In den 60er-Jahren galt der Uhu als nahezu ausgestorben, nun brüten mehr als 1000 Paare in Deutschland - seit 2000 auch regelmäßig auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Ende 2000 tauchte ein Uhu-Weibchen im Ohlsdorfer Friedhof auf. Damit begann ausgerechnet zwischen Gräbern das Hamburger Comeback der totgesagten Eulenart. Weder Rasenmäher noch Friedhofsgärtner und erstaunte Grabbesucher hielten den Nachtvogel vom Brüten in einem ehemaligen Habichthorst ab. Seit 2005 nisten die Uhus in einer künstlichen Brutwanne. Auch in diesem Jahr gab es Nachwuchs: Zwei tollpatschige Uhu-Küken hüpfen und flattern seit Ende Mai zwischen Rhododendren und Gräbern umher.

Bis September spielt der Nachwuchs mitten am Tag auf Grabmalen und niedrigen Ästen herum, übt auf dem Boden an Tannenzapfen das Jagen - und an Mäusen und Ratten das Töten. Eine kleine Fangemeinde verfolgt aufmerksam den Werdegang der Kleinen, allen voran Horst Piening. Jedes Jahr schart sich der 54 Jahre alte EDV-Fachmann mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter um die geflügelten Friedhofbewohner und passt auf, dass unachtsame Besucher die seltenen Tiere nicht verschrecken. Wie kein anderer kennt er die Uhu-Mutter, die er liebevoll "Uhuline" nennt. "Sie stammt aus einem Wildpark", ist Piening sicher, "deshalb ist sie so entspannt." Sie folgt seinem Lockruf und nähert sich ihm bis auf wenige Meter.

Uhuline ist eine Vertreterin eines der erfolgreichsten Artenschutzprojekte in Europa. Nestplünderer, Abschussprämien und sogenannte Hüttenjagden auf Krähen mit einem lebenden Uhu als Lockvogel führten dazu, dass die weltweit größte Eule zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland als ausgerottet galt. Vereinzelte Paare nisteten nur noch in Bayern, Sachsen und Thüringen.

In den 70er-Jahren starteten in mehreren Bundesländern Auswilderungsprogramme für den Uhu (Bubo bubo). So wurden allein in Schleswig-Holstein in den Jahren 1981 bis 2002 insgesamt 680 Uhus in die Freiheit entlassen, aus diesem Bestand speisen sich die Hamburger Vögel. Experten schätzen den deutschen Uhubestand heute auf 1300 Brutpaare. Uwe Robitzky von der Vogelwarte Helgoland glaubt sogar an eine höhere Zahl; etwa 1000 Paare könnten allein in Schleswig-Holstein leben.

Fest steht: Der Schutz der Uhu-Lebensräume und ihrer Brutplätze in Felsnischen, Bodenmulden oder gekaperten Greifvogelnestern steht heute ganz obenan. In Ohlsdorf helfen die menschlichen Begleiter auch schon einmal bei der Nahrungssuche, legen den Eulen totes Geflügel vor.

Tagsüber dösend, mit wachsam ausgerichteten Ohrfedern sitzt Uhuline immer in der Nähe ihrer Jungen, jederzeit bereit, sie vor lautstarken Krähenangriffen ebenso zu schützen wie vor aufdringlichen Menschen. Wer den Kleinen zu nahe tritt, muss sich in Acht nehmen vor rund drei Kilogramm klauenbewehrter Mutterliebe, getragen von 1,50 Meter breiten Schwingen.

Der morsche Nistbaum mit dem verrottenden Habichthorst musste Ende 2004 gefällt werden. Die Friedhofsverwaltung ließ an einem Nachbarbaum eine wetterbeständige, von Schleswig-Holsteiner Eulenschützern gestellte Brutwanne anbringen. In dem Kasten sammelte sich aber Regenwasser - die Uhu-Brut ging ein. Zur Fortpflanzung fest entschlossen, legte das Weibchen neue Eier mitten auf ein großes Grabmal und zog auf Augenhöhe mit ihren begeisterten Anhängern drei Küken groß. Wochenlang standen die Uhufans Wache an einem Absperrband.

Vogelschützer erweiterten die Löcher im Boden der Nistkiste, in der die Ohreneule fortan erfolgreich brütete. Ab Anfang April streckten in diesem Jahr zwei helle Daunenknäuel ihre runden Köpfe mit den unbeweglichen bernsteinfarbenen Augen über den Rand und drehten ihren Hals neugierig dem tuschelnden Geschehen unter sich hinterher.

Das bei Uhus kleinere Männchen entdecken Besucher nur selten. Scheu und mit seinem dunkelbraun gefleckten Gefieder im Baumwipfel bestens getarnt, meldet es mit weit hörbaren "Buhuu"-Rufen neue Beute an: Nager und Vögel bis zur Bussardgröße, sogar Igel müssen sich vor dem lautlosen Flugangriff und den scharfen Krallen der Großeule fürchten.

Serviert wird am Boden und auf Grabsteinen nahe dem Nest. Das Weibchen trägt das Futter zu seinen piepsend bettelnden Kindern weiter. Die schon stattliche Größe und runden Bäuche der kleinen Uhus zeigen, dass das diesjährige Männchen (die Paarbildung erfolgt jeweils im Herbst) seine Arbeit gut macht.

Im Herbst werden sich die Jungtiere ein neues Revier suchen. Die Chancen stehen gut, dass sie den Hamburger Bestand (laut Roter Liste vier Brutpaare) weiter aufbauen - mutmaßliche Ohlsdorfer "Ableger" aus früheren Jahren wurden in der City Nord und in Groß Borstel gesichtet.