herbst erinnert. Damals hatte ein FDP-Parteitag mit Stimmen von Klug und Kubicki überraschend gefordert, 300 Lehrerstellen weniger zu streichen als von der Koalition beschlossen. Die Opposition nahm die neue Steilvorlage sofort auf. SPD, Grünen und SSW wollen heute im Landtag beantragen, im laufenden Jahr auf den Abbau von Lehrerstellen zu verzichten.

CDU und FDP sehen das zwar unterschiedlich, dürften den Antrag aber gemeinsam ablehnen und daran erinnern, dass sie den realen Lehrerbedarf im Koalitionsausschuss im Februar klären wollen. Die CDU gerät damit zunehmend unter Druck. Sie hält als einzige Partei an den alten Sparbeschlüssen (Abbau von 3650 Lehrerstellen bis 2020) fest und muss entscheiden, ob sie für eine vermeintlich populäre Kurskorrektur ihr Markenzeichen einer soliden Finanzpolitik opfert.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) lehnte gestern einen Nachschlag für die Schulen ab. "Wir haben das Geld nicht und wir haben im Moment auch nicht den Bedarf", sagte er dem Abendblatt. CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager hielt sich bedeckter, wies Klugs Forderungskatalog aber als "Wunschzettel" zurück. In der CDU hofft man derweil, dass die FDP "sich wieder einkriegt", weil Opposition gegen die eigene Regierung sich nicht auszahle. Carstensen formulierte es mit Blick auf die FDP so: "Es ist besser zu schwimmen, als wie ein Ertrinkender die Arme hochzureißen und dadurch immer weiter unterzugehen."