Musik fördert die Entwicklung eines Kindes: Es lernt leichter sprechen, sich rhythmisch zu bewegen, vieles besser im Gedächtnis zu behalten. Und Musik baut Spannungen ab.

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter ... Mama, wie gehts weiter? ... du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein, auch im Winter, wenn es schneit..." So mancher Knirps übt jetzt schon fleißig, damit er unter dem Weihnachtsbaum mit einem fließend gesungenen Lied glänzen kann oder beim gemeinsamen Auftritt mit Eltern und Geschwistern nicht den Faden verliert.

Musik ist immer wichtig für Kinder, nicht nur zur Weihnachtszeit. "Und man kann gar nicht früh genug damit anfangen, Kinder an Musik zu gewöhnen, indem man ihnen etwas vorsingt, zum Schlafen die Spieluhr anstellt oder mit ihnen gemeinsam Kinderlieder singt, wenn sie schon etwas älter sind", sagt Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Eppendorf. Denn schon sehr früh reagieren Kinder auf Musik.

"Experimente haben ergeben, dass Babys schon im Mutterleib auf eine bestimmte Musik mit Beruhigung reagieren und sie auch nach ihrer Geburt wiedererkennen", sagt der Kinderpsychiater. Und Kinder profitieren davon, wenn sie früh mit dieser Welt der Klänge und Rhythmen in Berührung kommen. "Musik spricht von Beginn an andere Gehirnzentren an als Sprache. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Sprachentwicklung der Kinder besser und schneller abläuft, wenn sie viel Musik hören", so Schulte-Markwort. Musik hilft, die motorische Entwicklung zu fördern und Spannungen abzubauen. Gedächtnisleistungen verbessern sich, wenn man Musikstücke auswendig lernt.

Kinder entwickeln ein Rhythmusgefühl

Es ist gut und hilfreich für die Gesamtentwicklung der Intelligenz, wenn Kinder innere Musik abrufen und wieder umsetzen können. Musik kann einen aktivierenden oder einen beruhigenden Einfluss haben, abhängig von der Musikrichtung.

Doch wie bringt man den Kleinen die Musik am besten nahe? "Kinder entwickeln ein Gefühl für Klänge, indem sie die Erfahrung machen, dass damit ein Rhythmus verbunden ist. Sobald sie laufen können, beginnen sie auch, sich nach Rhythmen zu bewegen, versuchen, ihrem Tanz einen Rhythmus zu geben und entwickeln darüber Rhythmusgefühl. Deswegen sind im Kindergartenalter Bewegungs- und Tanzspiele gut, bei denen die Kinder ihren Gesang mit Klatschen und Rhythmusinstrumenten begleiten", sagt Schulte-Markwort.

Im Alter von fünf bis sechs Jahren können Kinder beginnen, ein Instrument zu spielen, vorher ist musikalische Früherziehung hilfreich. Dabei sollte man es den Kleinen aber nicht zu schwer machen. "Schwierig zu lernen sind Instrumente, bei denen ein hohes Maß an motorischer und feinmotorischer Koordination gefragt ist, wie zum Beispiel Geige. Wesentlich besser dafür geeignet ist das Klavier, weil sehr viel einfacher die richtigen Töne getroffen und schneller Erfolge sichtbar werden. Wer sich ein Klavier nicht leisten kann, sollte auf günstigere elektronische Varianten zurückgreifen, die zudem den Vorteil haben, dass man sie mit Kopfhörern bedienen kann - eine gute Möglichkeit, um die Ohren der Nachbarn zu schonen", rät der Kinderpsychiater.

Welches Instrument bei Kindern am besten ankommt, ist unter anderem auch geschlechtsabhängig. Während Mädchen zunächst bei der Blockflöte bleiben, ist das Schlagzeug ein reines Jungeninstrument. Aber auch das sollte man nicht unterschätzen. "Beim Spielen des Schlagzeugs ist eine komplexe motorische Koordination zwischen beiden Füßen und beiden Händen gefragt. Und da sollte man schon ein bisschen älter sein, damit man auch Erfolgserlebnisse hat, also mindestens zehn Jahre", empfiehlt Schulte-Markwort.

Wie Kinder mit Musik umgehen, ist auch davon abhängig, ob zu Hause zum Beispiel nur das Radio nebenher mitläuft oder gezielt Musik gehört wird. "Und gemeinsames Singen und Musizieren kann sehr viel Spaß machen, wenn es nicht mit einem zu hohen Leistungsanspruch verknüpft ist", betont Schulte-Markwort. Zu empfehlen sind auch Kinderkassetten. Wichtig dabei ist, dass es einfache und eingängige Texte und Rhythmen sind, mit denen die Kinder etwas anfangen können. "Je kleiner die Kinder sind, desto mehr Bewegungsaufforderung sollte mit der Musik verbunden sein. Unabhängig vom Alter geht auch klassische Musik, wenn sie nicht zu anspruchsvoll ist. Je älter die Kinder werden, umso mehr beginnen sie, einen bestimmten Musikstil zu bevorzugen. Das beginnt immer früher, heute häufig schon im Grundschulaltermitacht Jahren."

Doch nicht jede Musik ist empfehlenswert. Da sie Stimmungen stark beeinflussen kann, kann sie auch Aggressionen verstärken, etwa durch harte Rhythmen und ruppige, raue Texte. "Kleinere Kinder wenden sich von solcher destruktiven Musik automatisch ab. Die Empfänglichkeit dafür beginnt erst mit dem Eintritt in die Pubertät. In diesem Alter wird sie gern gehört, weil sie Aggressionen aufbaut und auch wieder abbauen kann, besonders, wenn man sich danach bewegt", so der Kinderpsychiater. Zwar brauchen Kinder Möglichkeiten zur Aggressionsabfuhr, und in der Pubertät muss es auch etwas sein, womit man sich von den Eltern abgrenzt. Aber wenn es so richtig destrukiv wird, sollten Eltern mit dem Jugendlichen klären, was ihn an dieser Musik so begeistert und ob es verträglichere Alternativen gibt. "Ich würde das nicht ungefragt stehen lassen, denn jemand, der zufrieden ist, hört nicht andauernd Musik mit extrem aggressiven Rhythmen und Texten", betont Schulte-Markwort und empfiehlt Eltern generell, sich darum zu kümmern, welche Musik ihre Sprösslinge hö-ren. Bis vor wenigen Jahren war das kein Problem, da die Musik meistens überlaut aus dem Jugendzimmer dröhnte. Das ist heute wesentlich schwieriger, weil viele Jugendliche nur noch Kopfhörer benutzen. Das sollte Eltern nicht davon abhalten, sich erklären zu lassen, was an der Musik so gut ist. Sie sollten sich auch nicht scheuen zu erzählen, was sie selbst gern hören, auch wenn sie damit riskieren, dass der Nachwuchs genervt die Augen verdreht.