Hamburg. Lärm, Müll und mangelnde Rücksichtnahme sind Gründe für Streit unter Nachbarn und mit dem Vermieter. Das können Betroffene machen.

Für Heino H. war bis vor knapp drei Jahren noch alles gut: Der Spielplatz war in Schuss, und die Nachbarn in der Abrahamstraße in Hamburg-Rahlstedt waren sich einig, dass man alles schön und sauber halten will.

Dann wurde die Wohnanlage aus den 1960er-Jahren von dem schwedischen Immobilienunternehmen Akelius gekauft. „Und seitdem hat sich alles verschlechtert“, beklagt der 72-Jährige. Der Platz rund um die Mülltonnen sei ständig verschmutzt, selbst die Müllabfuhr hätte sich schon über völlig überfüllte Tonnen beschwert, Sperrmüll würde dort einfach abgelegt.

Der ältere Herr führt dies auch auf die Vermietung an Osteuropäer zurück. „Wenn die ihre Wohnungen verlassen, wandert viel Zeug erst einmal auf diesen Müllplatz.“

Er habe bereits versucht, das Thema gegenüber den neuen Nachbarn anzusprechen, „leider hatte ich nicht den Eindruck, dass die unsere sozialen Standards annehmen wollen“, berichtet der ältere Herr. Er versteht sich als Sprecher einer kleinen Gruppe von 20 Mitbewohnern in der Wohnanlage.

Möglicherweise steckt hinter allem System

Heino H. vermutet, dass hinter allem ein System steht: „Man will uns aus dem Haus vertreiben, um den Wohnraum teurer vermieten zu können.“ Seine Frau und er zählen zu den Erstbewohnern. Für ihre 68 Qua­dratmeter große Wohnung bezahlen die beiden eine Kaltmiete von etwa 600 Euro.

Die Rückfrage beim Property Management von Akelius in Hamburg zeigt: Dort ist man sich der Problematik im Haus bewusst, weist aber alle Vorwürfe zurück.

„Es liegt uns an einem ordentlichen Zustand unserer Objekte. Nur deshalb haben wir uns entschlossen, ein Abfallmanagement hier einzuführen. Der Klarstellung halber teilen wir mit, dass wir keine Bestandsmieter zum Auszug bewegen. Wir versuchen, mit den uns als Vermieter zur Verfügung stehenden Mitteln, dass die Anlage jederzeit in einem sauberen und ordentlichen Zustand vorzufinden ist.“

Niedrige Mieten könnten ein Grund sein

Es steht also Wort gegen Wort. Was rät Siegmund Chychla vom Mieterverein Hamburg Betroffenen in einer solchen Situation?

„Zunächst ist mir bekannt, dass Akelius ein skandinavischer Investor ist mit Zentrale in Berlin, der immer dorthin geht, wo er Potenzial erwartet“, sagt der Vorsitzende. Aus diesem Grunde sei der Verdacht einiger Mieter nicht von der Hand zu weisen, dass man an ihnen und den „naturgemäß niedrigen Mieten nicht unbedingt festhalten möchte“, so der Jurist.

Grundsätzlich könnten sich aber Mieter darauf berufen, dass Vermieter dafür Sorge tragen müssen, dass sich die Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand befindet.

„Ist dies nicht der Fall und haben Gespräche oder ein Briefwechsel zwischen den Parteien nichts gebracht, können Mieter die ganze Palette an Möglichkeiten ausspielen, die sich ihnen bietet – angefangen von der Mietminderung bis hin zur Klage vor Gericht“, sagt Chychla.

Aber Vorsicht: Die Beeinträchtigung muss erheblich sein. „Am besten dokumentieren Mieter deshalb mit Fotos und Zeitangaben die Störungen“, lautet der Rat des Juristen.

Große Vermieter setzen auf Sozialmanagement

Monika Böhm, Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften, schwört in solchen Situationen auf das Sozialmanagement, das bei großen Wohnungsunternehmen immer öfter dann zum Einsatz kommt.

„Bei uns kümmern sich beispielsweise zwei Sozialpädagogen darum, bei Konflikten zwischen Nachbarn zu vermitteln“, sagt Böhm als Vorstandsmitglied der Wohnungsgenossenschaft von 1904. Oft zeige sich, dass diese Konflikte viel besser direkt im Gespräch gelöst werden könnten als vom Schreibtisch aus. „Es ist wichtig, dass ein Dialog entsteht, in dem das Verständnis für die Situation des jeweils anderen geschaffen wird“, sagt Monika Böhm.

Sie freut sich, dass die Berufsschule für angehende Immobilienkaufleute das Thema erkannt hat und im ersten Lehrjahr hierzu einen Wahlkurs eingerichtet hat. „Das zeigt, dass dieser Teil des Wohnens wichtiger wird.“

Abmahnung nach glaubwürdiger Beschwerde

Eric Seele, Geschäftsführer bei Gladigau Immobilien, hält fest, wie bei einem von Hamburgs größtem Hausverwalter in solchen Konfliktfällen verfahren wird: „Zunächst erwarten wir, dass uns per Post oder E-Mail eine schriftliche Beschwerde zukommt, und zwar unter Nennung des Absenders sowie des Störers. Sie muss Art, Dauer und Zeitpunkt der Störung enthalten. Erscheint sie glaubwürdig, wird der vermeintliche Störer von uns abgemahnt.“

Kehre Ruhe ein, werde die Sache nicht weiterverfolgt. Anderenfalls erfolge eine weitere Abmahnung unter Androhung der fristlosen Kündigung, „und wenn auch das nichts hilft, wird nach erneuter Beschwerde gekündigt“, sagt Seele.

Bestreite der Mitbewohner die Störung, werde mit den Betroffenen abgewogen, ob der Rechtsweg beschritten oder die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle Hamburg (ÖRA) eingeschaltet werden soll.

Und das sagt der Gesetzgeber

Ruhestörung, Tierhaltung, das Zustellen von Fluren und Durchgängen, die Missachtung von Reinigungspflichten sowie Beleidigungen und tatsächliche Angriffe zählen zu den typischen Hausfriedensstörungen. Nach § 569 Abs. 2 BGB setzt die Kündigung wegen einer dieser Störungen allerdings voraus, dass die Störung nachhaltig ist.

Dauer, Häufigkeit und Intensität sind also entscheidend. Vereinzelte Hausfriedensstörungen rechtfertigen keine Kündigung des Mieters.

Ein erhöhtes Maß an Toleranz ist aufzubringen, wenn die Hausfriedensstörungen durch Kinder und/oder ohne Verschulden verursacht wurden oder auf Krankheit, das Alter oder die seelische Beeinträchtigung des Mieters beruhen und dieser vorher lange Zeit ordnungsgemäß im
Wohnhaus gelebt hat.

In fast allen Fällen muss der Vermieter den Mieter vor einer Kündigung abmahnen. Ausnahmen bilden gravierende Fälle wie etwa tatsächliche Angriffe oder schwere Beleidigungen, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen. Dies sieht § 543 Abs. 3 S. 2 BGB vor, exakt so hat auch das Landgericht Coburg (Az: 32 S 35/08) entschieden.