Oder: Wie kommt die Steinlaus ins Medizin-Lexikon?

Hamburg. Die Frage nach dem kleinsten einheimischen Nagetier ist schnell beantwortet: die Steinlaus. Die wissenschaftliche Erklärung steht auf Seite 1728 im "Pschyrembel", dem Standardwerk medizinischer Fachbegriffe. Dort ist das putzige Tierchen detailliert beschrieben - und abgebildet, gleich neben dem Foto eines Steißtumoren. Das lichtscheue Tier aus der Familie der Lapivora dürfte auch Nichtmedizinern noch in Erinnerung sein - als geniale Erfindung des Kulthumoristen Loriot.

Der stellte den "scheuen Nager" und "possierlichen kleinen Racker" 1976 einem Millionenpublikum vor - in einer Parodie auf den Fernsehprofessor und Zoologen Bernhard Grzimek. Wer könnte je die prägnanten Gesichtszüge und die gleichmäßig mahlenden Kiefer der Steinlaus vergessen!

1983 verwies das Lexikon erstmals auf die Steinlaus ("Petrophaga lorioti") und deren Wert bei der Therapie von Gallen-, Blasen- und Nierensteinen. Immerhin ernährt sich das Höhlentier von Silikaten, sprich Steinen. 1995, in der 257. Auflage, fehlte es. Ein Fehler, den die Lexikonmacher wegen der Leserproteste zwei Jahre später wettmachten.

Seitdem ist wieder Verlass auf den "Pschyrembel" und seine Steinlaus, die sich im Zweijahresrhythmus dem aktuellen Wissen anpasst. Mal wird ihre Mitwirkung beim Zerfall der Berliner Mauer beschrieben, dann der Saure Regen, der ihre "sensiblen Fresswerkzeuge schädigt", oder die Rettungsversuche, durch Klonierung ihr Genom in einer Genbibliothek zu hinterlassen. Laut der gerade erschienenen 260. Auflage ist allerdings ihre weitere Erforschung in Gefahr, da wegen der Gesundheitsreform "Diagnose- und Therapiemaßnahmen bei Steinlausbefall aus dem Leistungskatalog gestrichen wurden". Ob die Steinlaus das überlebt?