Immunerkrankung: Kreisrunder Haarausfall gibt Rätsel auf. Oft verschwinden die Kahlstellen innerhalb eines Jahres wieder. Als Auslöser wird oft Streß genannt. Doch welche Therapie hilft am besten? Und was können Betroffene tun?

Zunächst fällt es gar nicht weiter auf. Doch plötzlich sind da diese Löcher in der Frisur. Büschelweise finden sich morgens Haare auf dem Kopfkissen. Und bleiben an den Fingern hängen, die vor dem Spiegel über den Kopf fahren. Es gibt etwa eine Million Menschen in Deutschland, die davon betroffen sind. Die Krankheit heißt Alopecia areata - kreisrunder Haarausfall.

Mangelnde Kopfhygiene oder "das falsche Shampoo" geht vielen zunächst als Ursache durch den Kopf, die die kahlen Stellen bemerken. Doch nichts davon trifft zu. Der kreisrunde Haarausfall ist eine Störung des Immunsystems.

Antikörper, die üblicherweise die Aufgabe übernehmen, Krankheitserreger zu beseitigen - also unsere "Körperpolizei" - wenden sich gegen die Haarwurzeln. Fachleute sprechen von einer Autoaggression des Immunsystems. Der Haarausfall ist die Folge.

Die Krankheit ist schon seit dem Altertum dokumentiert. Bereits bei Hippokrates wird sie beschrieben und als "Fuchskrankheit" bezeichnet, weil dem Fuchs nach Erkenntnissen im antiken Griechenland fleckförmig das Haar ausfiel.

"Jedes Säugetier kann davon betroffen werden, vom Eisbären bis zum Löwen und eben auch Menschen", sagt Prof. Dr. Rolf Hoffmann, der seit Jahren als einer der wenigen Wissenschaftler diese Krankheit erforscht.

Zwar gilt die Störung des Immunsystems allgemein als Ursache, doch gibt es bislang noch keine allgemeingültige Therapie, die diese Ursache bekämpfen kann. Das unterscheidet den kreisrunden Haarausfall auch von der diffusen Form, bei der über den gesamten Kopf die Haare ausdünnen, häufig als Folge von Stoffwechselstörungen oder der Einnahme von Medikamenten, wie bei einer Chemotherapie. Wird die Ursache beseitigt, wachsen die Haare wieder nach. Bei der Alopecia areata ist das nicht der Fall.

"Genetische Faktoren bestimmen, ob jemand die Krankheit bekommt und in welchem Ausmaß", sagt Rolf Hoffmann. "Wir haben festgestellt, daß viele Menschen daran als Jugendliche erkranken und die Krankheitserscheinungen dann mit zunehmendem Alter abnehmen."

Betroffen sind Frauen ebenso wie Männer. Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen der Krankheit. In etwa 80 Prozent der Fälle sind es kleinere oder einige Zentimeter große Kahlstellen auf dem Kopf, die zumeist auch wieder zuwachsen, üblicherweise innerhalb eines Jahres. Das bedeutet aber nicht, daß der Haarausfall damit auch aufhört. Er kann durchaus wieder kommen. Innerhalb von Monaten oder erst nach 30 Jahren. In etwa zehn Prozent der Fälle fallen alle Kopfhaare aus, die Alopecia totalis, und wenn auch die Körperhaare betroffen sind, wird von einer Alopecia universalis gesprochen.

Als Auslöser der Krankheit wird häufig Stress genannt, doch ist das laut Prof. Hoffmann nicht belegbar. "Jeder findet in seinem Leben einen Tag, den er als Auslöser dieser Krankheit benennen könnte. Bei manchen ist es die Trennung vom Partner, bei anderen wiederum die Hochzeit. Die Auslöser sind vielfältig, ein Zusammenhang mit Stress ist nicht nachweisbar", sagt Hoffmann. Ebenso wenig sei der Einfluß von Ernährung oder Umweltgiften belegt.

Da die Ursache des kreisrunden Haarausfalls bislang nicht therapeutisch angegangen werden kann, versucht sich die Medizin mit Symptomtherapien. So werden die kahlen Stellen mit einer Kortison-Salbe behandelt, um das körpereigene Immunsystem zu unterdrücken. Ergebnis: Die Haare wachsen, doch wird das Kortison abgesetzt, fallen sie zumeist wieder aus. Oder es wird versucht, über eine Stimulation der Kopfhaut das Wachstum wieder in Gang zu bringen. Auch hier sind die Erfolge sehr unterschiedlich. Schließlich gibt es auch den Versuch, das aus den Fugen geratene Immunsystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

"Man weiß nicht genau, auf welche Therapie jemand anspricht", sagt Kerstin Zienert, Vorsitzende des Vereins "Alopecia Areata Deutschland" (AAD) dem Hamburger Abendblatt. "Wir raten allen Betroffenen, nicht die Flinte ins Korn zu werfen, sondern unterschiedliche Therapien auszuprobieren." Wichtig sei, die Behandlung frühzeitig zu beginnen.

Zienert warnt in diesem Zusammenhang vor "Scharlatanen". "Es gibt keine Wundermittel gegen diese Form des Haarausfalls. Wer das behauptet, will in der Regel nur Geld schinden." Die Vereinsvorsitzende weiß von Patienten zu berichten, die "Tausende" für Behandlungen ausgegeben hätten, die am Ende doch keinen Erfolg brachten.

Für die Psyche der Opfer ist die Krankheit eine Achterbahnfahrt zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Davon kann auch Rebecca Simoneit-Barum berichten, die "Iffi Zenker" aus der Kultserie "Lindenstraße"

- Markenzeichen: rote Löwenmähne. "Ich hatte als Kind kreisrunden Haarausfall. Es war ein absoluter Schock für mich. Haare sind ein Statussymbol, gerade für eine Frau. Ich hatte Glück. Die Krankheit verschwand wieder. Und ich werde niemals dieses Gefühl vergessen, als die ersten Stoppeln wieder sprießten", sagt die Schauspielerin und Artistin, die jetzt die Schirmherrschaft für den Verein übernommen hat.