Was hat das Unfallkrankenhaus in Boberg seinen Patienten alles zu bieten? Darüber sprachen NDR 90,3 und Abendblatt mit Spezialisten der Klinik bei “Medizin vor Ort“.

Es ist eins der großen Zentren zur Versorgung von Menschen mit schweren Verletzungen, das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus in Boberg. In dem Krankenhaus am Rande der Stadt werden Patienten versorgt, die schwere Unfälle erlebt, Brandverletzungen erlitten haben oder querschnittsgelähmt sind. Darüber, was die 470-Betten-Klinik alles zu bieten hat, sprachen NDR 90,3 und Abendblatt bei "Medizin vor Ort" mit Spezialisten der Klinik.

Das Versorgungsangebot der Klinik steht auf zwei Säulen, der Akutmedizin und der Rehabilitation. "1959 ist die Klinik eröffnet worden. Anfänglich eher eine Rehabilitationseinrichtung, ist sie dann zum Akutkrankenhaus geworden. Heute ist die Rehabilitation weiterhin ein Schwerpunkt des Hauses, neben der Akuttraumatologie und der rekonstruktiven Chirurgie des Bewegungsapparates", berichtet Prof. Christian Jürgens, Ärztlicher Direktor der Klinik. Hinzugekommen sind die Neurotraumatologie, das Querschnittgelähmtenzentrum, die Verbrennungsmedizin sowie die plastische und Mikrochirurgie und eine Abteilung für Dermatologie. Das Krankenhaus wird von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen, steht aber Patienten aller Krankenkassen offen. Zudem arbeitet die Klinik eng mit anderen Krankenhäusern zusammen, unter anderem mit den Kliniken Wedel, Pinneberg und Elmshorn sowie mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

Bekannt geworden ist die Klinik durch die Therapie von Schwerverletzten. Zwischen 100 und 150 schwer verletzte Patienten werden pro Jahr in Boberg behandelt. "Die Versorgung erfordert in erster Linie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen medizinischen Fachrichtungen, aber auch zwischen den verschiedenen Dienstgruppen des Hauses, die Zusammenarbeit von Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie und Ärzten", sagt Jürgens, der auch Chefarzt der Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie ist.

In Boberg werden auch neue Verfahren entwickelt, um Knochenbrüche noch besser zu stabilisieren. "Mit dem Biomechanik-Labor unseres Hauses haben wir mit Projekten zur Knochenbruchbehandlung zweimal den Innovationspreis des deutschen Ministeriums für Forschung und Technologie gewonnen. Zum einen haben wir externe Fixateure (äußere Halteapparate für Knochenbrüche) so weiterentwickelt, dass wir mithilfe spezieller Computertechnologie diese Verfahren rechnergestützt zur Wiedereinrichtung von Knochenbrüchen nutzen können. Und wir haben Implantate mit Mikroelektronik ausgestattet, um den Verlauf der Knochenbruchheilung beobachten zu können. Dadurch erhalten wir wichtige Hinweise für die postoperative Behandlung, insbesondere für die Belastungssteigerung nach Knochenbrüchen", so Jürgens.

Bei der Therapie von Kindern pflegt die Klinik eine enge Kooperation mit dem Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. "Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen spezielle Verfahren zur Versorgung von Knochenbrüchen, spezielle Anästhesie, Pflege und Betreuung nach der Operation", sagt Dr. Rüdiger Werbeck, Leitender Chirurg des Kinderkrankenhauses. Die Kinder werden im Wilhelmstift betreut. "Aber es arbeitet während der Woche ein Arzt aus Boberg in unserer Abteilung, der Patienten operiert und auch ambulante Nachbehandlungen durchführt", so Werbeck.

Ein besonderer Schwerpunkt der Boberger Klinik ist die Versorgung von Schwer-brandverletzten. Eine Brandverletzung ist nicht nur eine Verletzung der Haut, sondern kann den ganzen Körper erfassen und das Leben bedrohen. "Bei einer besonders schweren Brandverletzung haben wir eine große Wundfläche, die Haut verliert ihre Schutzfunktion, und es kommt zu einer massiven Ausschüttung von Giftstoffen in den Körperkreislauf. Je nach Ausdehnung kann eine Brandverletzung für die Patienten schnell lebensgefährlich sein", sagt Dr. Frank Bisgwa, Leiter der Schwerbrandverletztenabteilung. Dort stehen 21 Betten zur Verfügung. "Wir haben eine direkte Anbindung an einen speziellen Operationssaal für Brandverletzte sowie zwei große Spezialbäder, in denen der Körper von Kleidungsresten befreit und Verbrennungswunden von abgestorbenem und verbranntem Gewebe gereinigt werden." Entscheidend für die Genesung ist auch die physiotherapeutische, ergotherapeutische und psychologische Unterstützung der Patienten. "Wichtig für den Heilungserfolg ist, dass die Rehabilitation am ersten Tag beginnt", betont Rolf Keppeler, Leiter der Physiotherapie. Die Patienten erhalten eine intensive Atemtherapie und spezielle Bewegungstherapie, um Komplikationen wie Lungenentzündung und Bewegungseinschränkungen in den Gelenken zu vermeiden.

Seit November 2006 gibt es in Boberg ein Neurotraumatologisches Zentrum. "Dort sind jetzt die Neurologie und Neurochirurgie zusammengefasst, weil man so die Akutversorgung der Verletzung, die meist neurochirurgisch erfolgt, und die Weiterbehandlung im neurologischen Bereich besser vernetzen kann", erklärt Dr. Michael Neuss, Chefarzt des Neurotraumatologischen Zentrums. "Das Schädel-Hirn-Trauma ist eine Verletzung im Bereich des Kopfes, meist mit Zerstörungen von Knochenanteilen des Schädels, die im Schädelinnern zu Verletzungen der Blutgefäße und des Gehirns führen können. Blutungen können auch erst im weiteren Verlauf auftreten. Deswegen muss man diese Patienten gut überwachen", berichtet der Neurochirurg. Es komme darauf an, dass man möglichst früh analysiert, welche Funktionsstörungen der Verletzte hat, zum Beispiel Lähmungen an Armen und Beinen, Probleme mit dem Gedächtnis oder dem Lernen, sagt Dr. Andreas Gonschorek, Leiter der Neurologie, und beschreibt, wie den Patienten geholfen werden kann. "In der Reha machen wir uns die Plastizität des Gehirns zunutze, das heißt, dass nicht betroffene Hirnareale zum Teil die Funktionen verletzter Areale ausgleichen können."

Weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt ist das Querschnittgelähmtenzentrum der Boberger Klinik. "Wir versorgen alle Arten von Querschnittslähmungen und haben dafür 120 Betten zur Verfügung. Unsere Behandlung ist so strukturiert, dass wir Patienten am Anfang auf ihr Schicksal vorbereiten, sie psychologisch und seelsorgerisch betreuen. Nach der medizinischen Versorgung findet ein ausgedehntes Reha-Programm statt, um die Patienten so selbstständig wie möglich zu machen", sagt Dr. Ralf Ziegler, leitender Oberarzt des Zentrums. Je nachdem, in welcher Höhe das Rückenmark geschädigt ist, gibt es unterschiedliche Formen: Menschen mit leichter Querschnittlähmung haben Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion. Dann gibt es Patienten, die im Rollstuhl sitzen und ihre Arme bewegen können und hoch gelähmte Patienten, die ihre Arme nur teilweise oder gar nicht bewegen können. Sehr hoch Gelähmte können nicht mehr selbstständig atmen und müssen dauerhaft beatmet werden. "Die häufigste Ursachen sind Verletzungen der Wirbelsäule. Gerade in der warmen Jahreszeit bekommen wir oft Patienten, die kopfüber in Baggerseen springen, mit dem Kopf aufschlagen und sich Verletzungen der Halswirbelsäule zuziehen", so Ziegler.

Neu eröffnet wurde 2006 eine Abteilung für Dermatologie. "Wir wollen Patienten, die berufsbedingte Hauterkrankungen haben, mit einem speziellen Angebot unterstützen", sagt Prof. Swen Malte John, Chefarzt der Dermatologie. Betroffen sind unter anderem Friseure, Krankenschwestern sowie Menschen, die in der Bau- und Metallindustrie arbeiten. Die Hautärzte in Boberg erarbeiten zusammen mit ihren Patienten ein Hautschutzprogramm, das sie am Arbeitsplatz einsetzen können. Ein Beispiel dafür ist das Tragen von Handschuhen bei bestimmten Tätigkeiten.

"Ein Hinweis auf eine berufsbedingte Hauterkrankung ist, wenn die Haut immer dann dazu neigt, sich zu verschlechtern, wenn man am Arbeitsplatz ist, und sich im Urlaub und an den Wochenenden verbessert", sagt John. "Jeder, der Hautprobleme durch seinen Beruf hat, kann sich ohne Praxisgebühr hautärztlich beraten und behandeln lassen. Das zahlen dann die Berufsgenossenschaften", so der Dermatologe. Deswegen solle jeder, der an einer Hautkrankheit leide und einen Berufszusammenhang vermute, zum Hautarzt gehen oder sich an die Dermatologie in Boberg wenden.