Extremwetterkongreß: 450 Experten beraten in Hamburg. Schneechaos, Sturmfluten, Überschwemmungen - und was der Mensch dagegen tun kann.

Überschwemmte Landstriche, Schneechaos, Hitzewellen und Hurrikans machen Menschen weltweit zu schaffen. Sind das nur Wetterkapriolen oder Anzeichen eines globalen Klimawandels? Auf Deutschlands erstem Extremwetterkongreß in Hamburg wollen 450 Klimawissenschaftler und Hobbymeteorologen heute und morgen auf Einladung des "Wettermagazins" dieser Frage nachgehen. Und: Worauf muß sich Deutschland einstellen?

Zwar haben auch die modernsten Klimamodelle noch Schwächen, doch kaum ein Experte bezweifelt, daß die Temperaturen weiter steigen werden. Die Lage gilt als ernst, aber Panik sei fehl am Platz. "Ja, es gibt einen Klimawandel", sagt Martin Claußen, Professor am Meteorologischen Institut und Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der Schirmherr des Kongresses. "Wir vermuten, daß der Wandel in den jüngsten Jahrzehnten vorwiegend von Menschen verursacht wurde, durch den Ausstoß von Treibhausgasen."

Mittelmeerklima werde es in Deutschland in nächster Zeit nicht geben, stellt Wilfried Thommes, Klimaexperte des Deutschen Wetterdienstes (DWD), klar. Statt dessen prognostizieren die Klimamodelle mildere Winter mit mehr Niederschlägen und trockenere, heiße Sommer, wobei der geringere Niederschlag öfter "gebündelt" als Starkregen fallen werde.

Nach Ansicht von Mojib Latif, dem Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik an der Uni Kiel, ist es höchste Zeit, mit Klimaschutz ernst zu machen. "Wenn wir weiter soviel Treibhausgase freisetzen wie bisher, werden wir bis 2100 einen Temperaturanstieg von bis zu sechs Grad im Weltdurchschnitt bekommen - eine für die Menschheit nie dagewesene Erwärmung", warnt er. Dadurch könne der Meeresspiegel um etwa einen Meter steigen, so Latif. Derzeit erhöhe er sich um etwa 2,7 Millimeter im Jahr, hochgerechnet auf das Jahr 2100 also um einen guten viertel Meter. Der Klimaexperte warnt vor Sturmfluten und Überschwemmungen. Und in den Alpen könnten durch das Zurückweichen der Dauerfrostgrenze mehr Berghänge ins Rutschen kommen.

Das derzeitige Extremwetter in Bayern ist aber nicht mit dem Klimawandel zu erklären. "Die Daten zeigen, daß es in der Region etwa alle 30 Jahre ein Schneechaos gibt", meint Thommes. Klimaforscher Latif vergleicht die Situation mit einem gezinkten Würfel, bei dem der Sechser für die Wetterextreme steht: "Es fallen dann immer häufiger Sechser. Aber anhand des Einzelfalls läßt sich nicht beweisen, daß der Würfel gezinkt ist, denn auch bei einem normalen Würfel fällt die sechs. Umgekehrt widerspricht der Hinweis auf frühere Wetterextreme nicht den Klimaprognosen - bei unserem Würfel sind auch früher Sechser gefallen."

Ein Sechser für Mensch und Klima wäre ein entschlossenes Handeln zur Senkung des Treibhausgasausstoßes. Dieser müsse bis 2100 um 80 Prozent abnehmen, dann "kämen wir mit einem blauen Auge davon", so Latif. Jeder könne dazu beitragen, betont Thommes. Die Möglichkeiten reichten von einer guten Wärmedämmung von Häusern über spritsparende Fahrweise bis zum Boykott von Tropenholz-Möbeln.