Hamburg. Sie sind Jäger und Schatzsucher. Ihre „Beute“ sind Entwürfe namhafter Kreativer, die bei ihrem Wiederverkauf hohe Preise erzielen.

Irgendwann im Gespräch, während Oliver Diekert und ich gemeinsam sein versteckt liegendes Lager in Eilbek begehen und meine Augen über Design-Möbel vornehmlich der 1950er- und 60er-Jahre streifen und gelegentlich auch Neuware namhafter Hersteller entdecken, fällt dieser Satz: „Ich bin ein Jäger!“

Nicht immer, so fügt er hinzu, sei er sicher, ob er das Erworbene auch anschließend verkaufen könne. „Aber es reizt mich einfach, ein Möbel, eine Leuchte oder ein anderes Teil, das vielleicht kein anderer anzubieten hat, in meinem Ebay-Shop oder Online-Auktionshaus Colombos zeigen zu können.“

Für seinen „Beutezug“ nutzt der drahtige 49-Jährige Anzeigen, Haushaltsauflösungen, private Empfehlungen oder eigene Recherchen.

Sein Fokus liegt dabei auf Vintage-Design-Klassikern und Ausstellungsstücken von Herstellern wie Cassina, Fritz Hansen, Knoll International, Vitra, Herman Miller, Thonet und Louis Poulsen.

Möbel aus Skandinavien im Fokus

Ein Mitarbeiterin einem schwedischen Möbelhaus transportiert Ware.
Ein Mitarbeiterin einem schwedischen Möbelhaus transportiert Ware. © REUTERS | Michael Dalder

„Außerdem suche ich Möbel von skandinavischen Designern, die zwischen 1950 bis 1970 in Teak, Palisander oder Eiche hergestellt worden sind“, erzählt Diekert.

Er ist allerdings nicht der Einzige, der mit solchen Möbeln sein Geschäft machen möchte. Auch andere sind unterwegs. Zu Diekerts Leidwesen – denn dies hat dazu geführt, dass sich viele private Verkäufer an den „zu hohen Händlerpreisen im Internet“ orientieren.

Das Problem dabei: „Die wenigsten können zwischen dem Original-Klassiker eines namenhaften Designers und Möbeln, die nur so aussehen, unterscheiden.“ Das führe zu Fantasiepreisen, harten Verhandlungen und meist zu einer geringen Marge.

„Es ist ein bisschen wie auf dem Immobilienmarkt: Nicht jedes Möbel ist auch wirklich viel Geld wert, nur weil es aus Teak oder Palisander gefertigt ist. Da gibt es eine große Blase bei vielen Stücken“, sagt der Händler, der schon während seines Architekturstudiums begonnen hat, für Auktionshäuser zu arbeiten.

Vier- oder fünfstellige Preise erzielbar

Nicht jedes alte Einrichtungsstück ist viel Geld wert.
Nicht jedes alte Einrichtungsstück ist viel Geld wert. © imago/PA Images | Richard Gray

30 Jahre handelt er nun schon mit Design-Möbeln. Das hat seinen Blick geschult, insbesondere, wenn Möbel und Dekor nicht mit einem Brandstempel oder Label ausgezeichnet sind.

„Meist ist auf denen dann auch der Name des Designers zu lesen.“ Ist dies der Fall, steigt schnell der Preis – in vielen Fällen sogar vier- oder fünfstellig.

Das zeigt der von Hans J. Wegner 1954 entworfene Bamsestol (Bärenstuhl). Er wurde damals von AP Stolen produziert. Wer ein solches Möbel im Original erwerben möchte, muss dafür im gut restaurierten Zustand gut 16.000 Euro zahlen.

Das zeigt der Blick auf das Portal Pamono, ein Marktplatz für Vintage-Klassiker und Reeditionen.

„2006 musste man für einen solchen Stuhl nicht mehr als etwa 2000 Euro bezahlen“, sagt Diekert. In der Regel seien die gebrauchten Originale aber preiswerter als Reeditionen.

Für den besagten Bärenstuhl von Wegner trifft dies offenbar nicht zu: Wer ihn neu von Hersteller pp møbler beziehen möchte, muss auch hier gut 16.000 Euro investieren.

Auktionen belegen hohe Preisstabiltät

Heyco Hoops, Innenarchitekt bei Gärtner Internationale Möbel, wundern solche Summen nicht. „Die Preise sind aufgrund der Rechteinhaber, des aufwendigen anwaltlichen Kopierschutzes, aber auch wegen der Materialien gerechtfertigt.“

Zumal diese Klassiker sich im Falle des Wiederverkaufs absolut preisstabil erwiesen, wie der Blick auf Auktionshäuser und Portale wie Bonhams, Phillips und Pamono zeige.

Diekert empfindet die Originale meist sehr viel schöner als die Repliken, erst recht, wenn sie von fachkundigen Restauratoren in Dänemark und Süddeutschland aufgearbeitet wurden. Denn so verfährt er mit vielen seiner Errungenschaften nach dem Kauf.

„Ich nehme dafür gern weite Wege auf mich. Solche Leute wissen genau, welche Materialien damals für Polster und ein bestimmtes Möbel verwendet wurden.“

Stationärer Fachhandel für rare Ikonen

Ebenso denkt Ulla Jahn. Sie bietet Design-Klassiker in ihrer Möbelgalerie func. in der Kaiser-Wilhelm-Straße an. Wer sich dort umschauen möchte, sollte seinen Besuch allerdings vorher ankündigen. Das ist der 46-Jährigen wichtig.

Sie möchte das nicht als Arroganz verstanden wissen, betont sie. „Aber das sind keine Möbel, wie sie in jedem anderen Einrichtungshaus anzutreffen sind und in die man sich einfach so hineinlümmeln kann.“

Sie selbst empfindet sich „als stationärer Fachhandel“ für rare Ikonen von namhaften Designern, betont Ulla Jahn, die erst mit 39 Jahren, und damit sehr viel später als Oliver Diekert, ihre Liebe zu Möbeln des Midcentury, des Bauhauses und für Entwürfe bis zu den 1970er-Jahren entdeckt hat.

Aber ebenso wie der Händler begibt sich auch die 46-Jährige regelmäßig auf „Schatzsuche“. Das bereite ihr große Freude, erzählt die Geschäftsfrau, die früher im Film- und Werbegeschäft tätig war.

Ulla Jahn in ihrer Möbel-Galerie, wo sie Design-konen anbietet.
Ulla Jahn in ihrer Möbel-Galerie, wo sie Design-konen anbietet. © HA | Bethune

Gerade ist sie wieder zurück aus Italien, unvergesslich aber ihr Trip im vergangenen Jahr nach Bologna. „Ich hatte den Tipp erhalten, dass dort in einer alten Fabrik eine Chefetage aufgelöst wird. Viele schöne Möbel von Walter Knoll waren dort zu sehen.“

Sie fuhr hinunter mit einem Lieferwagen, kaufte die Möbel und ließ sie anschließend bei einem zertifizierten Restaurator fachkundig aufarbeiten oder neu polstern.

Exakt so verfuhr sie auch mit dem Sofa von Ray und Charles Eames, auf dem ich es mir bequem gemacht habe. Gut sitzt es sich darauf.

Auf der Homepage der Möbelgalerie ist zu lesen, dass es das letzte Möbel war, dass unter dem Aspekt der niedrigen Produktionskosten und des damit verbundenen niedrigen Verkaufspreises entworfen wurde. Was das Möbel heute kostet? 4500 Euro, sagt Jahn. Solche Möbel hätten ihren Wert. „Manche erreichen mittlerweile sogar Sammlerwert.“

Beratung von Privatkunden als weiteres Standbein

Für Oliver Diekert zeichnet sich damit ein neues Standbein ab: „Ich würde mein Geschäft in der Zukunft gern auf die Beratung von Privatkunden ausbauen. Ob Einrichtungsberatung, Design als Geldanlage oder als Begleitung zu Auktionen.“

Ulla Hahn ist auf diesem Feld bereits aktiv. „Wir begleiten auch, wenn die Möbel nicht von uns kommen.“ Wohnberatung bietet sie auch an. „Kunden baten mich letztens, ihnen bei der Einrichtung ihres Hauses auf Sylt zu helfen. Dort waren in der Küche diese typisch blau-weißen Fliesen zu sehen. Das schrie geradezu nach einem Bruch“, erzählt sie.

Also riet sie ihnen, für die Küche zwei knallorangefarbene Eames Chairs und einen weißen Saarinen Tulip Tisch zu erwerben. „Meine Kunden sind überglücklich mit dieser Lösung“, freut sich Hahn.

Die Rückbesinnung auf Vintage-Möbel und Design-Ikonen erklärt sie sich auch damit, dass viele nicht in einer „Monokulturhölle“ leben wollten.

Rückbesinnung auf die Vergangenheit

„Außerdem besinnt sich die Generation der 5o-plus-Jährigen auf die Möbel ihrer Eltern oder Großeltern. Ganz so wie beim derzeitigen Oldtimer-Trend auf den Straßen“, hat Hoops beobachtet.

Johanna Schultz stellt auf einer Fläche im Oberhafenquartier aus.
Johanna Schultz stellt auf einer Fläche im Oberhafenquartier aus. © BINA ENGEL | BINA ENGEL

Johanna Schultz hofft, ebenfalls von dieser Rückbesinnung zu profitieren. Auch sie bietet Wohnberatung an. „Viele wollen Dinge um sich haben, die eine Geschichte haben und nicht austauschbar sind“, sagt die 36-Jährige.

Als Tochter einer Antiquitätenhändlerin mag sie keine Dinge, „die nur auf alt gemacht sind“. Ihre „Schätze“ präsentiert sie im Oberhafenquartier. Außerdem betreibt sie ein eigenes Portal.

Vielleicht auch einen Besuch wert: Im Stilwerk hat der Online-Shop designikonen einen Showroom. Dort sind aktuelle Kollektionen von Vitra, Thonet, Fritz Hansen, Knoll international und anderen zu sehen. Wer dort gern einkauft? „Viele Dänen, weil bei ihnen Design-Möbel teurer sind“, sagt Jan Okun.

www.colombos.eu
www.funcfurniture.de
www.johanna-schultz.de