Psychiatrie: Klinikum Nord startet Modellprojekt

Zwei Seelen in einer Brust, Leben in einer anderen Welt" - zwei Antworten aus einer Umfrage an einem Hamburger U-Bahnhof zu der Frage: Was stellen Sie sich unter Schizophrenie vor? Auch das Unwissen über diese Krankheit, die Denken und Fühlen so merkwürdig verändert, ist groß - und damit die Vorurteile. Wer heute an Schizophrenie erkrankt, läuft immer noch Gefahr, ausgegrenzt und als "verrückt" abgestempelt zu werden.

Dabei ist die Zahl der Betroffenen groß. Etwa 800 000 Menschen in Deutschland erkranken mindestens einmal im Leben an Schizophrenie. Sie beginnt, meist schleichend, zwischen 15 und 35 Jahren und zeigt sich zunächst unspezifisch durch Konzentrations- und Schlafstörungen oder Leistungsabfall. Später kommen typische Symptome hinzu: Der Betroffene leidet unter Denkstörungen, die sich darin zeigen, daß er in einem Gespräch ständig den Faden verliert. Er hört Stimmen (akustische Halluzinationen), fühlt sich verfolgt oder stellt ungewöhnliche Beziehungen her wie: Was der Sprecher im Fernsehen sagt, ist eine Botschaft für mich. Oft dauert es lange, bis die Diagnose gestellt wird. "Von den ersten Symptomen bis zur Diagnose vergehen im Durchschnitt sieben Jahre. Doch je früher man die Krankheit erkennt, desto besser sind die Heilungschancen", sagt Dr. Dietrich Eck. Er ist der Leiter einer speziellen Station in der Asklepios Klinik Nord, Campus Ochsenzoll. Diese Behandlungseinheit Schizophrenie (BES) wurde gestern vorgestellt. Mit dem Modellprojekt, unterstützt vom Pharmahersteller AstraZeneca, geht die Asklepios Klinik Nord seit Januar 2004 neue Wege in der Versorgung schizophrener Patienten.

Das Besondere an dem Konzept: Verschiedene Behandlungsformen sind eng miteinander verknüpft. Je nach individuellen Bedürfnissen des Patienten sind stationäre, ambulante oder teilstationäre Betreuung möglich. Teil des Therapiesystems ist auch die aufsuchende Behandlung, das heißt: Kommt ein Patient nicht zum Termin, wird er von einem Therapeuten zu Hause besucht. Dies ist in der Regel der "persönliche Therapiebegleiter", den der Patient aus dem Behandlungsteam wählt und der ihm, über den Klinikaufenthalt hinaus, als Ansprechpartner zur Seite steht. In einer Behandlungsverabredung zwischen Therapeuten und Patienten wird festgehalten, wie der Patient in einer akuten Phase seiner Krankheit behandelt werden möchte. So kann er vorher festlegen, von wem er dann besucht werden möchte und von wem nicht.

In "geplanten Behandlungsababläufen" werden einzelne Therapieelemente, je nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten, miteinander kombiniert. Dazu zählen Psychotherapie, Medikamente, Aromatherapie, Sport sowie Musik- und Theatergruppen. In Seminaren werden Patienten und ihre Angehörigen informiert. Weitere Angebote erleichtern den Weg zurück in den Alltag. Die Patienten werden nach dem Prinzip "Verhandeln statt behandeln" eng in die Therapie eingebunden. "Der Patient wird als Mitbestimmer gesehen und viel weniger entmündigt als früher. Und wir versuchen, die Angehörigen so schnell wie möglich in die Behandlung mit einzubeziehen", erklärt der Psychiater und nennt die Vorteile der Behandlung: "Die subjektive Lebenszufriedenheit des Patienten wird größer." Zudem helfe dieses Konzept dabei, Abbrüche der Therapie, die mit hohem Rückfallrisiko verbunden sind, zu vermeiden. Mit diesem neuartigen Konzept können in der BES 31 Patienten behandelt werden, aufgeteilt auf 18 stationäre, acht teilstationäre und fünf ambulante Therapieplätze.

Welche konkreten Vorteile die Behandlung für Patienten und Klinik bringt, soll nun in den kommenden drei Jahren wissenschaftlich untersucht werden, auch mit dem Ziel, die Qualität der Versorgung weiter zu verbessern, um so zum Beispiel auch die Rückfallquote weiter zu reduzieren.