Nur wenige Schritte, und er war außer Atem. Pavel Plochich litt unter Histiozytose X, einer extrem seltenen Lungenkrankheit. Rund um die Uhr musste er mit Sauerstoff versorgt werden. Es gab nur einen Ausweg: die Transplantation.

Gut fühl ich mich, kann schon wieder längere Strecken laufen und wieder Rad fahren", erzählt Pavel Plochich. Vor fünf Monaten wäre das für ihn noch undenkbar gewesen. Damals lag der 26-Jährige als Patient im Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie im Krankenhaus Großhansdorf und musste rund um die Uhr mit Sauerstoff versorgt werden. Schon die kleinste Anstrengung, und seien es nur wenige Schritte vom Bett bis zum Waschbecken, brachten ihn so außer Atem, dass er 20 Minuten brauchte, um sich davon zu erholen.

Histiozytose X: Löcher in der Lunge

Der Grund für diese extreme Kurzatmigkeit: Pavel Plochich litt an einer Lungenerkrankung, der sogenannten HistiozytoseX. "Bei der speziellen Form dieser Erkrankung, die die Lunge betrifft, entstehen durch Veränderungen bestimmter Zellen des Abwehrsystems in der Lunge regelrechte Löcher. So wird langsam immer mehr Lungengewebe zerstört, sodass die Betroffenen unter zunehmender Luftnot leiden und schließlich selbst kleinsten körperlichen Belastungen nicht mehr gewachsen sind", erklärt Prof. Helgo Magnussen, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Großhansdorf, dem Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie. Betroffen von dieser sehr seltenen Erkrankung - in Deutschland sind bislang nur 80 Fälle bekannt - sind junge Menschen, die rauchen. "Denn nach den bisherigen Erkenntnissen scheinen die Zellveränderungen nur in Verbindung mit Rauchen aufzutreten und sind auch nicht wieder rückbildungsfähig, wenn die Patienten mit dem Rauchen aufhören", so der Pneumologe. Da die langsame Zerstörung des Lungengewebes nicht zu stoppen ist, bleibt schließlich nur eine Lungentransplantation.

"Sie ist oft die einzige Möglichkeit, um Patienten mit schweren Lungenerkrankungen das Leben wieder lebenswert zu machen", sagt Magnussen. "Weil die kleinste Belastung zu Atemnot führt, wird schon die tägliche Morgentoilette zur Qual. Diese schweren Beeinträchtigungen sind für die Patienten so belastend, dass sie die Lust am Leben verlieren und schwere Depressionen bekommen."

Eine Lungentransplantation war schließlich auch die Therapie, die Pavel Plochich wieder ein normales Leben ermöglichte. "Als es ihm im November so schlecht ging, haben wir ihn mit hoher Dringlichkeit auf die Warteliste für eine Lungentransplantation gesetzt. Es hat dann aber noch weitere vier Monate gedauert, bis ein passendes Spenderorgan zur Verfügung stand, und am 8. März haben wir dem jungen Mann in einer neunstündigen Ope-ration beide Lungenflügel transplantiert", berichtet Dr. Hendrik Treede, als Oberarzt zuständig für die Lungentransplantation im Universitären Herzzentrum des UKE. Um solche Patienten mit schweren Lungen-erkrankungen optimal zu versorgen, arbeitet die UKE-Klinik seit zwei Jahren eng mit dem Zentrum im Krankenhaus Großhansdorf zusammen. Dort, unter Leitung von Prof. Magnussen und Dr. Detlev Branscheid, dem Leiter der Thoraxchirurgie, werden Patienten mit schweren Lungenleiden auf die Transplantation vorbereitet und alle nötigen Voruntersuchungen durchgeführt. "In regelmäßigen gemeinsamen Fallbesprechungen schauen wir uns den Krankheitsverlauf einzelner Patienten an und legen fest, welcher Patient wann am besten für eine Transplantation geeignet ist und welche Maßnahmen getroffen werden müssen, damit er im bestmöglichen Zustand zur Transplantation kommt. Die Prognose dieser Patienten ist umso besser, je kräftiger sie bei dem Eingriff sind", so Magnussen.

Der Schlüssel zum Erfolg der Transplantation

"Steht ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung, werden die Patienten hier im Universitären Herzzentrum operiert, stationär weiter betreut und gehen dann für drei Wochen in eine Reha-Klinik. Anschließend übernehmen die Lungenfachärzte in Großhansdorf zusammen mit uns die weitere regelmäßige Kontrolle der Patienten", erläutert Prof. Hermann Reichenspurner, Direktor der UKE-Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie.

Die Kontrollen sind wichtig, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu entdecken. Denn damit der Körper des Patienten das fremde Organ nicht abstößt, muss er spezielle Medikamente erhalten, die eine solche Abwehrreaktion des Immunsystems unterdrücken. "Diese Therapie ist der Schlüssel zum Erfolg der Transplantation", betont Reichenspurner. Denn die wichtigste Komplikation, eine akute Abstoßungsreaktion, die früher bei vielen dieser Patienten zum Tode führte, lässt sich heute weitgehend unterdrücken. "Sie tritt nur noch bei weniger als zehn Prozent der Patienten auf. Wir haben jetzt gute Medikamente zur Verfügung, die so spezifisch sind, dass sie isoliert die Transplantat-Abwehr unterdrücken, aber dem Organismus noch erlauben, Infektionen durch Viren und Bakterien zu bewältigen", so Reichenspurner. Die Verbesserung dieser medikamentösen Therapie ist auch ein Forschungsschwerpunkt der UKE-Klinik.

Weit mehr Sorgen als die akuten Komplikationen neben der akuten Abstoßung, Infektionen oder Versagen des Transplantates bereitet den Spezialisten die chronische Abstoßungsreaktion, die sich auch heute noch bei fast 50 Prozent der Patienten langsam entwickelt. Dabei kommt es in den kleinen Verästelungen der Bronchien, den Bronchiolen, zu Bindegewebswucherungen, die diese kleinen Luftwege langsam verschließen. "Diese Langzeitkomplikation, meist in Kombination mit einer schweren Infektion, zählt zu den Haupttodesursachen bei Patienten, die eine neue Lunge erhalten haben", so Reichenspurner. Von allen Lungentransplantierten überleben 80 Prozent das erste Jahr. Nach fünf Jahren leben noch 60 Prozent.

Mit der Transplantation hat ein neues Leben begonnen

"Doch es gibt Hoffnung, durch neue Medikamente die Überlebenszeit nach einer Lungentransplantion weiter zu verlängern, auch bei chronischer Abstoßungsreaktion", sagt Treede. Die UKE-Spezialisten haben jetzt eine große internationale Studie mit auf den Weg gebracht, in der ein neues Medikament, das diese Bindegewebswucherungen verhindern soll, mit anderen modernen Therapiestrategien verglichen wird.

Für Pavel Plochich jedenfalls hat mit der Transplantation ein neues Leben begonnen. Er ist jetzt für drei Wochen in einer Reha-Klinik auf Sylt. Und dort wird er auch seinen 27. Geburtstag feiern. Der Start ins neue Lebensjahr wird in diesem Jahr eine ganz besondere Freude sein.