Keramikspezialist Hans Kuretzky gestaltete die Wände in dem frisch renovierten U-Bahnhof. Sechs andere Stationen hat er schon verschönert.

Hamburg. Hans Kuretzky ist ganz gerührt, wenn er die Menschen an der U-Bahn-Haltestelle Sierichstraße sieht. Wenn er beobachtet, wie sie die Treppe zum Bahnsteig hinaufsteigen, den glatten Handlauf aus Holz erfühlen, mit den Fingern über die Fliesen fahren und die Reliefs bewundern. Dann weiß der Keramikspezialist, dass seine Arbeit gelungen ist.

Denn Hans Kuretzky hat die neue Wandverkleidung erschaffen, er ist der Kachel-Mann von Hamburg. "Dieses ist meine siebte Haltestelle", sagt der 61-Jährige. Unter anderem sind Kuretzkys Fliesen in den U-Bahnhöfen St. Pauli, Hallerstraße und Uhlandstraße zu finden. Und natürlich im Alten Elbtunnel und an der Fassade des "Pincon"-Hauses am Neuen Wall. Da war es klar, dass die Hamburger Hochbahn den Baukeramiker fragen würde, ob er im Zuge der Brückenerneuerungen auch bei der Renovierung des Bahnhofs Sierichstraße mitwirken wolle.

Die Station ist 100 Jahre alt. In den 1970er-Jahren waren die ursprünglichen Jugendstil-Kacheln entfernt worden, stattdessen wurden Fliesen mit hellblauer Glasur verlegt und ein Edelstahlgeländer angebracht. "Zweckmäßig und schmucklos", sagt Hans Kuretzky. "Von den Originalfliesen war nichts mehr übrig."

Aber Hochbahn-Architekt Volker Jahnke präsentierte dem Künstler die Replik einer alten Zeichnung, wie die Treppenwände im U-Bahnhof Sierichstraße einmal ausgesehen hatten. "18 großformatige und 16 kleinformatige Reliefs waren zu erkennen, deren Formen und Texturen aber nur verwischt und undeutlich", so Kuretzky.

Also musste der Keramiker in Absprache mit der Hochbahn neue Reliefs entwerfen und erarbeiten. Zusammen mit seiner Frau Heidrun, 57, beschloss Kuretzky, die künstlerische Arbeit eng mit der Umgebung der Sierichstraße und dem Namen Sierich zu verknüpfen.

Adolph Sierich (1826-1889) war Goldschmied und Großgrundbesitzer in Winterhude gewesen. Anfang der 1860er-Jahre machte er den Goldbekkanal schiffbar, um die industrielle Erschließung seines Stadtteils zu fördern. Nach Sierich ist die gleichnamige Straße benannt. Straßen in der Umgebung bekamen die Namen von Familienangehörigen - zum Beispiel Maria-Louise nach seiner ersten Frau , Klärchen nach seiner zweiten Frau oder Willi nach einem Sohn.

Je neun 30 mal 45 Zentimeter große Reliefs auf jeder Seite des Treppenaufgangs gestaltete Hans Kuretzky. "Mohn und Veilchen sind zum Beispiel Jugendstilmotive. Der Stadtplan und die alte Ansicht beziehen sich auf die Umgebung. Die Schwäne und Seerosen stehen für den Goldbekkanal und die Alster", sagt der Baukeramiker.

Seine Frau Heidrun fertigte zwei kalligrafische Flächen mit Erklärungen über Adolph Sierich und die gleichnamige Straße. Hinzu kamen noch 16 15 mal 15 Zentimeter große Reliefs, die zum Beispiel die Spirale als Kuretzkys Werkstattzeichen zeigen. Die Ornamente liegen hinter dem Holzgeländer.

"Es ist eine große Ehre, dass wir hier eigene Reliefs gestalten durften", sagt der Fachmann. "Wir hatten viel Freude am Suchen und Forschen, Entwerfen und Zeichnen." Und natürlich auch beim Ausführen.

Kuretzky wählte als Rohmaterial eine grau-beige Industriefliese. "Die Farbe für die Glasuren war schnell gefunden - grünblau wie das Wasser, eine alte Farbe. Die Reliefs dazu im Kontrast müssen hellbeige sein." Aus Kupfer, Kreide, Eisen und Kobalt mischte Kuretzky die grünblaue Glasur und verzierte damit die Fliesen.

Nach dem Trocknen wurden sie bei 1100 Grad Celsius gebrannt, kontrolliert, verpackt und ausgeliefert. Drei Monate dauerten die Arbeiten für den U-Bahnhof Sierichstraße.

Voll des Lobes ist der Kachel-Mann für den Fliesenleger im Bahnhof. "Er hat gut erkannt, welche Fliese wohin passt. Dafür muss der Fliesenleger hinschauen und die Farbkomposition erfassen." Eine weitere Besonderheit haben die Keramikplatten: Sie sind Graffiti-abweisend. Aber der Künstler hat schon beobachtet: "Die von mir gestalteten Wände haben keine Graffiti. Sprayer achten offensichtlich auch die Schönheit der Wände und erkennen, wo es sich nicht lohnt."

Wenn Hans Kuretzky nicht für Hamburg kachelt, dann verwirklicht er andere Ideen auf seinem Werkstatthof in Borstorf zwischen Trittau und Mölln. Zu seinem Handwerk kam der 1951 in Delmenhorst Geborene auch erst über einen kleinen Umweg. Zunächst wollte Kuretzky Sozialarbeiter werden, studierte dann aber in Krefeld Keramikdesign mit Abschluss Diplomingenieur. Mit einem Freund zusammen baute er eine Töpferei auf Jamaika auf. Zurück in Deutschland lernte Kuretzky seine Frau Heidrun kennen und zog mit ihr in den Norden. Er lehrte an einer Werkkunstschule in Lübeck und an der Hamburger HFBK am Lerchenfeld, seine Werkstatt betreibt Kuretzky seit 1985.

"Wir wirken die Fliesen? Harmonieren die Farben? Funktioniert meine Vorstellung in der Fläche?" Diese Fragen stellt Hans Kuretzky sich immer wieder. "Lampenfieber bleibt bei jeder Arbeit." Im Bahnhof Sierichstraße ist das Ergebnis gelungen.