Spitzenkandidat der Liberalen soll die Partei trotz des katastrophalen Bundestrends wieder in den Landtag führen

Kiel/Hannover. Mit ein bisschen Pech für die FDP hat Katja Suding in knapp einem Jahr ein Alleinstellungsmerkmal in Norddeutschland: Die Hamburger Fraktionschefin könnte nach den Wahlen in Schleswig-Holstein (6. Mai) und Niedersachsen (20. Januar 2013) die letzte liberale Fraktion in einem der fünf norddeutschen Landtage führen. Um gegen den katastrophalen Bundestrend doch noch die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, setzen Schleswig-Holsteins Liberale auf den Kubicki-Faktor, auf ihren Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki, den sie am Wochenende in Neumünster mit 94 Prozent zum Spitzenkandidaten kürten. Ungleich schwerer wird es für die FDP in Niedersachsen. Sie geht mit einer weitgehend unbekannten Riege junger Männer ins Rennen.

In Neumünster wird Kubicki, der Alleinunterhalter der Nord-FDP, mit Komplimenten überhäuft. "Er ist unser Zugpferd", sagt die Spitzenliberale Anita Klahn. "Ohne ihn würde es hier in Schleswig-Holstein nicht gehen", beschreibt Segebergs FDP-Kreischefin Katharina Loedige. Ein dickes Lob bekommt der schillernde Politstar auch von Parteichef Heiner Garg. "Einen Kubicki würde sich jeder Landesverband wünschen."

Kubicki weiß, dass die Liberalen mit ihm stehen oder fallen, und er genießt es. Als Tagungspräsident Bernd Hadewig den Anwalt in der Stadthalle fragt, ob er die Wahl zum Spitzenkandidaten annehme, schweigt Kubicki solange, bis die 200 Delegierten halb gespannt und halb entsetzt zu ihm aufblicken. Kubicki strahlt und erlöst seine Parteifreunde mit einem selbstbewussten "Ja".

"Ich bin der bekannteste Landespolitiker in Deutschland", sagt Kubicki später dem Abendblatt. Über seine Umfragewerte würde sich so mancher Bundesminister freuen. Sein Erfolgsgeheimnis verrät der Liberale gern. "Ich habe Unterhaltungswert." Er sei kein Langweiler, sitze häufiger als jeder andere norddeutsche Politiker in Talk-Shows - gestern Abend etwa bei Günther Jauch.

Mit ihrem scharfzüngigen Frontmann sind die Nord-Liberalen bisher gut gefahren. Vor 20 Jahren führte Kubicki die FDP zurück in den Kieler Landtag und seitdem erfolgreich in drei weitere Wahlen. Allein Kubicki sei für zwei bis drei Prozentpunkte gut, meint ein FDP-Stratege. Das könnte für den Landtag reichen. Der Haudegen, 59 Jahre alt, schätzt seinen Wert wohl höher ein. In Neumünster versprach der "eitle Selbstdarsteller" (Kubicki über Kubicki) seiner FDP am Wahlabend "mindestens neun Prozent".

Die liberale "One-Man-Show" läuft allerdings nicht ohne Pannen. In Neumünster rechnet der Steuermann der schwarz-gelben Regierung zwar gewohnt gnadenlos etwa mit Grünen-König Robert Habeck ("Prinz Porree") ab, macht Rot-Grün aber auch verantwortlich für das nicht verfassungsgemäße Wahlrecht sowie den 120-Millionen-Griff in die Kasse die Kommunen. Beides hatten jedoch SPD und CDU beschlossen. Bei der Aufstellung der Landesliste bekommt Kubicki einen Dämpfer. Seine Kandidatin Katharina Loedige scheitert im Kampf um Platz vier gegen Schulminister Ekkehard Klug. Er hatte zuvor erklärt, warum er gegen Kubickis Wunsch antritt: "Männermut vor Königsthron".

Wie viel schwieriger die personelle Situation für die Niedersachsen-FDP ist, ließ sich auf dem Neujahrsempfang besichtigen. Der Star beim liberalen Familientreffen im Kuppelsaal des Kongresszentrums in Hannover ist ausgerechnet ein Christdemokrat: Ministerpräsident David McAllister. Gewählt wird in gut elf Monaten, und kaum jemand kennt Stefan Birkner, 38, der im vergangenen Jahr die Nachfolge von Philipp Rösler als Landesvorsitzender angetreten hat und in der vergangenen Woche auch Umweltminister geworden ist. Ein kompetenter Jurist, dessen Ausstrahlung aber ebenso zu wünschen übrig lässt wie die des 41-jährigen gelernten Bankkaufmanns und Wirtschaftsministers Jörg Bode. Dritter im Bund ist Christian Dürr, 34 Jahre alt und Fraktionschef im Landtag. Der gilt immerhin als rednerisches Talent.

Auf Bundesebene sind die Liberalen wegen ihres Dauerstreits mit dem Koalitionspartner CDU im Sturzflug, in Niedersachsen dagegen werden sie kaum noch wahrgenommen, eben weil CDU und FDP seit der gemeinsamen Machtübernahme bei der Landtagswahl Anfang 2003 fast geräuschlos zusammenarbeiten. Unvorstellbar, dass Birkner mit McAllister in den Clinch geht, wie dies Kubicki in Schleswig-Holstein mit Carstensen ab und zu macht.

Dem Auftritt von McAllister beim Neujahrsempfang kann Oliver Olpen, der Landeschef der Julis, des FDP-Nachwuchses, nichts abgewinnen: "Wir sollten keinen Koalitionswahlkampf machen, sondern endlich unser Abgrenzungspotenzial ausschöpfen." Für die FDP müsse ab jetzt Wahlkampf sein.