Gentherapie: Wissenschaftler am Hamburger UKE forschen an einer neuen Gentherapie gegen Krebs. Mit dem Verfahren wollen sie das Immunsystem so anregen, dass es den Tumor selbst besiegen kann - ohne gefährliche Nebenwirkungen

Wie kann man den menschlichen Körper dazu bringen, dass er Krebsgeschwülste selbst vernichten kann? Diese Frage erforschen viele Wissenschaftler rund um die Welt in vielen Studien. Allerdings hat es bei dieser so genannten Gentherapie auch schon tragische Todesfälle gegeben, die dazu geführt haben, dass es in den vergangenen Jahren ziemlich ruhig um diese Forschungen geworden ist. Jetzt verfolgen junge Wissenschaftler am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) einen neuen Ansatz in der Gentherapie, bei dem das Risiko gefährlicher Nebenwirkungen erheblich geringer sein soll als bisher. In dem Forschungsprojekt, in dem Lebertumoren bei Ratten behandelt werden, wird das Erbgut von Viren mit drei neu eingebauten Genen bestückt, die in das Innere der Tumorzelle befördert werden. Dort sorgen sie für die Produktion von Stoffen, die letztendlich dazu führen, dass das Immunsystem die Krebszellen als Feinde erkennt und sie bekämpft.

"Für unser Therapieverfahren, verwenden wir Schnupfenviren. Diese so genannten Adenoviren, die normalerweise bei Menschen Erkältungskrankheiten und leichte Magen-Darm-Infekte auslösen, sind so vorbehandelt, dass sie keine Erkrankungen mehr auslösen können", erklärt Dr. rer. nat. Reinhard Wähler, der am UKE seine Doktorarbeit zu diesem Thema geschrieben hat.

Wie alle fremden Zellen lösen Viren im Körper einen bestimmten Mechanismus aus. "Dringt eine fremde Zelle in den Organismus ein, werden normalerweise von bestimmten Immunzellen Botenstoffe, so genannte Interleukine oder Zytokine, ausgeschüttet, die andere Immunzellen in die Lage versetzen, die feindliche Zelle zu erkennen und zu bekämpfen. Bei Virusinfekten, wie sie jeder von Erkältungen kennt, dauert es ungefähr eine Woche, bis die Erkältung ohne weitere Medikamente abklingt. Das ist die Zeit, die das Immunsystem braucht, um gegen solche infizierten Zellen vorzugehen", erläutert Dr. rer. nat. Frank Schnieders, Leiter der Arbeitsgruppe Gentherapie des Instituts für Molekulare Zellbiologie am UKE.

Tumorzellen hingegen werden nicht so einfach vom Immunsystem erkannt, und es kommt demzufolge auch nicht zu einer effizienten Ausschüttung von Botenstoffen in der Umgebung des Tumors. "Diesen Schritt ersetzen wir, indem wir die Gene der Botenstoffe mit Hilfe von Viren direkt in den Tumor injizieren. Damit erreichen wir, dass die Botenstoffe im Tumor ausgeschüttet werden und vor Ort die Immunzellen dazu anregen, gegen die Krebszellen vorzugehen", erklärt der Biochemiker. Die von zwei Genen produzierten Botenstoffe locken Immunzellen an und aktivieren deren Vermehrung. Der dritte Faktor zeigt sich auf der Oberfläche der Krebszelle und stimuliert die angelockten Immunzellen zur Abwehr.

Am Anfang wird auf diese Weise nur der eigentliche Tumor bekämpft. Aber die Immunzellen speichern die Tumorzelle als Feind in ihrem Gedächtnis, so dass sie schließlich überall im Körper diese Zellen bekämpfen können. "Bei unseren Versuchstieren haben wir gesehen, dass auch Tochtergeschwülste, so genannte Metastasen, nach einiger Zeit verschwanden. Daraus schließen wir, dass Immunzellen, die einmal gebildet werden, überall im Körper ihre Wirksamkeit entfalten", so Schnieders.

Das funktioniert allerdings nicht immer: "Zum Beispiel unterscheiden sich die Zellen der Metastasen im Laufe der Tumorentwicklung häufig immer stärker von den ursprünglichen Krebszellen. Das bedeutet, dass sie von den stimulierten Immunzellen nicht mehr erkannt werden können. Dann müsste man diese Metastasen erneut mit den Viren behandeln", so Wähler.

Trotz dieser Einschränkung konnten die beiden Forscher bei ihren Experimenten schon erstaunliche Erfolge beobachten: "Bei den Ratten konnten wir sehr große Tumoren mit einem Durchmesser von drei Zentimetern damit auflösen", sagt Wähler.

Ob allerdings solche Behandlungsergebnisse auch irgendwann bei Menschen erzielt werden können, können die beiden Forscher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Sie rechnen damit, dass die Therapie frühestens in drei Jahren in klinischen Studien an Menschen getestet werden kann.

Das besondere Augenmerk der Forscher gilt der Vermeidung gefährlicher Nebenwirkungen. Dieses Ziel wollen sie erreichen, indem sie die Dosierung der Viren so gering wie möglich halten: "Das erreichen wir zum einen dadurch, dass wir die Viren direkt in den Tumor spritzen und zum anderen dadurch, dass wir alle drei Gene in ein Virus "verpacken". Mit der Niedrigdosierung hofft Schnieders, dass tragische Todesfälle wie der des Amerikaners Jesse Gelsinger, der 1999 nach einer Gentherapie mit Adenoviren starb, zu vermeiden sind: "Jesse Gelsinger hat damals intravenös eine große Menge an Viren erhalten, die die tödlichen Nebenwirkungen entfaltete. Wir geben die Viren nicht in die Blutbahn, sondern in den Tumor und verwenden heute höchstens ein Tausendstel dieser Dosis."