Japan will seinen Küstenwalfang offiziell legalisieren lassen und könnte im Gegenzug sein “Forschungsprogramm“ in der Antarktis aufgeben. Außerdem stehen auf der Agenda: ein neues Schutzgebiet für Wale und die zukünftigen Aufgaben der IWC.

Unter welchen Bedingungen wird Japan möglicherweise aufhören, im Südpolarmeer Wale zu jagen? Diese Frage stellt sich auf dem 60. Jahrestreffen der Internationalen Walfangkommission (IWC), das Montag in Santiago de Chile beginnt. Ebenfalls (wieder) auf der Agenda ist die Einrichtung eines Walschutzgebietes im Südatlantik, einer Meeresregion, in der sich die vom Aussterben bedrohten Blauwale und die gefährdeten Finnwale zur Paarung treffen. Aber nicht nur über die Zukunft der Großwale, auch über die der IWC wird in Chile gestritten werden.

Das Interesse der Walschützer gilt vor allem einer möglichen japanischen Initiative, über die auf dem Vorbereitungstreffen in dieser Woche in Chile gemunkelt wird: Seit vielen Jahren kämpft Japan dafür, bei der IWC eine neue Walfang-Kategorie, den (traditionellen) Küstenwalfang einzuführen. Das Land argumentiert, die vier Küstengemeinden Abashiri, Ayukawa, Wadaura und Taiji hätten traditionell vom Walfang gelebt und litten wirtschaftlich stark unter dem Fangstopp der IWC, der 1986 in Kraft trat.

Um den sogenannten small-type coastal whaling (STCW, kleiner Küstenwalfang) durchzusetzen, könnte Japan die Aufgabe seines Wissenschaftsprogramms in der Antarktis (Jarpa II) anbieten, in dessen Rahmen alljährlich eine industrielle Fangflotte im IWC-Walschutzgebiet mehrere Hundert Zwergwale tötet - in der Saison 2007/08 waren es nach Angaben der Walschutzorganisation WDCS 551 Wale.

"Was auch immer die Walschutznationen bereit sind zu akzeptieren, damit Japan sein Forschungsprogramm aufgibt, läuft auf eine Akzeptanz von Fangquoten hinaus. Dies würde eine Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs bedeuten und ist daher dringend abzulehnen", warnt Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack, der die Debatte in Chile beobachtet. Auch die WDCS fürchtet eine "deutliche Verschlechterung der bisherigen Situation": den Küstenwalfang zu legalisieren würde weiteren Fangaktivitäten, etwa von westafrikanischen und karibischen Staaten oder Korea, Tür und Tor öffnen.

Das japanische Anliegen steht für den grundlegenden Wunsch der Walfangnationen, die IWC möge zu ihrer originären Aufgabe, nämlich dem Management des weltweiten Walfangs ähnlich dem Fischerei-Management, zurückkehren. Die Länder stoßen auf den erbitterten Widerstand der Walschutznationen, etwa der USA, fast aller europäischen und südamerikanischen Staaten sowie Australiens.

Sie halten den kommerziellen Walfang nach wie vor nicht für vertretbar und fassen den Management-Begriff viel weiter: Zum Schutz der Walbestände müssen auch alle anderen Bedrohungen, etwa Tod durch Beifang der Fischerei, Meeresverschmutzung, Unterwasserlärm und Kollisionen mit Schiffen einbezogen werden.

Das bestehende Patt zwischen Walfängern und -schützern blockiert seit vielen Jahren grundlegende Entscheidungen in der IWC. Gebetsmühlenartig werden die eignen Positionen wiederholt, selbst wenn sie längst wissenschaftlich widerlegt sind. Das betrifft zum Beispiels Japans Behauptung, die Wale fräßen den Menschen den Fisch weg. "Die Wale für den Rückgang der Fischbestände verantwortlich zu machen ist so, als würde man die Spechte für die Entwaldung zur Verantwortung ziehen", entgegnet Thilo Maack, "vor der kommerziellen Bejagung lebten riesige Wal- und Fischbestände in perfekter Harmonie."

Maack wünscht sich eine Modernisierung der IWC im Sinne eines Öko-Managements, das alle Umweltfaktoren, die auf die Meeresriesen einwirken, berücksichtigt. Ansätze sind längst zu sehen, etwa die Einrichtung von Schutzgebieten für Wale. Zwei solcher Reservate bestehen bereits (Südpolarmeer und Indischer Ozean). Nun könnte ein drittes hinzukommen: Brasilien wird den Antrag stellen, den Südatlantik zum Walschutzgebiet zu erklären. Dort paaren sich unter anderem die stark bedrohten Blauwale. Obwohl die Art seit mehr als 40 Jahren nicht mehr bejagt wird, hat sich der Bestand kaum erholt. Derzeit wird er auf 2300 Tiere geschätzt. Vor 20 Jahren waren es zwar schätzungsweise nur 400, doch rechneten die Experten des Wissenschaftskomitees der IWC hoch, dass er ursprünglich bei 260 000 Blauwalen lag.

Sechsmal verfehlte der Schutzgebietsantrag bereits die nötige Dreiviertel-Mehrheit. Eine zusätzliche Stimme ist ihm jetzt aber sicher: Dänemark, das im vergangenen Jahr noch gegen die Ausweisung stimmte, will sie in Chile befürworten. Zumindest im Detail ist also noch Bewegung im IWC-Prozess.