Ihre mehr als 70 Heimatländer liegen in allen Teilen dieser Welt. Sie sind neugierig und wißbegierig. Und sie bereichern die kulturelle Vielfalt dieser Stadt. 9300 Ausländer studieren an Hamburgs Hochschulen. Stellvertretend für alle hat Wissenschaftssenator Jörg Dräger gestern 200 von ihnen erstmals zu einem Senatsempfang ins Rathaus geladen. Damit wollte er im “Wettbewerb um die besten Köpfe weltweit“ ein Zeichen setzen. Warum sie gerade an die Elbe kamen, wie sie hier leben und welche Karriere sie planen - das Abendblatt stellt von fünf ihnen vor

Für mich fast ein Heimspiel Louisa Lartey (26) aus Ghana studiert Außenwirtschaft und Internationales Management (3. Semester) an der Hochschule für Angewandte Wirtschaft:

"Da meine Eltern schon mehr als 30 Jahre in Hamburg wohnen, habe ich so eine Art Heimspiel. Neben meinem privaten Freundeskreis genieße ich die internationalen Kontakte. So habe ich Verbindung zu Kommilitonen aus Südamerika, Polen, Rußland und anderswo - das belebt und erweitert den Horizont.

Die vielen guten Erfahrungen mit offenherzigen und wißbegierigen Hanseaten werden ein wenig beeinträchtigt von den Erfahrungen mit dem Ausländeramt: Manche Mitarbeiter dort sind schlicht respektlos. Um so mehr Unterstützung erfahren wir vom Akademischen Ausländeramt der Universität.

An meiner Geburtsstadt gefällt mir besonders das viele Grün, der Kaufmannsgeist und die aufgeschlossene Mentalität der Bürger hier. Für die ausländischen Studenten sind Kultur und Freizeitangebot eine verlockende Ergänzung des akademischen Lebens. Glücklicherweise gibt es keine Studiengebühren; den Lebensunterhalt verdiene ich mir unter anderem mit einem englischsprachigen Tutorium bei uns im Fachbereich. Dieses bietet später gute Möglichkeiten, in einen spannenden Beruf einzusteigen."

Gute Chancen mit "Made in Germany" Rajnish Tiwari (29) aus Indien studiert Betriebswirtschaftslehre (11. Semester) und hielt gestern im Rathaus die Rede im Namen der ausländischen Studenten:

"Im Anschluß an meinen Schulabschluß am Government Inter College in Allahabad habe ich eine dreijährige Computer-Ausbildung mit Schwerpunkt Programmierung und Systemanalyse absolviert. Nach Deutschkursen am Goethe-Institut in Pune kam ich 1999 nach Hamburg, meiner ersten Wahl in Deutschland. Hamburg hat einen Ruf als liberale, weltoffene Stadt mit starker Wirtschaftskraft.

Abgesehen vom guten Klang der Stadt in aller Welt gehörte auch Kalkül dazu: Marken ,made in Germany' sind weltweit Klasse, eine Ausbildung in diesem Land eröffnet gute Chancen, und zudem kann man eine neue Sprache erlernen. Ich habe den Wechsel nicht bereut.

Abgesehen von kleinen Ärgernissen wie überfüllten Hörsälen ist für viele Studenten der Umgang mit den Behörden ein Problem: Beim Ausländeramt haben wir nicht gerade das Gefühl, willkommen zu sein.

Aber für die Bevölkerung hier gilt dies um so mehr: Die meisten Hamburger sind neugierig, aufgeschlossen und gastfreundlich. Da ich selbst ein Stipendium der Hansestadt hatte, kenne ich die enorme Bedeutung dieser Einrichtung - besonders auch für junge Akademiker aus der Dritten Welt."

Vom ersten Tag an begeistert Romina Carneiro (27) aus Portugal studiert Philosophie (13. Semester) und schreibt an ihrer Magisterarbeit:

"Ich bin in Lissabon zweisprachig aufgewachsen, meine Mutter ist Hamburgerin, mein Vater Portugiese. Vor vier Jahren bin ich nach Hamburg gekommen, mit einem Stipendium der staatlichen portugiesischen Socrates-Stiftung. Hamburg hat mich vom ersten Tag an begeistert, ich liebe die kulturelle Vielfalt und die kosmopolitische Atmosphäre. Zwar ist es oft schwer, an die Menschen heranzukommen, haben sie aber erst mal ihr Herz geöffnet, kann sich eine tiefe Freundschaft ergeben. Das ist anders als bei uns.

Auch beim Studium profitiere ich von der internationalen Note. Ich habe eine Menge Freude und Freunde. Nur das Wetter macht mir zu schaffen - und die Behördengänge. Der Kontakt zum Ausländeramt ist anstrengend. Aber das sind Kleinigkeiten. Insgesamt bin ich sehr glücklich hier. Mein Traum ist es, später in das Reisebüro meiner Familie einzusteigen: Mein Vater führt es auf den Kapverdischen Inseln, mein Bruder in Lissabon. Arbeite ich dort mit, werde ich eine gute Botschafterin für Hamburg sein."

Doppelte Liebe zur Hansestadt Lemzouri Touhami (26) aus Marokko studiert im Fachbereich Flugzeugbau (8. Semester) der Hochschule für Angewandte Wirtschaft:

"Flugzeuge haben mich immer schon fasziniert. Nachdem ich meinen Berufswunsch Pilot in Marokko nicht verwirklichen konnte, habe ich 1999 ein Studienkolleg in Köthen in Schleswig-Holstein absolviert, und seit vier Jahren studiere ich am Berliner Tor. 2006 möchte ich mein Diplom als Ingenieur machen und eine Anstellung finden. Vielleicht kann ich ja hierbleiben; besonders das Thema Airbus fesselt mich. Aber auch die Lufthansa oder ein Ingenieurbüro sind hochinteressant für mich.

An Hamburg gefallen mir das internationale Klima, die Größe und das viele Wasser - letzteres erinnert mich an meine Heimatstadt Casablanca. Leider ist hier manchmal eine gewisse Ausländerfeindlichkeit zu spüren. Im großen und ganzen jedoch fühle ich mich sehr wohl. Dazu trägt natürlich auch meine Freundin Christine aus Schleswig-Holstein bei, die ich in einem Studentenwohnheim in Allermöhe kennengelernt habe. So gesehen liebe ich die Hansestadt doppelt."

Erstes Praktikum beim Filmfest Lee Yongmi (25) aus Südkorea studiert Germanistik (3. Semester) und Medienkultur (1. Semester) an der Universität:

"Ich lebe seit zwei Jahren in Hamburg und mag die Stadt sehr. So habe ich mir eine europäische Großstadt vorgestellt. Die Menschen sind freundlich, alles ist sauber, und der internationale Charakter hat Charme. Eigentlich habe ich nur gute Erfahrungen gemacht, gehe gerne ins Kino, spazieren oder bummeln. Und das Wetter? Kein Problem!

Die guten Kontakte basieren gewiß auch auf meinen Deutschkenntnissen. Nach der Schulzeit in Seoul, dort lernte ich Englisch und Alt-Chinesisch, habe ich in Südkorea meinen Bachelor-Abschluß in Anglistik und Germanistik gemacht; parallel lerne ich derzeit Japanisch. Die deutsche Sprache fällt mir leichter, und sie steht mir auch näher als Englisch, daher kam ein Studium in den USA oder in Großbritannien für mich nicht in Frage. Wenn alles gutgeht, möchte ich im kommenden Jahr meine Magisterarbeit in Germanistik schreiben und später in Medienkultur promovieren. Im Sommer habe ich ein Praktikum beim Filmfest in Hamburg absolviert, es hat mir enormen Spaß gemacht; vielleicht gehe ich eines Tages in die Film- oder Medienbranche.

Bisher wurde ich von meinen Eltern unterstützt, und seit Oktober erhalte ich 450 Euro monatlich als Stipendium der Universität und der Stadt Hamburg."

Senator Dräger: Wir wollen und wir brauchen Sie! Zehn Studenten aus zehn Ländern standen Wissenschaftssenator Jörg Dräger (36) gestern auf der Treppe zum Festsaal des Rathauses zur Seite. Wie ihre 190 Kommilitonen waren sie für den Senatsempfang von der Universität ausgewählt worden - als Kriterien galten akademische Leistungen, aber auch Engagement in studentischen Gremien und Kontakte zu Hamburger Institutionen. "Ihre Kulturen, Erfahrungen und Sichtweisen bereichern uns", sagte Dräger. "Wir befinden uns im Wettbewerb um die besten Köpfe weltweit. Wir wollen und brauchen Sie als internationale Talente."

9302 der 71 320 Studenten (13 Prozent) in Hamburg kommen aus dem Ausland - 2005 sollen es bereits 15 Prozent sein. Dabei sind Gäste aus den Industrienationen in der Minderheit. Viele der ausländischen Studenten wollen sich beruflich in Hamburg etablieren, andere zieht es später in ihr Heimatland - hoffentlich als gute Botschafter der Hansestadt.