Frankfurt/Main. Elf Erwachsene und elf Kinder freuen sich in Frankfurt auf ihr neues gemeinsames Zuhause. Bauprojekte wie ihres können Blaupausen sein für eine bessere Stadtentwicklung. Auch auf dem Land gibt es Potenzial.

Ein großes Haus mit befreundeten Eltern und vielen Kindern zu bezahlbaren Preisen mitten in Frankfurt - für Frankfurter Ohren klingt das wenig realistisch.

Dass es einer Wohngruppe im Frankfurter Nordend dennoch gelungen ist, ein solches Haus zu bauen, liegt an neuen Modellen für gemeinschaftliches Bauen, die von Städten gefördert werden, aber auch ihre ganz speziellen Fallstricke haben.

Bauen als Baugruppe

In einer Baugruppe schließen sich Menschen zusammen, die gemeinsam ein Grundstück kaufen und es bebauen wollen. Eine Baugemeinschaft hat entscheidende Vorteile. Die Nachbarschaft findet sich bereits vor dem Einzug, engagiert sich bei der Planung und hat gemeinsam niedrigere Kosten. Es gibt aber auch Nachteile: Die Suche nach einem bezahlbaren Grundstück kann schwierig sein, Planung und Bau braucht Abstimmung und Kompromisse, das finanzielle Risiko und die Verantwortung sind je nach Rechtsform größer.

Dabei kommt es vor allem auf die Rechtsformen an: Als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) müssen alle Haushalte ihre jeweiligen Wohnungen finanzieren können und alle Beteiligten haften mit ihrem Privatvermögen - dafür ist der Aufwand bei der Gründung etwas geringer. Eine Genossenschaft aufzubauen bedeutet mehr Aufwand - dafür gilt das Solidarprinzip. Die Mitglieder können dann viel gestalten, haben aber auch mehr Arbeit. Daher schlüpfen manche Baugruppen unter das Dach einer größeren Genossenschaft. Sie tritt als Bauherr auf und wird später Eigentümer des Hauses. Die Initiatoren erwerben Anteile und ziehen als Mieter ein.

„Wir sind sehr davon überzeugt, dass das Thema an Bedeutung gewinnt“, sagt Birgit Kasper, Leiterin der Landesberatungsstelle Gemeinschaftliches Wohnen in Hessen. Umfragen zufolge würden rund 30 Prozent der Bevölkerung gern gemeinschaftlich leben. Aktuell gibt es nach Schätzungen der Beratungsstelle aber nur 200 bis 250 Wohngruppen in Hessen.

Rund 17,50 Euro Miete pro Quadratmeter

„Gemeinsam Suffizient Leben“ nennt sich die Gruppe, die im Sommer 2023 in den Neubau an der Friedberger Landstraße einziehen wird. Gerade war Richtfest auf dem Bau, der - bis auf das Treppenhaus, das wegen eines Baustopps monatelang allein auf dem Grundstück stand - ganz aus Holz besteht. Elf Erwachsene und ebenso viele Kinder teilen sich eine Wohnküche, Balkone, Waschkeller und einen kleinen Garten.

Die Wohnungen der Familien sind klein - vier Zimmer auf 80 Quadratmeter -, dafür aber ist die Miete mit rund 17,50 Euro pro Quadratmeter für einen Neubau in Frankfurter vergleichsweise gering. Auf dem Nachbargrundstück baut ein Investor Eigentumswohnungen im Hochpreissegment. Die Vier-Zimmer-Wohnungen sind hier 108 und 132 Quadratmeter groß und kosten 1,2 und 1,7 Millionen Euro.

Den Unterschied macht ein Mix aus Förderung und Rechtsform. Das jahrelang brachliegende Gelände direkt an einer lauten Ausfallstraße stammt aus dem Liegenschaftsfonds der Stadt Frankfurt: Die Stadt vergibt diese Parzellen im Erbbaurecht gezielt an gemeinschaftliche Wohnprojekte. Nicht das höchste Gebot, sondern das beste Konzept erhält den Zuschlag.

„Die Städte nehmen so direkt Einfluss auf die Stadtentwicklung“, sagt Kasper: Geben sie das Grundstück dem finanzstärksten Bieter, generieren sie automatisch hohe Mieten, weil Unternehmen die Kosten refinanzieren müssen. Geben sie es einer Baugruppe, unterstützen sie Wohnformen, die das Leben in der Stadt günstiger und sozialer macht.

Bedarf geht an Familien vorbei

Auch die Gruppe „Gemeinsam Suffizient Leben“ musste ein Konzept erarbeiten und sich damit gegen andere Gruppen durchsetzen. „Der Markt geht total am Bedarf von Familien vorbei“, sagt Elias Athanasoglou, Vorsitzender der Wohngruppe, über die Beweggründe der Gruppe. Die Mitglieder der Wohngruppe waren bereit, mit weniger Platz auszukommen, um die Kosten zu senken, und sie wollten mehr Orte für Begegnungen - daher der Begriff „suffizient“ (ausreichend) im Namen.

Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten für Baugruppen, wie Kasper erklärt. Die Beratungsstelle rät am ehesten zu genossenschaftlichen Modellen oder Mietshäuser-Syndikaten. „Man hat dabei zwar viel Verantwortung, kann aber auch viel gestalten.“

„Gemeinsam Suffizient Leben“ haben sich dagegen entschieden, selbst eine Genossenschaft zu gründen. „Das war uns zu heiß“, sagt Athanasoglou. Sie schalteten eine Wohnbaugenossenschaft dazwischen, die als Bauträger agiert und Eigentümer des Gebäudes ist. Die Mitglieder der Wohngruppe erwerben Anteile an der Genossenschaft und sind in ihren Wohnungen Mieter - zu besonderen Konditionen: Sie haben Kostensicherheit und können nicht wegen Eigenbedarf gekündigt werden.

Genossenschaften müssen keinen Gewinn machen

Allein in Frankfurt gibt es Kasper zufolge rund ein Dutzend solcher junger Genossenschaften oder Mietshäuser-Syndikate. Die Wohnbaugenossenschaft Frankfurt (WBG), die das Haus für „Gemeinsam Suffizient Leben“ baute, hat nach eigenen Angaben 770 Mitglieder und 30 Liegenschaften mit 660 Wohnungen. Der wichtigste Unterschied zu kommerziellen Investoren, sagt WBG-Vorstand Cora Lehnert: „Wir müssen keinen Gewinn machen und sind ausschließlich unseren Mitgliedern verpflichtet.“ Durch das Erbpachtrecht kann der Kaufpreis zudem 99 Jahre lang abgeschrieben werden und muss nicht mit Zinsen so schnell wie möglich zurückgezahlt werden.

„Solche kleinen Projekte sind wichtig für eine große Stadt“, sagt Frankfurts Planungsdezernent Mike Josef (SPD). Baugruppen gäben der Stadt „Impulse“ und böten „Blaupausen“ - im Fall der Gemeinschaft an der Friedberger Landstraße für klimafreundliches Bauen und eine soziale Gemeinschaft. „Davon brauchen wir mehr.“ Allerdings, schränkt Josef ein, „braucht es einen langen Atem. Man hat mit viel Widerständen und Rückschlägen zu kämpfen.“

Damit neue Wohngruppen von den Erfahrungen Anderer lernen, wurde 2005 in Frankfurt ein Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen gegründet. Seit 2021 wurden die Aktivitäten landesweit ausgeweitet. Rund 100 Gruppen haben sich dem Netzwerk angeschlossen.

Frankfurt habe in Hessen eine Vorreiterrolle gespielt, sagt Kasper, bundesweit seien andere Bundesländer aber früher dran gewesen. Inzwischen gebe es in den meisten Städten solche Projekte, Förderstrukturen und Beratungsangebote. Bedarf gebe es allerdings auch auf dem Land, glaubt Kasper, allerdings sei die Situation dort anders: „In der Stadt gibt es viele Interessenten und wenig Grundstücke. In ländlichen Regionen gäbe es viele geeignete Liegenschaften, aber die Wohngruppen müssen sie noch entdecken.“