Der Stimmumfang der Singvögel liegt bei sieben bis acht Oktaven. Stare können damit sogar Motorgeräusche zwitschern; bei Odinshühnchen singt die Frau.

Wenn der Satz "Selbst ist die Frau" für eine Vogelart gilt, dann wohl am ehesten für das Odinshühnchen. Der arktische Schnepfenvogel aus der Gattung der Wassertreter ist kaum größer als ein Haussperling und lebt in den Sümpfen. "Bei ihm ist alles anders", urteilt der Naturschützer Ernst-Paul Dörfler. Beim Odinshühnchen gibt nämlich das Weibchen bei der Balz den Ton an und nicht das Männchen - wie sonst üblich.

In einem Prachtkleid aus rostroten Bändern am Hals wirbt es um einen Partner. "Auch stimmlich ist das Weibchen auffallend begabter und ruft voller Inbrunst über die Wasseroberfläche", schreibt der promovierte Naturwissenschaftler in seinem neuen Buch "Die Liebe der Vögel". Damit zeige das Weibchen das Revier nicht nur an, sondern verteidige es auch. "Das Weibchen hat in jeder Beziehung die Hosen an."

Bei Amsel, Drossel, Fink, Star und überhaupt bei den Singvögeln ist das bekanntlich anders. Hier wird den Weibchen etwas gepfiffen, und die Vogelmänner scheuen dabei keine Mühe. Immer wieder zieht Dörfler Parallelen zur Menschenwelt. "Die Weibchen sind die größeren Investoren und wollen ihr Kapital, nämlich ihre Eier und Brutpflegeleistung, nicht in den Sand setzen." Der Einsatz der Männchen sei ungleich geringer. Umso mehr müssten sie sich ins Zeug legen.

Dabei hilft den Singvögeln nicht nur ein ungeheures Repertoire an Liedern, sondern auch ein Stimmumfang, gegen den die weltbesten Tenöre nicht im Geringsten anschmettern können. Bei den meisten Singvögeln umfasse die Stimme "sieben bis acht Oktaven", so Dörfler. Die besten Berufssänger unter Menschen brächten es auf drei.

Außerdem seien manche Vögel Meister im Kopieren fremder Vogelstimmen - so etwa Stare, die auch Handy-Klingeltöne nachahmen können. Selbst das Anlassen eines Motors beherrsche der Star, "zumindest klangmäßig". Als Raubkopierer betätigen sich auch Sumpfrohrsänger und Gelbspötter.

Meist dient das Zwitschern und Trällern der Vogelmänner der Brautschau. Dass wir Menschen uns daran gerade im Frühling erfreuen können, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Doch Dörfler macht klar, dass Vögel weit überwiegend nicht aus Spaß an der Freude pfeifen. Wenn etwa Ende April die Nachtigallen aus ihren Winterquartieren im tropischen Afrika zurückkehren, treten die Männchen in einen Sängerwettstreit ein, bei dem es ums Überleben ihrer Erbanlagen geht. Äußerlich eher unscheinbar, muss der Nachtigallen-Mann ein Weibchen bezirzen.

"Gelingt ihm das und kommt es zur Paarung, so lässt seine Sangesfreude rasch nach", schreibt Dörfler. Finde er jedoch keine Partnerin, dann singe er "aus schierer Verzweiflung unaufhörlich und monatelang die gesamte Brutsaison hindurch" - zur Freude vieler Menschen.

Anders als bei der Einzelbalz per Stimme wetteifern die Hähne bei der Gruppenbalz, etwa Birkhuhn oder Auerhahn, im direkten Vergleich vor den Hühnern, bis der Sieger feststeht. Die Hühner stünden "förmlich Schlange und begehren nur ihn". Statt ein zweitklassiges Männchen ganz und gar für sich zu besitzen, teilen sich die Vogelweibchen viel lieber den einzig wahren Gewinner, ganz nach dem berühmten ABBA-Lied "The winner takes it all". Dafür nähmen die betörten Hühner auch Gedränge in Kauf, bis sie an der Reihe seien, berichtet der Natur-Experte.

In Naturschutzkreisen verbindet man Dörflers Namen eher mit der Elbe. Für deren Schutz und gegen ihren Ausbau setzt sich der 58-Jährige seit dem Ende der DDR ein. Nun macht Dörfler sich für die Vögel stark. Der Leiter des BUND-Elbeprojekts in Steckby bei Magdeburg will auch weniger ornithologisch bewanderte Menschen für die Vogelwelt einnehmen. Hürden errichtet ihnen Dörfler jedenfalls nicht; sein Buch setzt keinerlei einschlägiges Fachwissen voraus. Auf den gut 200 Seiten mit vielen faszinierenden Details spart der engagierte Anwalt der Natur auch Probleme wie die Käfighaltung nicht aus. Doch Hauptanliegen des Autors bleibt, die Vögel lieben zu lernen: "Wer seine Sinne öffnet, seine liebevolle Neugier der Natur zuwendet, geht eine Bindung ein - eine lebenslange Beziehung, die das Leben ungemein bereichern kann."


Ernst-Paul Dörfler: "Die Liebe der Vögel. Vom ersten Lustgeträller bis zur Reise in den Süden.", Verlag Janos Stekovics, Dößel, 28 Euro