Am Universitären Herzzentrum des Uniklinikums Eppendorf arbeiten Herzchirurgen und Kardiologen eng zusammen. Das Abendblatt war dabei, als eine Gefäßprothese eingesetzt wurde.

Es ist 9.30 Uhr, im Universitären Herzzentrum am UKE herrscht geschäftige Betriebsamkeit. Auch im sogenannten Hybrid-OP laufen die Vorbereitungen für einen Eingriff auf Hochtouren. Das Besondere an diesem neuen, in Hamburg bisher einzigartigen Operationssaal: Er ist so eingerichtet, dass Herzchirurgen und Kardiologen hier gemeinsam Eingriffe an Patienten vornehmen können, das heißt er verfügt über eine große Herzkatheteranlage, die in einen richtigen OP-Saal integriert ist. Ein Beispiel für eine Hybrid-OP wäre eine minimal-invasive Bypassoperation an einem Herzkranzgefäß, kombiniert mit einer Aufweitung und dem Einsetzen eines Stents in weitere Herzkranzarterien mit dem Herzkatheter.

An diesem Morgen wollen die Spezialisten des Herzzentrums bei einem 57 Jahre alten Patienten einen Eingriff an der Hauptschlagader, der Aorta, vornehmen. "Der Patient kam im Januar mit starken Schmerzen im Brustkorb zu uns. Bei den Untersuchungen haben wir dann festgestellt, dass seine Hauptschlagader vom Brustkorb abwärts bis zur Leiste starke Aussackungen hat - ein sogenanntes Aneurysma", berichtet Prof. Hermann Reichenspurner, Direktor des Herzzentrums. "Solche Aneurysmen sind meist die Folge eines Bluthochdrucks, der bereits über Jahre besteht und bisher nicht erkannt und behandelt wurde", so der Herzchirurg weiter. Und sie sind gefährlich. Durch die Aussackungen wird die Wand der Schlagader immer dünner, vergleichbar einem aufgeblasenen Luftballon. Damit steigt die Gefahr, dass die Aorta einreißt und es zu einer Blutung kommt, die innerhalb weniger Minuten zum Tode führen kann. Deswegen erhalten solche Patienten Gefäßprothesen, die die Wände der Arterien stabilisieren und ein Einreißen verhindern.

Nachdem der Patient bereits eine Gefäßprothese im Bauchraum erhalten hat, wollen die Spezialisten des Herzzentrums heute eine Gefäßprothese in die Brustaorta legen - über einen Katheter, der von der Arterie in der Leiste bis in den Brustkorb vorgeschoben wird.

Nachdem der Patient mit sterilen Tüchern abgedeckt ist, beginnt um 9.40 Uhr der Herz- und Gefäßchirurg Dr. Peter Marcsek mit seiner Arbeit. Mit einem zehn Zentimeter langen Hautschnitt legt er die Arterie in der Leiste frei, durch die die Kardiologen dann den Katheter legen wollen.

Um 10 Uhr treten die Kardiologen Dr. Hans Krankenberg aus der Kardiologischen Praxis Prof. Mathey/Prof. Schofer und Partner und Dr. Dietmar Koschyk, Kardiologe im Universitären Herzzentrum, an den OP-Tisch. Sie punktieren das Blutgefäß und schieben zunächst einen Führungsdraht bis in den Brustraum vor. Das Knifflige dabei: Dadurch, dass sich durch das Aneurysma die Wand der Hauptschlagader im Brustkorb gespalten hat, wird das Blut auf zwei Wegen durch die Aorta gepumpt: einmal auf dem normalen Weg und zum zweiten durch die gespaltenen Wandschichten. Bevor die Kardiologen die Gefäßprothese platzieren können, müssen sie sichergehen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Mithilfe von Röntgenbildern und Ultraschall können sie am Monitor verfolgen, wo genau sich ihr Katheter befindet.

Um 10.25 Uhr haben sie den Führungsdraht in die richtige Position gebracht. "Jetzt kontrolliere ich noch einmal mit einem Ultraschallkatheter, der durch die Hauptschlagader hochgeschoben wird, ob der Führungsdraht auch wirklich richtig sitzt", erklärt Koschyk.

Zehn Minuten später ist es dann so weit: In die Hauptschlagader wird ein etwa 30 cm langes Rohr mit einem Durchmesser von knapp einem Zentimeter, die sogenannte Schleuse, geschoben. Durch diese Schleuse wird dann die zusammengefaltete Gefäßprothese bis in den Brustkorb geschoben. Sie besteht aus einem flexiblen Metallgerüst, das innen mit einer Gefäßprothese aus Kunststoff ausgekleidet ist. Vor der Operation haben die Kardiologen anhand von Kernspinaufnahmen berechnet, wie lang die Prothese sein muss, damit sie über die Aussackungen hinausreicht und im gesunden Bereich der Hauptschlagader endet. Nach diesen Berechnungen haben sie eine 23 Zentimeter lange Prothese ausgewählt, die sie jetzt durch die Schleuse bis in den Brustkorb vorschieben, bis zu dem Punkt, wo die Arterie abgeht, die den linken Arm mit sauerstoffreichem Blut versorgt.

Um 10.30 Uhr liegt die zusammengefaltete Prothese in ihrer genauen Position, die nochmals mit Durchleuchtung und Ultraschall überprüft wird. Der entscheidende Punkt des Eingriffs ist erreicht. Noch ein Handgriff und die Gefäßprothese entfaltet sich in der Aorta - vergleichbar einem aufgespannten Regenschirm. Doch das misslingt. Minutenlang versucht Dr. Krankenberg, den Mechanismus auszulösen, der die Prothese entfaltet - ohne Erfolg. Den beiden Kardiologen bleibt nichts anderes übrig, als sie wieder zu entfernen. Der Techniker der Herstellerfirma, der bei solchen Eingriffen immer mit zum Team gehört, bringt eine zweite Prothese, die über den Führungsdraht wieder in die richtige Position gebracht wird. Doch auch diese versagt ihren Dienst und lässt sich ebenfalls nicht entfalten.

Um 11.25 Uhr unterbrechen die Kardiologen den Eingriff. Der Patient bleibt in Narkose, während die Mediziner über das weitere Vorgehen beraten. Ruhig, sachlich und ohne Aufregung analysieren sie die Situation, die für beide neu ist. Selbst Krankenberg, der bereits 120 solcher Eingriffe durchgeführt hat, hat so etwas noch nicht erlebt. Die beiden Kardiologen entschließen sich dafür, dem Patienten zwei kürzere Gefäßprothesen zu legen, die miteinander verbunden werden. "Das ist ein durchaus übliches Verfahren, weil wir öfter während eines Eingriffes feststellen, dass die vorher berechnete Länge der Prothese nicht ausreicht, und dann ein Stück ansetzen", erklärt Koschyk. Denn die Hauptschlagader verläuft bei einigen Patienten in Windungen und Bögen, deren Länge sich vorher nicht genau berechnen lässt.

"Als einzige weitere Alternative bliebe jetzt das Einsetzen einer Gefäßprothese über eine offene Operation, und das wollen wir möglichst vermeiden", sagt Krankenberg. Denn das Risiko einer schweren Komplikation, zum Beispiel einer lebensbedrohlichen Blutung oder Durchblutungsstörungen in den Bauchorganen, liegt bei einer offenen Operation bei 20 Prozent, bei dem Verfahren über einen Stent hingegen unter einem Prozent. Außerdem sind die Patienten nach dem Legen des Stents wesentlich schneller wieder auf den Beinen als nach einer offenen Operation. "Nach einem Stent können die Patienten die Klinik bereits nach drei bis fünf Tagen wieder verlassen, nach einer offenen Operation erst nach zwei bis drei Wochen", so Reichenspurner.

Eine große Operation bleibt dem Patienten heute erspart. Um 12.25 Uhr setzen die Kardiologen ihre Arbeit fort. und schieben zunächst eine 17 Zentimeter lange Gefäßprothese bis in die Brustaorta, die sich dann auch problemlos entfalten lässt. Im zweiten Schritt schieben sie dann eine kürzere Prothese in den unteren Teil, die sich ebenfalls gut aufspannen lässt und sich dann in dem schmaleren unteren Teil der Brustaorta an die Gefäßwand anlegt. Danach überprüfen die Kardiologen noch mal mit einer Röntgenuntersuchung und einem Kontrastmittel, ob die Gefäßprothese kein Leck hat.

Ein gutes Ende also. "Damit, dass etwas nicht funktioniert wie geplant, muss man immer rechnen", sagt Krankenberg. Und das kann auch bedeuten, plötzlich von einem Kathetereingriff zur offenen Operation zu wechseln. Deswegen steht auch der Herzchirurg Marcsek während des gesamten Eingriffes im sterilen OP-Kittel bereit, um jederzeit eingreifen zu können.

Und im Hybrid-OP sind alle Vorrichtungen dafür vorhanden, einschließlich einer Herz-Lungen-Maschine. "Solche Eingriffe lassen sich nur in enger Kooperation zwischen Herzchirurgen und Kardiologen durchführen, die es möglich macht, auf alle Komplikationen sofort zu reagieren", betonen die Spezialisten.