Die Soziologin Christa Müller hat den Trend zur Natur erforscht

Die neu wurzelnde Lust der Städter an Grünem aus eigenem Anbau: Soziologin Christa Müller aus München hat dieses Phänomen des Gärtnerns wissenschaftlich untersucht und zu dem Thema ein ganzes Buch herausgegeben. Titel: "Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt." Zusammen mit WDR-Moderatorin Tanja Busse und Werner Steinke von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt stellt sie ihr Buch heute Abend um 19 Uhr in der W3, in der Werkstatt für internationale Kultur und Politik am Nernstweg 32 in Ottensen vor.

Warum interessieren sich viele Städter auf einmal fürs Gärtnern?

Christa Müller:

Es gibt einen neuen Trend in Sachen Urbanität. Die alte Unterscheidung zwischen Stadt und Land, Natur und Gesellschaft, löst sich auf. Man will einen urbanen Lebensstil, aber gleichzeitig weder auf den Konsum reduziert sein noch auf Natur verzichten. Lebensmittel sollen das Leben bereichern und die Lebensqualität erhöhen - aber nicht die Ausbeutung von Menschen und Tieren.

Also ist das Gärtnern auch politisch motiviert?

Die Bewegung ist sehr pragmatisch, aber auch hoch politisch. Die Menschen wollen anders konsumieren: frisch, lecker, gesund, klimaneutral. Es geht dabei auch um ethische Fragen und faire Produktion. Viele haben die Nase voll vom allgegenwärtigen Kommerz und wollen selbst Produzenten sein. Dazu kommt, dass die Gärten immer auch Gemeinschaftsräume sind. Man will andere Menschen kennenlernen, Gemeinschaft erleben. In jedem Fall geht es um nahräumliche Lebensqualität. Durch diese neuen Praxen wird sich unser Verständnis von Stadt grundlegend wandeln.

Worin besteht der besondere Reiz des Gärtnerns?

Was Städtern im Umgang mit Pflanzen so gut tut, ist die Begegnung mit der lebendigen Natur. Viele Leute leiden unter der Beschleunigung des täglichen Lebens. Gärten erfordern einen anderen Umgang mit Zeit und Raum. Sie befördern uns auf behutsame Weise ins Hier und Jetzt. Der Garten wird so zum Erfahrungsraum für die grundlegenden Zusammenhänge des Lebens. Das Säen, Ernten, Kochen und Weiterverarbeiten für den Winter sensibilisiert nicht nur für die Natur, sondern auch für eine Überprüfung der Bedingungen, unter denen wir leben. Der Garten verortet uns in einem größeren Zusammenhang als den der Konsumgesellschaft. Er verschafft Überblick und Entspannung.