Berlin. Nirgends in Europa ist der Strom für Haushalte so teuer wie in Deutschland. Als Hauptpreistreiber gelten Abgaben und Steuern. Seit langem wird deshalb über Reformen diskutiert. Eine schnelle Trendwende scheint aber nicht in Sicht.

Es ist kein begehrter Spitzenplatz, den Deutschland in dieser europaweiten Statistik einnimmt: Nirgendwo müssen Haushalte so viel für den Strom bezahlen wie im bevölkerungsreichsten EU-Land.

Nach Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat kostete die Kilowattstunde im zweiten Halbjahr 2020 in Deutschland bei einem Jahresverbrauch zwischen 2500 und 5000 Kilowattstunden 30,06 Cent. Bei einem geringeren Verbrauch fällt der Strompreis noch höher aus. Die Zahlen befeuerten am Montag die Debatte um eine nachhaltige Entlastung der Stromkosten.

Strompreis liegt im EU-Durchschnitt bei 21,34 Cent

Deutschland ist vor Dänemark Spitzenreiter beim Strompreis in Europa. Bei Deutschlands nördlichem Nachbarn schlug eine Kilowattstunde inklusive aller Abgaben und Steuern mit 28,19 Cent zu Buche. Im Durchschnitt der 27 EU-Länder kostete die Kilowattstunde den Eurostat-Zahlen zufolge 21,34 Cent.

Als Hauptpreistreiber bei den Stromkosten gelten Abgaben und Steuern. Werden sie herausgerechnet, kostete die Kilowattstunde laut Eurostat in Deutschland 14,51 Cent. Das ist weniger als in Irland, Belgien und Luxemburg. Zum EU-Durchschnitt von 12,82 Cent ist der Abstand so auch geringer als beim Gesamtpreis.

Über eine Entlastung der Verbraucher wird seit langem diskutiert. Die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae, forderte am Montag, die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms spätestens bis 2026 schrittweise auf null zu reduzieren. "Die Steuer- und Abgabenlast auf Strom ist mit über 50 Prozent einfach zu hoch", sagte sie. Das sei ein Hemmschuh für umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie die Elektromobilität oder den Einsatz von Wasserstoff.

Die schwarz-rote Koalition hat sich bisher nicht auf eine grundlegende Reform zur Entlastung bei den hohen Strompreisen einigen können. Zwar soll die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nach den Jahren 2021 und 2022 auch 2023 und 2024 mit Milliardenmitteln aus dem Bundeshaushalt stabilisiert werden. Das ist eine Maßnahme, um im Gegenzug zum CO2-Preis beim Tanken und Heizen Verbraucher zu entlasten.

Abschaffung der EEG-Umlage bisher nicht in Sicht

Einen Plan zur dauerhaften Abschaffung der Umlage, die Stromkunden über die Stromrechnung bezahlen, gibt es aber nicht. Vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will, dass die EEG-Umlage vollständig abgeschafft und die Förderung der Ökostrom-Umlagen aus Steuermitteln bezahlt wird. Das aber ist finanziell ein Riesenbatzen - und im Haushalt drohen nach den massiven Belastungen der Corona-Krise große Löcher.

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hatten die Privathaushalte in Deutschland von der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer profitiert. Strom verbilligte sich nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 2,4 Prozent im Vergleich zu den ersten sechs Monaten des Jahres. Marktbeobachter registrieren aber Anzeichen für einen erneuten Anstieg. Im Großhandel gebe es bereits höhere Preise, sagte Thorsten Storck, Energieexperte beim Vergleichsportal Verivox. Die günstigsten Angebote für Verbraucher seien seit Jahresbeginn bereits um rund 6 Prozent teurer geworden.

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