Schaukelringe, Kabel, Latten verschwinden allmählich im Stamm. Sägewerke arbeiten bei Verdacht mit Metallsuchgeräten.

Beim Film "Herr der Ringe" geht es ruckzuck. Im Nu verschluckt die große Weide im Alten Wald Frodos Gefährten. In der Realität dauert es länger. Aber Gegenstände verschlucken, oder besser überwallen, das können Bäume wirklich. Es ist ihre einzige Möglichkeit, mit festsitzenden Fremdkörpern fertig zu werden. So kommt es auch im eigenen Garten manchmal zu Überraschungen, wenn Bäume gefällt und zersägt werden müssen. Bäume in Hausnähe tragen oft Nägel in sich, an denen vielleicht die Wäscheleine oder ein Vogelhäuschen befestigt war.

Auch Drähte, Schaukelringe, Kabel, Latten von Baumhäusern und Reste von Hochsitzen verschwinden in Stämmen. Die Gegenstände in sich einzuschließen, ist eine Notmaßnahme der Bäume. "Irgendwelche Hindernisse reiben sich am äußeren Gewebe, reizen es", erklärt Dr. Wolf-Ulrich Kriebitzsch vom Institut für Weltforstwirtschaft in Hamburg. "Die Rinde wird quasi durchgescheuert. Dadurch gelangt der Gegenstand in Kontakt mit dem Wachstumsbereich des Baumes, dem Kambium. Zellen, die Rinde bilden, und Zellen, die Holz bilden, überwachsen allmählich den Fremdkörper. Dieser wirkt beim Wachstum wie ein Hindernis, das umgangen werden muss."

Verschwindet der Fremdkörper tief im Innern der Bäume, behindert er ihre Wachstumsschicht nicht mehr. Sie ist der Ort der Zellteilung. Im Kambium entsteht nach innen hin das Holz und nach außen hin der Bast, aus dem die harte Rinde wird. Nur während der Vegetationszeit teilen sich die Zellen, und der Baumstamm wächst in die Breite. Im Winter legen die Bäume eine Ruhephase ein. Dadurch bilden sich die Jahresringe.

Mit Hilfe des Kambiums kann der Baum Verletzungen heilen, die bis ins Holz eindringen. Damit das Holz nicht zu lange dem Angriff von Pilzen und Bakterien ausgesetzt ist, bildet das Kambium undifferenziertes Gewebe, das sogenannte Kallus, das sich von den Seiten her über die Verletzung schiebt. Strukturen wie normale Rinde zeigt der Kallus-Wulst nicht. Daher wird er hin und wieder als Beginn einer Baumerkrankung interpretiert - das Gegenteil ist der Fall.

Nicht immer sind es Verletzungen, die das Kambium vor gewaltige Aufgaben stellen. Mindestens ebenso häufig behindern Gegenstände das Dickerwerden des Stammes. Lässt das Hindernis sich bei zunehmendem Wachstum nicht beiseite drücken, wird es schließlich überwallt. Was dabei alles möglich ist, zeigt der "Balzer Herrgott" in Gütenbach im Schwarzwald, unter www.baumwunder.de im Internet zu bestaunen: Der Torso des Gekreuzigten wurde Anfang des 20. Jahrhunderts an einer Buche aufgehängt. 30 Jahre später begann der Baum den Sandstein-Leib zu überwallen. 1986 war das so weit fortgeschritten, dass nur noch Teile von Kopf und Brust zu sehen waren. Schließlich wurde die Überwallung in Herzform zurück geschnitten und der Herrgott als Brustbild freigelegt.

Ganz so glimpflich geht es in Sägewerken nicht immer ab. "Die Sägebänder werden schadhaft oder zersplittern völlig, müssen nachgearbeitet oder ersetzt werden, wenn sie auf Metall stoßen", erklärt Norbert Burkart vom Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie in Wiesbaden. Daher besitzen Sägewerke in Regionen, aus denen Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg bekannt sind, in der Regel Metallsuchgeräte, die Einschlüsse orten können.