Hamburg. Alles scheint durcheinander zu wachsen, doch tatsächlich verbirgt sich dahinter eine Ordnung. Auch die Fruchtfolge wird so gesichert.

Wenn an warmen Sommertagen die Amsel im Apfelbaum tiriliert, Hummeln und Bienen wie trunken zwischen den schweren Blüten brummeln und man Salat, Tomaten und Kräuter frisch für das Abendessen im Schatten des wilden Weins pflückt, ist für viele das Idyll auf der eigenen Scholle perfekt. Mit seiner Mischung aus Kräutern, Gemüse, Blumen und Obst gilt der Bauerngarten als idealer Mix aus Nutz- und Ziergarten.

„Ein Bauerngarten soll Nützliches und Schönes verbinden und ländliches Gartenglück verkörpern – ein Gegensatz zum Stress der heutigen Zeit“, sagt Peter Behrens, Mitglied im Bund deutscher Staudengärtner in Bonn. Tatsächlich hat diese Vorstellung aber nur wenig mit dem Landleben der vergangenen Jahrhunderte zu tun.

Er diente vor allem repräsentativen Zwecken

„Was wir heute unter einem Bauerngarten verstehen, ist ein Klischee“, sagt Matthias Schuh, Gärtner im landwirtschaftlichen Freilichtmuseum am Kiekeberg bei Hamburg. „Noch bis Mitte, Ende des 19. Jahrhunderts ließen Bauern ihre Schweine und Ziegen direkt am Haus laufen, für einen Garten war dort kein Platz.“ Erst die nach und nach einsetzende Industrialisierung in der Landwirtschaft habe dafür gesorgt, dass Bauern das Stück Land um ihr Wohngebäude herum als Garten anlegten, hegten und pflegten – sofern sie es sich leisten konnten. „Der Bauerngarten war ein Statussymbol und diente vor allem repräsentativen Zwecken“, erklärt Schuh.

Ein Nutz- und Ziergarten abgegrenzt in Beeten.
Ein Nutz- und Ziergarten abgegrenzt in Beeten. © picture alliance / Marion Nickig | Marion Nickig

Heute steht im Gestaltungskonzept Bauerngarten nicht der Prunk im Mittelpunkt – im Gegenteil. Er ist ein Synonym für ein wildromantisches, aber dennoch geordnetes Durcheinander, das keinen formalen Regeln folgen muss. „Erlaubt ist, was gefällt“ nennt Staudengärtner Behrens die einfache Regel. Damit es in einem Bauerngarten dennoch nicht aussieht wie Kraut und Rüben, geben in der Regel streng geometrisch angelegte Wege aus Kies oder Rindenmulch im vermeintlichen Durcheinander Halt.

„Nach dem Vorbild der Klöster wurde das Wegekreuz eingeführt, vielfach mit einem Mittelrondell“, erklärt Robert Sulzberger, Autor des Buches „Bauerngärten. Anlegen und pflegen“ (BLV Buchverlag, 9,99 Euro). Die Fläche in vier Teile aufzuteilen, hat durchaus einen praktischen Hintergrund, so der Diplom-Agraringenieur: Sie erleichtere die Einhaltung der Fruchtfolge. „Starkzehrer, Mittelzehrer, Schwachzehrer und standorttreue Kulturen lassen sich auf diese Weise übersichtlich auseinanderhalten.“

Buchsbaum eignet sich nicht wirklich gut als Begrenzung

Eingerahmt wird der Garten von einer Mauer aus Natursteinen oder einem Zaun, meist aus Holz, Weiden oder Schmiedeeisen. Für viele gehören auch Beeteinfassungen mit Buchs zu einem klassischen Bauerngarten. Experte Schuh hält allerdings nicht viel von einer Begrenzung durch den immergrünen Strauch. Dies auch aus Sorge vor einem Kahlfraß durch den Buchsbaumzünsler, einen ostasiatischen Kleinschmetterling: „Buchsbaum bildet so viele Wurzeln, dass kaum eine andere Pflanze daneben existieren kann“, erklärt der Museumsgärtner.

Matthias Schuh, Gärtner im Freilichtmuseum am Kiekeberg.
Matthias Schuh, Gärtner im Freilichtmuseum am Kiekeberg. © picture alliance / Freilichtmuse | Freilichtmuseum am Kiekeberg

Und es sind doch gerade die üppig gefüllten Beete, die so charakteristisch für einen Bauerngarten sind. „Im Idealfall ist er so angelegt, dass mit relativ geringem Arbeitsaufwand auf begrenzter, kleiner Fläche ein Optimum an Erntegut und Blütenpracht herausgeholt wird“, erklärt Sulzberger. Eine Mischkultur von Blumen, Kräutern und Gemüse habe nicht nur ihren optischen Reiz.

Pflanzen profitieren vom bunten Miteinander

Vom bunten Miteinander profitierten in der Regel auch die Pflanzen. „Manche Kräuter ergänzen sich in Wuchsform und Wurzelwachstum gut mit Gemüsearten“, erläutert der Agraringenieur. „Blumen sorgen zwischen den Nahrungspflanzen für eine vorteilhafte Durchwurzelung des Bodens, schützen ihn vor Austrocknung und locken mit ihren Blüten nützliche Insekten an.“

Wie für die Aufteilung gibt es auch für die Bepflanzung keine festen Vorgaben. Aber Staudengärtner Behrens rät zu einer Mischung aus einjährigen und mehrjährigen Pflanzen. So bleibt der Pflegeaufwand überschaubar.

Bodenbeschaffenheit und Lage sind wichtig

Neben den umgangssprachlich als Bauernrosen bezeichneten Pfingst- und Stockrosen stehen für viele die klassischen Rosen im Mittelpunkt eines Bauerngartens – nicht zuletzt, weil sie an einem Spalier oder einem Rosenbogen gezogen ein echter Blickfang sind. Betrachter und Insekten erfreuen gleichermaßen auch Hortensien, Lavendel, Wicken, Rittersporn, Phlox, Ringelblume, Dahlien oder Schafgarbe.

Für den Nutzgarten empfiehlt Behrens Salat, Radieschen, Gurken, Bohnen und Kohlrabi sowie Rhabarber, Beerensträucher und Obst-Hochstämme. Aus einer Kräuterspirale oder Töpfen lassen sich Küchenkräuter wie Petersilie, Schnittlauch und Liebstöckel sowie Heilkräuter wie Minze oder Salbei für Gewürze oder Tees ernten. Aber auch alte und fast vergessene Kultursorten wie Ampfer, Stielmus, Portulak, Melde, Pastinake oder Haferwurz kommen gut zur Geltung. „Die Stärke solcher Arten liegt in ihrer Bescheidenheit und Robustheit, die in der Regel wenig Pflege oder gar Pflanzenschutz erfordert“, erläutert Sulzberger. Welche Pflanzen letztlich gedeihen, hängt von der Bodenbeschaffenheit und Lage ab. „Ein Bauerngarten ist ein Sonnengarten, der viel Licht benötigt“, sagt Behrens.

Wer schattige Plätzchen zu füllen hat, muss aber nicht verzweifeln: Bärlauch, Heidelbeeren, Frauenmantel und Farne fühlen sich an solchen Stellen besonders wohl.

Die Sonderausstellung „Aufgeblüht! Norddeutsche Gartenkultur“ zur Kulturgeschichte des Gartens vom klassischen Bauerngarten bis zu heutigen Erscheinungsformen und Tendenzen ist bis 15. Oktober im Freilichtmuseum am Kiekeberg nahe Hamburg zu sehen. Weitere Informationen unter kiekeberg-museum.de/aufgeblueht