Hamburg. Deutsche Designer verraten, worauf es guten bei Möbelkreationen ankommt. Und warum man für Handwerk auch etwas mehr bezahlen muss.

Was zeichnet gutes Design aus? Fragt man den Hamburger Industriedesigner Philipp Günther, dann ist ihm bei seinen Entwürfen die klare, zeitlose Formensprache wichtig.

„Mir geht es darum, sinnvolle und innovative Produkte zu gestalten, die nicht nur ästhetisch ansprechend und hochwertig, sondern auch funktional und langlebig sind“, sagt der 40-Jährige, der mit Familie in einer Altbauwohnung in Ottensen, nur zwei Straßen entfernt von seinem Designstudio, lebt.

Zu seinen Kunden zählen die Müller Möbelwerkstätten, Schönbuch, Fielmann, Red Bull und Jette Joop – Beleg für die große Bandbreite, die der Desi­gner abdecken kann.

Eine seiner neuesten Kreationen ist der Beistelltisch Ypps, dessen Name auf die besondere Y-Form des Möbels hinweist. Praktisch: Der Tisch aus robustem Birkenschichtholz hat in seinem unteren Bereich eine abnehmbare Box aus Holz, in der Strom- und Ladekabel untergebracht werden können.

Metallscheiben verschmelzen stündlich

Durchdacht ist auch die Garderobe Infinity, die die Funktionen einer Standgarderobe und eines halbhohen Kleiderständers vereint – ein Entwurf für einen Designwettbewerb. Durch die abgestuften Höhen der Stangen ergeben sich viele spontane Nutzungsmöglichkeiten.

Beistelltisch Ypps, dessen Name auf die besondere Y-Form des Möbels hinweist.
Beistelltisch Ypps, dessen Name auf die besondere Y-Form des Möbels hinweist. © Philipp Günther Design | Philipp Günther Design

Und auch die Wanduhr Drop, die Günther für den Hersteller Karlsson kreiert hat, fällt durch ihre besondere Formgebung auf: Zwei Metallscheiben verschmelzen einmal stündlich zur Form eines Tropfens.

„Für mich symbolisiert die Uhr ein entspanntes Zeitgefühl. Die reduzierte Grafik soll wie ein Ruhepol in einer Zeit wirken, in der Uhren immer schneller zu ticken scheinen“, erläutert Günther. Für ihn ähnele jede Designaufgabe einer spannenden Reise durch unbekanntes Terrain.

„Am Anfang weiß man nie ganz genau, wo diese Reise hingeht. Erst durch die eigene Neugierde und die Lust, etwas Neues zu entdecken und auszuprobieren, kommt man zu Lösungen, an die vorher noch keiner gedacht hat. Oft geht es dabei auch an die Grenzen der Materialeigenschaften und Herstellungsmöglichkeiten“, sagt der Hamburger.

Mit 3D-Druck den Entwurf überprüfen

Er ist ein großer Fan vom 3D-Druck (Rapid Prototyping); die Technologie habe den Designprozess stark verändert: „Denn man kann seine Entwürfe früh in die Hand nehmen und Formen, Proportionen sowie Funktionalitäten überprüfen und optimieren. Das wiederum führt dann oftmals zu besseren Entwürfen.“

Der 3D-Drucker kommt bei Bernhard Müller nicht zum Einsatz; er hat vor gut 25 Jahren das Unternehmen more in Hamburg gegründet. „Mein Team und ich arbeiten noch klassisch mit Zeichnungen und Modellen“, sagt der Designer, der bis 1989 Architektur in Braunschweig studiert hat.

Jeder Entwurf werde auf Herz und Nieren geprüft: Wie klar ist die Idee? Welcher Strich kann weg? Was kann das Möbelstück? Und wie bauen wir es so, dass es über Jahrzehnte hinweg zu einem wahren Begleiter wird?

„Das sind die Fragen, die wir der Reihe nach abarbeiten“, verrät Müller.

Gefertigt wird nur in Deutschland

Seine LAX Bank steht unter anderem im Café des Danish Architecture Center, sein Stuhl Corbo wurde 2011 mit dem Innovation Design Award ausgezeichnet.

Gefertigt wird ausschließlich in Deutschland, verwendet werden nur Hölzer aus nachhaltigem Anbau. „In der Ideenentwicklung leitet uns immer unser Verständnis von der Architektur im Raum. Unsere Möbel sollen Freiheiten für individuelle Gestaltung schaffen, statt Räume zu dominieren“, so Müller.

Bernhard Müller gründete vor gut 25 Jahren die Firma more in Hamburg.
Bernhard Müller gründete vor gut 25 Jahren die Firma more in Hamburg. © more-moebel | more-moebel

Wenngleich nicht aus Hamburg, darf in dieser Auflistung der Name von Sebastian Herkner nicht fehlen. Der 38-Jährige gehört zu den derzeit gefragtesten Produktdesignern. 2006 eröffnete er sein eigenes Designstudio in Offenbach.

Seitdem hat der vielfach ausgezeichnete Designer zahlreiche Möbel, Leuchten und Wohnaccessoires für namhafte Hersteller entworfen, darunter bekannte Namen wie ClassiCon, Moroso, Rosenthal, Thonet oder Dedon.

Stuhl und Tisch mit Keder drumherum

Zu seinen jüngsten Entwürfen gehört der Stuhl Merwyn von Wittmann. „Gefragt war hoher Sitzkomfort bei optischer Leichtigkeit sowie das Zitieren der handwerklichen Kompetenz, für die die Wittmann Möbelwerkstätten stehen“, sagt Herkner über seine Designaufgabe innerhalb dieser Kooperation.

Der runde Stuhl zeichnet sich durch einen Taschenfederkern aus, der das Modell besonders gemütlich macht. Rücken und Armlehne sind in Leder ausgeführt. Ein weiteres signifikantes Merkmal ist ein Keder, der um den Sitz verläuft.

Sebastian Herkner entwarf Stuhl Merwyn für Wittmann Möbelwerkstätten.
Sebastian Herkner entwarf Stuhl Merwyn für Wittmann Möbelwerkstätten. © Sebastian Herkner | Sebastian Herkner

Wer ihn mal testen möchte: Erhältlich ist das Möbelstück mit oder ohne Armlehne zum Beispiel über den Wittmann-Flagshipstore im Hamburger Stilwerk an der Großen Elbstraße. Passend dazu gibt es einen Tisch. Dessen Beine sind lederbezogen, eine Kedernaht verläuft senkrecht an allen vier Außenseiten. Der Keder ist damit verbindendes Merkmal zwischen Stuhl und Tisch.

Handwerkskunst und Beratung haben ihren Preis

Auch seine Outdoor-Kollektion Caribe für Ames darf in dieser Auflistung nicht fehlen. Der Designer besuchte dafür Kolumbien, ließ sich von der Flechtkunst inspirieren – die Möbel werden dort jetzt von Menschen aus den Favelas in einer Kunsthandwerkstatt für Möbelflechter gefertigt.

Die Besinnung auf das Handwerk, die Sehnsucht nach Echtem und nach klassischen Werten – all das ist Herkner wichtig.

„Möbel werden immer häufiger zu lebenslangen Begleitern; das ist gut so. Viele Menschen haben nur noch nicht verstanden, dass Qualität, Handwerkskunst und auch die kompetente Beratung in den Geschäften etwas mehr kosten als Produkte von der Stange.“

Der Offenbacher umgibt sich in seinen eigenen vier Wänden übrigens nicht ausschließlich mit Designklassikern. Die individuelle Note in der Einrichtung fehle dann zu oft, sagt er. Verraten möchte er nicht, woran er gerade arbeitet. Nur so viel: Eine Sonnenbrillenkollektion für ein Berliner Label und eine Küche sind auf alle Fälle dabei .