Chirurgie: Kleine Eingriffe mit einer großen Wirkung. Viele Menschen gehen mit ihren Beschwerden zu spät zum Arzt. Ein Handspezialist aus Hamburg beschreibt die Alarmzeichen - und was am besten hilft.

Die Hand ist ein kleines Wunderwerk: 27 Knochen bilden ihr Gerüst; dank eines komplizierten Zusammenspiels aus Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern und Nerven hat der Mensch mit ihr ein vielseitig einsetzbares Werkzeug. Wenn in diesem Gebilde etwas nicht stimmt, ist das schnell unangenehm "und oft ein Alarmzeichen", sagt Dr. Florian Grassmann (45).

Dennoch ignorieren viele Betroffene zum Beispiel Taubheit in einzelnen Fingern oder einen schrumpfenden Daumenballen, dessen Muskel langsam verkümmert. "Der Mensch neigt dazu, sich an Einschränkungen zu gewöhnen", sagt Grassmann. Der Hamburger Hand- und Unfallchirurg ist immer wieder erstaunt, daß Patienten mit typischen Erkrankungen der Hand oft erst nach vielen Jahren den Rat eines Mediziners einholen.

"Dabei hätte ein Spezialist in vielen Fällen das Leiden mit wenig Aufwand vor langer Zeit beheben können", sagt der Chirurg, der sich nach beruflichen Stationen im Elim-Krankenhaus und im Allgemeinen Krankenhaus Altona kürzlich mit einer Praxis in Hamburg-Rotherbaum niedergelassen hat.

Ein solcher Eingriff, den Grassmann auch in einem seiner zwei Praxis-Operationsräume ambulant durchführen kann, ist zum Beispiel die Operation von Karpaltunneln. Durch diesen knöchernen Kanal an der Handwurzel laufen außer den Fingerbeugesehnen auch der Hauptnervenstrang der Hand ("Nervus Medianus"). Das "Dach" des Tunnels wird durch ein quer zur Hand verlaufendes Band gebildet. Wenn sich in diesem Karpaltunnel das Gewebe vermehrt, etwa weil das Sehnengleitgewebe anschwillt, kann der Nerv so eingezwängt werden, daß er in seiner Funktion gestört ist.

Wie spürt der Patient das?

"Typisch sind nächtliches Kribbeln oder das Einschlafen der Finger", sagt Grassmann. Anderen Betroffenen fallen ungewollt Gegenstände plötzlich aus der Hand. Manchmal führt das "Karpaltunnelsyndrom" auch zu Schmerzen, die in den Arm oder bis in die Schulter ausstrahlen.

Besteht ein Verdacht auf diese Erkrankung, kann ein Neurologe durch Messung der Nervenleitgeschwindigkeit die Funktion des Nerves überprüfen. Bestätigt sich dabei dieser Verdacht und bleibt eine Besserung aus, ist eine Operation erforderlich, für Grassmann "ein Routineeingriff von meist zehn bis 15 Minuten".

Dabei wird das Band durchtrennt und damit der Druck vom Nerv genommen. Dr. Grassmann erläutert: "Wird der Nerv zu lange abgedrückt, werden nicht nur die Finger taub, sondern der Daumenballenmuskel verkümmert auch." Und ohne einen starken Daumen kann man mit der Hand nicht mehr sicher zugreifen - ein echtes Handicap. Frauen sind übrigens dreimal häufiger betroffen als Männer. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.

Ein anderes weitverbreitetes Leiden der Hand ist die Dupuytrensche Erkrankung, benannt nach dem französischen Arzt, der die Symptome um 1830 als erster beschrieb. Betroffen sind dabei nicht, wie viele oft glauben, die Sehnen, sondern die Faserplatte unter der Haut.

Diese Trennschicht zwischen den Gewebeschichten wird bei Erkrankten dick, es entstehen Knoten und Stränge. Diese ziehen sich mit der Zeit zusammen. Die Folge: Die Finger krümmen sich und können nicht mehr vollständig gestreckt werden. Die Ursache dafür ist unbekannt. Ein genetischer Einfluß ist anzunehmen, denn in Südeuropa ist diese Erkrankung unbekannt. Ihre Häufigkeit nimmt Richtung Norden immer mehr zu. Leber- und Zuckerkranke sind häufiger betroffen.

Die Krankheit verläuft oft schubweise. "Die Veränderungen können zehn Jahre ruhen und dann innerhalb von sechs Monaten zu schweren Fehlbildungen führen", sagt Grassmann. Der Chirurg entfernt die Knoten und Stränge, damit die Finger wieder beweglich sind. Wichtig sei der richtige Zeitpunkt der Operation. Die Korrektur sollte nicht zu früh erfolgen, erläutert Grassmann, "da mit einem Wiederauftreten zu rechnen ist", aber auch nicht zu spät, weil das Ergebnis dann schlechter werden kann. Das Tückische: Der Verlauf der Erkrankung ist schwer abzuschätzen, und die Knötchen in der Handfläche verursachen keinen Schmerz, so daß sich viele Patienten mit der Einschränkung abfinden.

Ein anderes Phänomen ist der sogenannte Schnellende Finger. Bei diesem Krankheitsbild können die Betroffenen einen oder mehrere Finger nicht mehr krümmen oder gerade machen, weil sich ihre Sehne durch kleine Knötchen an den Ringbändern verhakt. Rutscht der Knoten plötzlich doch durch das Ringband, "schnellt" der Finger nach vorn oder hinten. Der Chirurg kann dies zum Beispiel korrigieren, indem er das Ringband durchtrennt.

Für all diese Eingriffe an der Hand benutzt der Operateur eine Lupenbrille. Die Blutzufuhr wird mit einer Druckmanschette am Arm unterbrochen, damit an der Wunde kein Blutfluß die Sicht behindert. Dennoch ist es mit einer Operation allein nicht getan. "Bei allen Eingriffen ist die Nachbehandlung ein wichtiger Faktor", sagt Grassmann. Das bedeutet: Die Patienten müssen anschließend krankengymnastisch betreut werden "und selbst intensiv üben", so Grassmann. So stellt sich der Erfolg erst ein, wenn alle "Hand in Hand" arbeiten.