Schwerhörigkeit ist weit verbreitet: 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Hörproblemen. Jeder Sechste von ihnen hat ein Hörgerät.

Schwerhörigkeit ist weit verbreitet: 15 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Hörproblemen. Jeder Sechste von ihnen hat ein Hörgerät. Mit steigender Lebenserwartung nimmt auch die Altersschwerhörigkeit zu. Muss jetzt auch die junge Generation vermehrt mit Hörschäden rechnen als Folge der Dauerberieselung aus MP3-Ohrstöpseln und Disco-Wummern jenseits von 100 Dezibel, ein Pegel, der dem Lärm eines Presslufthammers in zehn Meter Entfernung entspricht? "Diese Gefahr wird meiner Meinung nach überbewertet", sagt Prof. Dr. Ulrich Koch. Hinter diesem bedächtig formulierten Satz steht die Erfahrung von 22 Jahren an der Spitze der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (HNO) im Uniklinikum Eppendorf (UKE).

Koch hat die moderne Ohrchirurgie mit entwickelt und hat als einer der Ersten Innenohr- und Mittelohrprothesen entwickelt und eingesetzt. Nach seinem Studium in Kiel, Innsbruck und Würzburg war er Klinikdirektor und Lehrstuhlinhaber zunächst in Bonn und seit 1986 in Hamburg. Neben seiner klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit war er mehrmals Präsident wissenschaftlicher Vereinigungen, so 2001 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Morgen räumt der 66-Jährige seinen Schreibtisch im UKE und geht "nach anderthalb Jahren Verlängerung" in den Ruhestand. Seine Nachfolge übernimmt Prof. Dr. Rainald Knecht, Leitender Oberarzt am HNO-Uniklinikum Frankfurt/Main, ein Spezialist für Tumorchirurgie und Onkologie.

30 bis 40 Prozent der HNO-Patienten im UKE sind dort wegen bösartiger Tumore der Mundhöhle und der oberen Speise- und Luftwege. Dank moderner Laser-Operationstechnik kann ihnen immer schonender und zielgenauer geholfen werden. Auch die Häufigkeit bestimmter Erkrankungen hat sich im Lauf der Jahrzehnte auffallend verändert. Koch: "Als ich 1973 Facharzt wurde, gab es so gut wie keine Hörsturz-Patienten." Heute gehen Schätzungen von 15 000 Erkrankten pro Jahr allein hierzulande aus. "Die genauen Ursachen des Hörsturzes sind wissenschaftlich nicht endgültig erforscht", sagt Koch. Ausgelöst werden könne der meist einseitige Hörverlust eventuell durch eine Fehlstellung der Halswirbelsäule, die zu einer Durchblutungsstörung der Innenohrregion führen kann. Und trotz der hohen Spontanheilungsquote von 50 bis 70 Prozent, also einer Heilung auch ohne Therapie, rät Koch zu einer sofortigen Behandlung bei Hörsturz, "denn die Prognose ist umso besser, je früher die ärztlich eingeleiteten Maßnahmen beginnen". Diese startet in der Regel mit einer drei bis vier Tage dauernden ambulanten Versorgung mit Cortisonpräparaten. In hartnäckigen Fällen folgen Infusionen, die eine stationäre Aufnahme erforderlich machen.

Seine Abschiedsvorlesung hält Prof. Koch im Oktober. Dann kommen sicher auch einige seiner inzwischen selbst erfolgreichen Schüler. Immerhin hat Koch 14 Mediziner habilitiert, also in den Professorenstand begleitet. Außerdem kommen etliche Lehrstuhlinhaber und Chefärzte, zum Beispiel in der Asklepios-Klinik Altona oder im Marienkrankenhaus, aus "seiner" Klinik. Auch zahlreiche Prominente wurden in der UKE-HNO-Klinik behandelt, von Schauspiellegende Gert Fröbe bis Tennis-Ass Steffi Graf und mehrere Bundeskanzler in seiner Bonner und Hamburger Zeit. Und was hat Koch am meisten gereizt? "Der Spagat zwischen Klinikbetrieb und Wissenschaft."