Als rätselhaft und sagenumwoben gilt die antike Königin. Ägyptische Forscher sind sicher, ihre letzte Ruhestätte vor den Toren Alexandrias in den nächsten Tagen aufzuspüren. Doch der Expertenstreit ist schon entbrannt.

Kleopatra zieht die Menschheit in ihren Bann, seit 2000 Jahren - und jetzt aufs Neue. Die jüngste aufregende Nachricht aus Ägypten: Das Grab der Kleopatra könnte entdeckt werden, in den nächsten Tagen, und damit die letzte Ruhestätte der Königin und ihres Geliebten, des römischen Feldherrn Marcus Antonius. Das wäre tatsächlich "eine der wichtigsten Entdeckungen des 21. Jahrhunderts" (auch wenn das noch recht frisch ist).

Als Welt-Sensation hat dies der Chef der ägyptischen Altertumsbehörde, Zahi Hawass, angekündigt. Und als Beleg für seine Theorie präsentiert er Münzen mit Kleopatras Konterfei, einen handtellergroßen Alabasterkopf der Herrscherin sowie eine Maske, die Marcus Antonius gehört haben könnte. Auffällig sind die nach Maßstäben der Wissenschaft allzu vielen Konjunktive ("wäre, könnte"), die das Spektakel begleiten. Bleiben wir bei den Tatsachen.

Seit drei Jahren wird an unterschiedlichen Stellen des 2000 Jahre alten Tempels von Taposiris Magna bei Alexandria gegraben. Die jetzt präsentierten Münz- und Skulpturenfunde wurden im Laufe des vergangenen Jahres gefunden. Morgen soll an der Grabungsstelle ein Team mit Spezialgerät anrücken und Röntgenaufnahmen von verschlossenen Gängen in bis zu 70 Meter Tiefe machen. Abzuwarten bleibt, was dabei herauskommt. Kleopatras Grab?

"Wo Kleopatras Grabmal liegt, wissen wir nicht", sagt Prof. Christoph Schäfer, Experte für Alte Geschichte in Trier und Autor des Buches "Kleopatra" (siehe Textende). Im Kapitel über ihren Tod schreibt der Historiker, der bis März 2008 an der Universität Hamburg lehrte: "Ihre Leiche wurde auf die gleiche Weise einbalsamiert wie die ihres Geliebten. Der Sieger erfüllte der toten Königin den letzten Wunsch und ließ sie in ihrem Grabmal neben den sterblichen Überresten des Antonius beisetzen."

Wo aber war dieses Grabmal? "Im Palastbezirk von Alexandria", sagt Schäfer im Gespräch mit dem Abendblatt und beruft sich auf literarische Quellen, die historisch als zuverlässig gelten. Teile der Palastanlage liegen seit Erschütterungen durch Erdbeben zum Beispiel um 1300 im Hafenbecken von Alexandria. Hier könnte mit mindestens ebenso großer Wahrscheinlichkeit Kleopatras Grab verborgen sein, so Schäfer.

Sollte das Königsgrab weit von dieser Stelle entfernt gefunden werden, hieße das, der Leichnam sei später umgebettet worden. Hinweise auf eine solche Umbettung existieren nicht.

Der Tempel wäre der beste Ort gewesen, um die Leichname der Königin und des römischen Feldherrn Antonius zu verstecken, meint dagegen Behördenchef Hawass. Kathleen Martinez, Archäologin aus der Dominikanischen Republik, die an den Grabungsarbeiten beteiligt ist, vermutet sogar, das Grab dürfte ummantelt und daher unversehrt sein. Sie geht davon aus, dass Kleopatra mumifiziert worden sei, im Gegensatz zu ihrem Geliebten, der weder Ägypter noch König war.

Auch die ägyptische Mythologie wird als Beleg für eine letzte Ruhestätte im Tempel herangezogen. In der Anlage sei man auf einen Isis-Tempel gestoßen, berichtet Hawass. Dort sei der Sage nach ein Teil des Körpers von Osiris, dem ägyptischen Gott des Jenseits, begraben worden. Osiris wurde von seinem Bruder Seth ermordet. Seine Gemahlin Isis fand den Leichnam und erweckte ihn zu neuem Leben. Kleopatra könnte demnach als Isis und Antonius als Osiris gegolten haben, meint der Altertumskundler Hawass.

Der hatte für den 17. September 2002 schon einmal eine archäologische "Weltsensation" angekündigt. Damals fraß sich ein Bohrer durch eine Kalksteinplatte in der Cheops-Pyramide bei Kairo. Die Bilder gingen live um die Welt. Beim ZDF saßen nachts um drei Uhr knapp 800 000 Menschen vor ihren Fernsehern. Als die Kamera schließlich durch das Loch schaute, war die Sendung zu Ende. Keine Mumie, kein Schatz, nur ein leerer Raum. Ein "Superbetrug der Archäologie" titelten Zeitungen. "Ein sehr wichtiger Fund", urteilte Zahi Hawass.

Kleopatra lässt grüßen? Die Rätselhafte? Die Sagenumwobene? Warten wir ab, was sie uns in den kommenden Tagen zu bieten hat.


Kleopatra. Gestalten der Geschichte. Christoph Schäfer, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 34,90 Euro