Es gibt Händler, die nicht nur Restbestände von schöner Keramik vorhalten, sondern diese auf Wunsch auch neu herstellen.

Fliesen zieren und schützen unsere Wände. Schon die Ägypter haben um 2600 vor Christus keramische Platten als Wandschmuck verwendet. Von den Mauren vor mehr als 1000 Jahren nach Europa gebracht, begannen sie ihren Siegeszug als Wand- und Bodenverkleidung auch hier. Vom 16. Jahrhundert an waren die Niederländer führend in der Fliesenmanufaktur. Ihre Darstellungen von Schiffen, Blumen und Früchten oder Szenen aus dem Tierreich sind auch heute noch en vogue. Das zeigen Berichte über Rolf und Gudrun Greeven, die im ostfriesischen Loquard Fliesen nach alten Vorbildern bemalen. Oder der Erfolg des Internetanbieters www.friesischefliesen.de und die Tatsache, dass das Hamburger Traditionsunternehmen Matthiessen & Noesselt - es hat unter anderem den alten Elbtunnel gefliest - eine beständige Nachfrage nach Fresken-Fliesen verzeichnet.

Kacheln mit Früchtekörben aus dem Hause M&N hängen beispielsweise in allen Restaurants der Aida-Kreuzfahrtschiffe. Auch Konrad Schittek, der mit seinen Söhnen in Sinstorf einen Fliesenhandel mitsamt Museum ( www.fliesenhandel-schittek.de ) betreibt, wird immer wieder nach historisch bemalten Fliesen gefragt. Meistens hat er sie auf Lager - in einer der beiden Hallen mit den haushohen Regalen, in denen auf 4500 Paletten mehr als drei Millionen Fliesen aus der Zeit von 1900 bis heute lagern. Wenn nicht, greift der 66-Jährige zu Pinsel und Lasur, stellt die Fliese einfach selber her.

Malerei auf Keramik - darauf hatte sich Schittek spezialisiert, nachdem das Malen von Aquarellen und Ölgemälden wegen des Konkurrenzdrucks in den 1970er-Jahren zunehmend zur brotlosen Kunst geworden war. "Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich auch Fliesen bemalen kann", erinnert sich Schittek. Die gefragtesten Motive schaffte er sich irgendwann selber an - und legte damit 1978 den Grundstock seines Unternehmens. Die Anfragen kommen mittlerweile aus Deutschland und den umliegenden Ländern - wo immer Fliesen aus deutscher Herkunft verwendet, beschädigt und nun ersetzt werden sollen.

"Wir sind für Privatleute, Handwerker und Versicherungsunternehmen oft die letzte Rettung", ergänzt Sohn Jan Schittek, 29. Mehr als 70 Prozent der Anfragen könne man erfolgreich bedienen. Und zwar binnen weniger Minuten, nachdem der Kunde sein Musterstück vorgelegt habe: Zunächst wird im sogenannten Handlager, in dem Fliesen wie Schallplatten auf Tischen und in Regalen aufbewahrt werden, nach einer identischen oder möglichst ähnlichen Kachel gesucht. Auf der Rückseite gibt eine Buchstaben-Zahlen-Kombination Auskunft darüber, wo genau auf der 6000 Quadratmeter großen Lagerfläche sich das gewünschte Stück befindet. "E34" etwa bedeutet Gang E, dritter Stellplatz, vierte Palette von unten. Von A bis X sind die Gänge gekennzeichnet, und der Bestand wächst ständig.

Auf 10 000 Paletten wollen die Brüder Jan und Felix Schittek ihr Sortiment erweitern, das sind dann fast sieben Millionen Fliesen. Die Lagerkapazitäten reichen dafür aus - und das müssen sie auch: Schließlich kommt ständig Ware nach. Natürlich bleiben Fliesenkreationen, die neu auf den Markt kommen, dabei nicht unberücksichtigt. "Manche davon gibt es nach zwei Jahren schon nicht mehr", sagt Jan Schittek. "Und wir wollen ja schließlich auch in Zukunft noch ,up to date' sein."

Und so findet man im Sinstorfer Fliesenlager neben Kacheln aus der Zeit der Jahrhundertwende, dem Jugendstil und den 60er-Jahren auch moderne Fliesen im angesagten Großformat mit Holz- oder Natursteinoptik. Natürlich ist der Bestand erst dann etwas wert, wenn auch etwas daraus benötigt wird. Daher kostet ein Quadratmeter Fliesen bis zu 250 Euro.

Welche Leidenschaft die Schitteks für ihr Handelsgut empfinden, wird deutlich, wenn man ihr Fliesenmuseum betritt, das sie in der ersten Etage ihres Firmensitzes eingerichtet haben. Dort zeigen sie die schönsten Kacheln von 1900 bis 1980 - dazu Badeöfen und Wannen, sogar ein typisches Hamburger Badezimmer von 1930, aber auch Tarifverträge, Fachbücher und Werkzeuge. Wie der Betrieb ist auch das Museum werktags von 7 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

Wer Ersatzfliesen zur Ergänzung des Altbestands, speziell aus der Gründerzeit und dem Jugendstil, braucht, kann sich auch an eine Manufaktur in Sieversdorf wenden. Dort produziert das Unternehmen Golem nach Vorlagen und in Serie Fliesen, die sich meist optimal dem vorhandenen Bestand an Fliesen anpassen. "Wir haben schon für viele Hamburger Häuser, die Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden sind, die passenden Fliesen geliefert oder reproduziert", sagt Geschäftsführer Tomas Grzimek. Oft fragten Kunden an, die ein Haus aus der Gründerzeit gekauft hätten und nun Küche und Bäder neu mit Fliesen und Kacheln aus dieser Zeit gestalten wollten.

"Da wir viele Fliesen auch in Serie produzieren, kosten sie kein Vermögen", sagt Grzimek. Eine einzelne Jugendstilfliese koste etwa 15 Euro, pro laufenden Meter komme man leicht auf etwa 100 Euro. Fliesen von Golem findet man nicht nur an den Landungsbrücken in Hamburg, sondern auch in Wien oder im Kaufhaus Harrods in London. Eine Besonderheit, die das Altonaer Unternehmen Matthiessen & Noesselt (www.matthiessen-noes selt.de) bietet, sind Fliesen aus Lava. Das millionenalte Naturprodukt wird aus den tiefen Schichten der Vulkanberge des Massif central geschnitten. "Alle Fliesen werden zweimal handglasiert und sind Unikate", sagt Geschäftsführer Henning Ziegler. Charakteristisch für Lavafliesen sind die feinen Haarrisse, Craquellée genannt. Sie entstehen, wenn während der zwei Brenngänge Glasur in die Poren der Lava fließt. Die Lavafliesen können in 112 Farben glasiert werden, sind frostbeständig und daher auch für den Außenbereich geeignet. Sie kosten rund 260 Euro pro Quadratmeter.