In Bleckede wurden die ersten der nur vier Gramm leichten Wanderfische ins Wasser gelassen. So sollen sich die Fischbestände erholen.

Bleckede. Langsam tuckert das Feuerwehrboot hinein in das Hafenbecken von Bleckede, einem beschaulichen Elbort im Landkreis Lüneburg. An Bord sitzt Sportangler Richard Kruse. In dem blauen Eimer neben ihm schlängeln sich drei Kilogramm quirlige Jungaale. An verschiedenen Stellen des Hafenbeckens entlässt der 65 Jahre alte Fischer die bis zu 15 Zentimeter langen und nur wenige Gramm leichten Tierchen ins Wasser.

"Ich bin seit 50 Jahren Mitglied im Angelsportverein und kenne die Stellen, an denen Jungaale geschützt vor den Kormoranen aufwachsen können. Das Leben im Hafen ist für sie eine Schonzeit. Im Elbstrom wäre das völlig anders." So wie Kruse setzen aktuell gerade viele seiner Kollegen insgesamt 120 000 junge Aale an 100 Besatzstellen entlang der Elbe, ihren Nebengewässern und Altarmen zwischen Hamburg und Schnakenburg aus.

Der schleimig-grau glänzende Nachwuchs soll helfen, die immer noch in der Elbe bedrohten Bestände der selten gewordenen Tierart zu retten. "Der Elbstrom eignet sich besonders gut für den Aalbesatz. Die Wasserqualität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beständig verbessert. Das einzige Querbauwerk - das Wehr in Geesthacht - ist für abwandernde Aale kein großes Hindernis", sagt Koordinator Volkmar Hinz von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

"Die Europäische Union fördert die Aalbesatzaktion 2012 nach den deutschen Aal-Managementplänen, um so dem jahrzehntelangen Niedergang entgegenzuwirken", erklärt Hinz. Niedersachsen trage mit 46 000 Euro rund 60 Prozent der Kosten, der Rest kommt von Fischereiverbänden und Anglern. Insgesamt sieben Bundesländer im Einzugsbereich der Elbe setzen in diesem Jahr junge Aale aus.

Aale werden in der Sargassosee vor Nordamerika geboren und verenden dort auch wieder nach dem Laichen. Den größten Teil seines Lebens verbringt der schlangenförmige Fisch allerdings in europäischen Fließ- und Stillgewässern mit Verbindung zum Meer. Aus dem Nordatlantik treibt es die Jungtiere an die europäische Atlantikküste. Dort wurden sie im vergangenen Winterhalbjahr als Glasaale gefangen und für mehrere Monate in Aalfarmen "vorgestreckt", das heißt: unter kontrollierten Bedingungen gefüttert, damit sie widerstandsfähig und in ausreichender Zahl für den Besatz zur Verfügung stehen.

Der ganze Aufwand rund um den Aal ist unerlässlich, zumal man ihn nicht nachzüchten kann. Bisher ist es nicht gelungen, Larven über einen Zeitraum von zwei Jahren zum Fressen zu bewegen. Die kleinen Besatzaale, die in Bleckede an die freiwilligen Helfer der Gemeinschaftsinitiative Elbefischerei ausgegeben werden, sind mit einem speziellen Fischtransportfahrzeug bis zum Fähranleger im Bleckeder Hafen gebracht worden.

Seit den 1970er-Jahren ist die Aalfangmenge in Europa um 90 Prozent zurückgegangen. Professor Dr. Reinhold Hanel vom IFM-Geomar Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel nennt den Hauptgrund: "Nur etwa ein Prozent der Glasaale erreicht in den zwei bis drei Jahren nach ihrer Geburt in der Sargassosee (im Atlantik, westlich von Florida) die europäischen Küsten."

Hanel sieht den künstlichen Aalbesatz kritisch: "Es ist wissenschaftlich nicht gesichert, ob man dem weltweiten Aalbestand damit etwas Gutes tut." Denn zunächst müssten in Frankreich schließlich rund 200 000 Jungaale gefangen werden, um nur 120 000 von ihnen in holländischen Aalfarmen unterbringen zu können, wo sie dann so lange aufgepäppelt werden, bis man sie wie jetzt in der Elbe aussetzen kann. "Eigentlich ist es eine Milchmädchenrechnung, denn die Fangsterblichkeitsquote beträgt schon mal rund 40 Prozent", sagt Hanel.

Als durchaus sinnvoll beurteilt Axel Schlemann, Naturschutzbeauftragter des Landkreises Lüneburg, die Besatzaktion, die zum siebten Mal in dieser Art stattfindet: "Hilft man den Fischen über den Hamburger Hafen hinaus, ist schon eine Menge getan."

Denn im Hafen bedrohen sie Sauerstofflöcher und extreme Strömungsverhältnisse, im Mündungsbereich der Elbe werden den Jungtieren zudem Wasserkraftwerke, Befischung und Parasiten zum Verhängnis. "Wenn sie dann erst mal im System Elbe sind, können sie im Oberlauf wachsen und gedeihen", sagt Schlemann. "Und wenn sie dann nach zwölf Jahren geschlechtsreif sind, ziehen sie zurück zu den Laichplätzen in die Sargassosee."