Freiburg/Leipzig. Möglichst rasch nach dem Einzug sollte man sich den Mitbewohnern vorstellen. Und dabei auch gleich potenzielle Probleme ansprechen.

Wenn es um das Thema unliebsame Nachbarn geht, kann wohl jeder mitreden. Schließlich sind die Möglichkeiten vielfältig, sich über die Bewohner nebenan zu ärgern. Sie reichen von nicht geschnittenen Hecken über bellende Hunde bis hin zum schlecht geputzten Treppenhaus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2015 fast 8500 Nachbarschaftsverfahren bei den Amtsgerichten. Damit möglichst gar kein Ärger entsteht, hilft ein guter Einstand beim Einzug.

So sollten neue Nachbarn sich frühzeitig vorstellen und potenzielle Probleme gleich ansprechen. „Man sollte zum Beispiel sagen, wenn man einen Hund hat oder vielleicht häufig ein lautes Instrument spielt“, rät Kommunikationsberaterin Elisabeth Bonneau aus Freiburg. Dabei sollte der neue Nachbar signalisieren, dass er Rücksicht nehmen wird. So kann er zum Beispiel sagen, dass er niemanden nerven will und sich beim Klavierspielen natürlich an die Ruhezeiten in der Hausordnung halten wird.

Noch mehr Pluspunkte sammelt man, wenn man nachfragt, zu welcher Tageszeit sich andere vielleicht gestört fühlen. Wer sich als Zugezogener früh vorstellt, verhindert auch die für alle Seiten unangenehme Situation von wiederkehrenden Begegnungen, ohne sich vorgestellt zu haben. „Zudem haben die neuen Nachbarn unbewusst das Gefühl, ein Eindringling dringe ins eigene Revier ein“, sagt Psychologin Julia Scharnhorst aus Leipzig. Das ungute Gefühl verschwinde in der Regel nach einem Gespräch mit neuen Mitbewohnern.

Gemeinsam essen ist ein uraltes Ritual der Annäherung

Eine Einladung der Nachbarn in die frisch bezogene Wohnung oder ins Haus vermittelt Offenheit und Freundlichkeit. „Das Zuhause eines anderen betreten zu dürfen und gemeinsam etwas zu verzehren, ist ein uraltes Ritual der Annäherung“, sagt Scharnhorst. Viel Aufwand sei nicht nötig. „Es reicht eine Kiste mit den üblichen Getränken.“ Zu dick sollte keinesfalls aufgetragen werden. Wer Champagner kredenzt, kann – je nach Haltung der Nachbarn – nicht als großzügig, sondern möglicherweise als großkotzig oder gar anbiedernd empfunden werden.

Als Zeitpunkt für die Einladung bietet sich die allererste Zeit nach dem Umzug an – vielleicht sogar, wenn noch nicht alle Kisten ausgepackt sind. Die Kommunikationstrainerin Bonneau rät, die neuen Nachbarn keinesfalls in ein fertig eingerichtetes Haus einzuladen. „Damit macht man sich nackig. Die Leute schauen sich um und wissen sofort sehr viel über einen“, sagt sie. Ein weiterer Tipp von der Psychologin Scharnhorst für einen guten Einstand: die Nachbarn mal um Hilfe bitten und sich bei ihnen zum Beispiel eine Leiter ausleihen. Dies kann auch schon beim Einzug gemacht werden, hier gibt es keinen Grund für Zurückhaltung. Im Gegenteil: Wer um Hilfe bittet, wirkt sympathisch. Zudem kann sich der andere hilfsbereit zeigen, was den meisten Menschen ein gutes Gefühl bereitet.

Nachbarschaft steht zunächst nur für zufällige Zweckgemeinschaft

Allerdings sollten es die Neuen bei ihrem Einzug auch nicht übertreiben. „Es sollte nicht der Eindruck einer großen Verbrüderung entstehen“, rät Bonneau. Auch Geschenke sind nicht nötig. Die nette Geste kann – ähnlich wie beim Ausschenken von Champagner – schnell missverstanden werden. Besser ist es, die Bekanntschaft langsam wachsen zu lassen – wenn eine engere Beziehung zu den Menschen nebenan überhaupt gewünscht wird. Nach dem Einzug und der Vorstellungsrunde treffen sich Nachbarn üblicherweise erst einmal auf der Straße oder im Treppenhaus wieder, manchmal unterhalten sie sich ein wenig. Bei gegenseitiger Sympathie folgen erst dann gegenseitige Einladungen oder gemeinsame Unternehmungen. Schließlich ist Nachbarschaft in der Regel keine Freundschaft, sondern eine zufällige Zweckgemeinschaft mit erzwungener Nähe.

Allerdings hat es viele Vorteile, sich mit seinen Nachbarn gut zu verstehen. Zum einen erspart es den Ärger, den schlechte Nachbarschaft mit sich bringen kann. Und gute Nachbarn sind ein Schatz: Sie gießen während des Urlaubs die Blumen, füttern die Katze und holen die Post aus dem Briefkasten.

Viel einfacher ist der Zuzug in ein Neubaugebiet. Hier sind alle neu, es gibt noch keine gewachsenen Beziehungen. Der Status ist nicht so wichtig, weil alle in einer ähnlichen Situation sind: Sie können sich das Haus leisten, haben aber einen Kredit aufnehmen müssen. „Zudem handelt es sich meist um eine recht homogene Gemeinschaft mit gemeinsamen Interessen“, sagt Bonneau.

Ein gemeinsames Straßenfest lässt sich schnell organisieren

In einem Neubaugebiet wohnen oft junge Familien, über die Kinder kommen neue Nachbarn rasch ins Gespräch und schnell auch zum Du. Oft haben sie sich schon vor dem Einzug auf der Baustelle gesehen und kennengelernt. Hier bietet sich als Einstieg ein gemeinsames kleines Straßenfest an, das sich unkompliziert organisieren lässt. Es werden einfach Biertische aufgestellt, jeder bringt einen Salat und Getränke mit.

Doch was tun, wenn sich trotz aller Bemühungen kein gutes Verhältnis mit den Nachbarn einstellen will, der andere einem Vorschriften machen und seine vermeintlichen Rechte durchsetzen will? „Ein solcher Nachbar kann sehr anstrengend sein“, sagt Bonneau. Aber wie bei allen Konflikten gelte: Erst einmal durchatmen anstatt sich zu empören. Dann die Sache möglichst bald ansprechen. Und wenn dies auch nichts nützt, hilft nur eines: Dem Nachbarn möglichst aus dem Weg gehen.