Studienort. Früher lockten große Namen an die Uni. Heute zählen andere Gründe.

Universitätsstadt mit großem Fächerangebot, Metropole mit Flair, Tor zurWelt, Medienhauptstadt, Party- und Kulturhochburg - das ist Hamburg. Nicht zuletzt wegen dieser Vielseitigkeit verbucht die Stadt seit Jahren einen Run auf die 4000 bis 5000 freien Studienplätze, die zum Wintersemester an der Universität vergeben werden. Mit 16 597 Studienplatzgesuchen für das beginnende Semester sind die Bewerberzahlen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 1000 gestiegen. Und der Trend wird sich fortsetzen, meint Ulrich Hußing vom Statistischen Landesamt. Er hat seit 1998 deutlich steigende Zuzugszahlen für Hamburg zu melden. In der Altersgruppe der 20- bis 30- Jährigen hätten alleine letztes Jahr 33 305 Personen Hamburg als Wahlheimat ausgesucht. Mit besonders guter Lehre und Forschung hat der Trend allerdings wenig zu tun. Glaubt man den Hochschulrankings, die regelmäßig veröffentlicht werden, belegt die Uni nämlich seit Jahren in den meisten Disziplinen - von der Studentenbetreuung bis zur Qualität der Vorlesungen - eher hintere Plätze. "Heute geht es bei der Studienortwahl nicht mehr wie früher nach Lehrpersonen, Studienschwerpunkten oder Traditionen", bestätigt Soziologie-Professor Max Miller von der Uni Hamburg. Lebensqualität sei das Zauberwort, das junge Leute in die Stadt ziehe. Die Anbindung an Nord- und Ostsee, Hamburgs Liberalität, das Kulturangebot seien ausschlaggebend für ein Studiumin in der Hansestadt. Früher war es gang und gäbe, die Uni nach den Professoren zu wählen - nach Frankfurt zu Adorno, nach Berlin zu Henrich, als Soziologe habe ich das so gemacht", so Miller. Suchen Studenten demnach heute ihre Vorbilder lieber in der Kultur- oder Nachtszene? Nein, den Universitäten fehlen große Namen", meint Miller: "Insbesondere in der Soziologie sind die Lehrenden weniger sichtbar als früher." Vielleicht sei das eine Folge des größeren Praxisbezugs. Unter Studenten gehören zu den meist genannten Gründen für Hamburg: viel Grün, das Wasser, kurze Wege, vielfältige Angebote für Studium, Job, Freizeit. Zugezogene loben oft die Hamburger Mentalität. "Hier wird auf Augenhöhe kommuniziert, klar und knapp", sagt VWL-Student Philip Bohle (25). In seiner Heimat Österreich "herrscht dagegen so ein Untertanentum mit ständigem Bitte und Danke". In Hamburg bekomme man schnell Kontakt, meint Informatik-Student Wie Zhang (23) aus Shanghai. Mit 24 200 Zuzügen (2001) stellten aus dem Ausland kommende Personen 37 Prozent der Zuwanderungen. Für den Rest, der vor allem aus dem benachbarten Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern kam, hat wohldie Nähe zur Heimat die Ortswahlbestimmt. "Für den Studiengang ‚Visuelle Kommunikation‘ ist Hamburg von meiner Heimatstadt Schleswig die nächste Unistadt", sagt Gesche Jäger (22). Auch wenn man lange suchen muss: Es gibt ihn doch, den von Miller totgeglaubten Typ Student, für den Lehrpersonen entscheidend sind. Germanistik-Studentin Nicola Bruhn (26) promoviert in Hamburg, weil ihr Doktorvater eine Koryphäe auf dem Gebiet der Exil-Literatur ist. Wie wichtig sind Spaßfaktor und Lebensqualität? "Die Mischung machts", sagt Nicola Bruhn. "In Hamburg kann man außerhalb der Uni eine soziale Identität haben."