Back to the Roots: Selbstversorgung wird immer beliebter, da die Menschen auf unverfälschte Lebensmittel und kurze Erntewege Wert legen.

Die Frühlingssonne weckt in vielen Stadtmenschen die unwiderstehliche Lust zu gärtnern. Blumenkästen und Tontöpfe werden entstaubt, und die Saatgutständer in Supermärkten und Drogerien üben jetzt eine magische Anziehungskraft aus.

Gärtnereien erleben derzeit einen Run auf junge Gemüse- und Kräuterpflanzen. Darin äußert sich eine neue Lust an der Selbstversorgung. Städter pachten Schrebergärten oder ein Stück Ackerscholle beim Bauern, um den Bedarf an frischen Lebensmitteln zumindest teils selbst zu decken. Dass dies einfacher ist, als man denkt, hat Michelle Obama vor drei Jahren gezeigt, als sie einen Teil des gepflegten Rasens am Weißen Haus umbrechen ließ, um dort Salat, Kohl, Bohnen und anderes Gemüse anzupflanzen.

Neben ungenutztem Rasengrün bieten sich auch städtische Brachflächen zum Nutzgärtnern an, wie viele Gemeinschaftsprojekte in Ballungsgebieten zeigen. Jüngster Trend ist die Nahrungsmittelproduktion auf dem Balkon oder im Hinterhof - hier werden mit Freude Tomaten, Basilikum und Petersilie in Töpfen gezogen, denn noch nie galt unter so vielen vor allem jungen Städtern die Selbstversorgung als so angesagt wie zurzeit.

+++Städter sind die neuen Feld-Herren+++

Zudem sind die Motive mittlerweile sehr vielschichtig: "Sie reichen vom Wunsch, sich gesund zu ernähren, einen Naturraum mitten in der Stadt zu gestalten, der Nachbarschaft zu begegnen, praktische Beiträge gegen die Abholzung von Urwald für die Nahrungsmittelversorgung der nördlichen Halbkugel zu leisten, bis hin zur Diskussion der Frage, für welche Zwecke die Kommune ihre Flächen zur Verfügung stellen sollen", schreibt Christa Müller in ihrem im vergangenen Jahr erschienen Sammelband "Urban Gardening".

Es geht also nicht mehr nur um persönliche Glücksgefühle, die man beim Anbau von eigenem Grünzeug erleben möchte. Angesichts einer global vernetzten Welt wirken sich Entscheidungen innerhalb der Agrarindustrie auf jeden von uns aus. Es ist daher abzusehen, dass Nahrungsmittel zu einem knappen Gut werden, weil der Fleischkonsum in Ländern wie China und Indien zunimmt und damit der Bedarf an Futtermitteln, weil der Anbau von Biokraftstoffen mit den Agrarflächen für Lebensmittel konkurriert und weil die fortschreitende Ölknappheit zur Verteuerung von Kunstdüngern und Pflanzenschutzmitteln führt.

Das Bewusstsein für den Wert gesunder Nahrung nimmt erkennbar zu. Es liegt daher nahe, die Ernährung mehr in die eigenen Hände zu nehmen - und das ganz praktisch. Das Gärtnern vor der Haustür schont zudem die Ressourcen: Jeder selbst geerntete Salat spart Kohlendioxid und Energie, die anfallen würden, wenn gekühltes Gemüse Tausende Kilometer weit transportiert wird.

+++Schrebergarten 2.0+++

Es wäre also einen Versuch wert, Salate, Kräuter und anderes Gemüse selbst am Haus heranzuziehen. Die Voraussetzungen dafür sind leicht zu erfüllen: gute Lichtverhältnisse, ein Wasseranschluss und geeignete Behälter, in denen das Gemüse heranwachsen kann. Da der Platz begrenzt ist, sollte man ihn so nutzen, dass möglichst viel Grünzeug in kurzer Zeit gedeiht.

Man hat also wenig davon, im Frühjahr Kohl zu pflanzen, der erst Monate später erntereif ist. Sinnvoller sind Kulturen wie Erbsen und Bohnen, die innerhalb weniger Wochen reifen. Besonders ergiebig sind Salatarten, vor allem jene, die keine Köpfe bilden, also Pflück-, Schnitt-, Binde-, und Asiasalate. Sie liefern wochenlang frisches, gesundes Grün. Am besten wird frühmorgens geerntet. Man beginnt mit dem Pflücken der äußeren Blätter, wenn diese etwa zehn Zentimeter lang sind. Bald darauf können ganze Blattbüschel geschnitten werden. Wichtig ist, das Herz der Pflanze zu schonen. Dann sprießt aus der Mitte der Salatpflanze immer wieder ein neuer Blattschopf.

Werden die Pflanzen ausgesät, sollte man die Gefäße nur mit Aussaat- oder Kräutererde füllen. Alle anderen Erden sind zu nährstoffreich und damit problematisch für die jungen Sprösslinge. Sind diese herangewachsen, brauchen sie etwas mehr Nahrung. Sie lässt sich am besten mit biologischen Flüssigdüngern wie Bio-Trissol verabreichen.

Denkbar ist auch, zwei Erden miteinander zu kombinieren. Dazu füllt man das Gefäß zuerst mit einer normalen Blumenerde und bedeckt nur die oberen zehn bis 20 Zentimeter mit Aussaaterde. So keimt die Gemüsesaat zunächst in einem nährstoffarmen Milieu und versorgt sich später mit den nötigen Nährstoffen aus den tieferen Bodenschichten.

Wie man auch vorgeht, es macht eine Menge Spaß, mit Erde und Saatgut zu experimentieren. Der Gewinn ist nicht wirklich zu messen: Neben dem reinen Nutzen der kurzen Wege, konkurrenzloser Frische und des guten Gewissens, gleichzeitig etwas für die Umwelt zu tun, erfährt man sinnliche Genüsse. Man wühlt mit seinen Händen in lockerer Erde und erlebt den Erzeugerstolz, wenn die ersten grünen Triebe sich aus dem Boden bohren und schließlich der erste selbst gezogene Salat auf den Tisch kommt.