Der Hamburger Biologe Dr. Holger Zierdt betreibt Ahnenforschung der etwas anderen Art. Dabei fand er Erstaunliches über die Uroma heraus.

Wo liegen die Wurzeln meiner Familie? Wer sind meine Ahnen? Was ist aus denen geworden, die ausgewandert sind? Viele fragen sich das - und suchen Antworten. Bei der Hobby-Ahnenforschung helfen Organisationen. An diesem Sonnabend lädt die Genealogische Gesellschaft Hamburg zur 7. Norddeutschen Computergenealogie-Börse (siehe Extratext). Ein Thema: DNA-Tests bei der Familienforschung. Die wichtigsten Fragen beantwortet der Hamburger Biologe Dr. Holger Zierdt (38).

Wie kamen Sie zur Familienforschung?

Als ich etwa 17 Jahre war, meldete sich bei uns eine Frau Zierdt, die den Namen im Telefonbuch gefunden hatte. Ihr Vater Hans war in Kassel geboren, wo auch wir lebten. Mein Großvater hieß auch Hans Zierdt. So waren wir neugierig, ob es zwei verschiedene Personen waren oder nicht. Es stellte sich heraus, dass es vor dem 2. Weltkrieg mindestens zwei Familien Zierdt in Kassel gab, die sich nicht kannten. Das hat meine Neugier geweckt, den Ursprung zu erforschen. Ein Großonkel in Bremerhaven betrieb Familienforschung. Er war fast neunzig und war froh, dass ich seine Arbeit fortführte. Es gab Probleme, an Daten zu kommen, da die Kirchenbücher (wichtigste Quelle) für Orte, aus denen unsere Familie stammt (Großensee und Kleinensee an der hessisch-thüringischen Grenze), in Dankmarshausen beim Pfarrer lagen, in der damaligen DDR. An die kam ich erst nach der Grenzöffnung.

Wie funktioniert eine DNA-Analyse zum Stammbaum?

Der Familienname geht meist über die männliche Linie auf die nächste (patronymisches Namensrecht) Generation über. Im Erbgut gibt es zwei Geschlechts-Chromosomen. Frauen tragen zwei X-, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Das Y-Chromosom wird nur über Männer vererbt, vom Vater zu seinen Söhnen. Die Vererbung erfolgt also analog wie die Weitergabe des Familiennamens. Prüft man spezielle DNA-Abschnitte auf dem Y-Chromosom, ist ablesbar, ob der Sohn nicht nur familiär (sozial) der Sohn des Vaters ist, sondern auch genetisch. Er könnte ja auch das Ergebnis eines Seitensprungs der Mutter sein (Pater semper incertus est: Vaterschaft ist stets unsicher). Da die Weitergabe über alle Generationen erfolgt, kann man bei Analyse der DNA, etwa zweier Cousins, auf den genetischen Typ des gemeinsamen Großvaters schließen. Mit großen Familien und vielen Tests lässt sich prüfen, ob die Männer einen gemeinsamen Vorfahren haben.

Wie und wo kann man eine DNA-Analyse machen lassen?

Es gibt Anbieter, vor allem in den USA (der größte: www.familytreedna.com). In Deutschland machen dies einige Vaterschaftslabors (spezialisiert ist die Firma www.genbygen.de).

Was kostet eine DNA-Analyse?

Zwischen 150 und 180 Euro pro Person. Notwendig sind Speichelproben, genommen per Wattestäbchen und verschickt mit der Post.

Wieso wollten Sie eine DNA-Analyse für Ihre Familie?

Bei der jahrzehntelangen Forschung konnten wir als ältestes "Stammelternpaar" einen Curtt Zier mit seiner Frau Catharina ausmachen und ca. 2000 Nachkommen, Zierdt-Familien, die heute in Deutschland und den USA leben. Hier sollte geprüft werden, ob sich der Stammbaum aus schriftlichen Quellen genetisch belegen lässt.

Wie lief das ab?

Aus den aus schriftlichen Quellen erforschten Stammbäumen wurden aus den männlichen Linien Nachkommen ausgewählt (keine Brüder, keine Cousins, um nicht durch "Aufdeckung" von Vaterschaftsdiskrepanzen familiäre "Dramen" zu erzeugen). Sie wurden angeschrieben und um eine Speichelprobe gebeten. Von 80 nahmen 50 teil.

Die Untersuchung erfolgte im Rahmen einer Examensarbeit eines Kollegen (Torsten Trumme) in der Historischen Anthropologie der Uni Göttingen. Es war ein gefördertes Forschungsprojekt, weil es bis dahin in Deutschland keine Familienrekonstruktion durch DNA-Analyse gab. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht und der Familie auf zwei Treffen 2004 in Fond du Lac, Wisconsin, USA (70 Teilnehmer aus USA und Deutschland) und 2006 in Kleinensee (120 Teilnehmer aus Deutschland, USA und Russland) vorgestellt.

Was leistet die DNA-Analyse?

Sie kann männliche Abstammungslinien bestätigen oder widerlegen. Man muss bedenken, dass traditionelle Forschung eine "soziale" Genealogie erstellt, die DNA-Analyse eine "genetische". Die stimmen nicht zwingend überein. Ein Kind wird seinen Vater immer als Vater ansehen, wenn es mit ihm aufgewachsen ist, auch wenn er genetisch nicht sein Vater ist, weil die Mutter einen verheimlichten Seitensprung hatte ("Vaterschaftsdiskrepanz").

Man kann also Vaterschaften prüfen (von einer Generation zur nächsten) und männliche Abstammungslinien und damit den großen Zusammenhang von Familien, also ob separate Zweige dazugehören.

Was haben Sie über Ihre Vorfahren herausgefunden?

  • Die allermeisten Nachkommen des Stammelternpaares sind genetisch zusammenhängend: Die in den USA lebenden Zierdt, Nachkommen der Auswanderer, teilen mit den in Deutschland lebenden den DNA-Typ. So ist die Auswanderung auch genetisch belegt.
  • Einige der über schriftliche Quellen nicht dem Stammelternpaar zuzuordnenden Familien sind diesen genetisch zuzuordnen, stammen also von ihnen ab, andere nicht. Sie könnten durch Fehltritte, Adoptionen o. Ä. andere DNA-Typen aufweisen oder zufällig denselben Namen tragen.
  • Wir konnten Nachkommen von USA-Auswanderern, die aus Russland stammen, mit Nachkommen von anderen aus Russland, die heute in Deutschland leben, zusammenführen. Beide Familien, die nichts voneinander wussten, teilen denselben genetischen Typ, stammen also von einer Familie aus Russland ab.
  • Mein eigener genetischer Typ unterscheidet sich von dem bei uns "üblichen". Eine Stammbaumanalyse ergab, dass vermutlich meine Urgroßmutter "fremdgegangen" sein muss, also mein Urgroßvater nicht mein genetischer Urgroßvater ist.

Hätten Sie das im Nachhinein lieber nicht erfahren?

Der Befund sorgte bei den Familientreffen für Erheiterung und Gesprächsstoff. Er hat dazu beigetragen, anderen Familien, die genetisch nicht zur Stammfamilie gehören, diesen Befund zu erleichtern. Unsere Familie hat ein sehr großes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt, die Genetik tritt dabei zurück.

Ich werde deshalb nicht aufgeben, die Familie weiter zu erforschen. Soziale und genetische Genealogie weichen in rund drei Prozent der Fälle voneinander ab.

Wann ist die Analyse sinnvoll?

Daten durch traditionelle Forschung sind Bedingung. Man sollte nur konkrete Fragen prüfen. Seltene Namen sind Voraussetzung (also nicht "Becker" oder "Schmidt").