2008 ist das Jahr der Mathematik. Christoph Drösser, Wissenschaftsjournalist und Autor des Klett-Verlags (“Der Mathematik-Verführer“), erklärt...

2008 ist das Jahr der Mathematik. Christoph Drösser, Wissenschaftsjournalist und Autor des Klett-Verlags ("Der Mathematik-Verführer"), erklärt einmal im Monat im Abendblatt mathematische Alltagsphänomene.

In der letzten Kolumne des Mathematikjahrs soll es noch einmal ums Glücksspiel gehen. Vielleicht versucht ja der eine oder andere Leser noch, vor Silvester die Haushaltskasse mit einem Lotto- oder Roulettegewinn aufzubessern. Dass das aus mathematischen Gründen nicht besonders sinnvoll ist, habe ich schon im Februar beschrieben - der sogenannte Erwartungswert ist bei allen kommerziellen Glücksspielen negativ, das heißt: Auf lange Sicht verliert der Spieler. Aber da ist ja noch das "Gesetz der großen Zahl", wenden viele Spieler ein. Dieses Gesetz besagt: Wenn ich einen Zufallsversuch sehr oft durchführe, dann stimmt die Häufigkeit eines Ereignisses immer mehr mit seiner Wahrscheinlichkeit überein. Beispiel Würfeln: Wenn ich einen Würfel sechsmal hintereinander werfe, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass jede Zahl genau einmal geworfen wird, obwohl die Wahrscheinlichkeit jeweils ein Sechstel ist. Würfele ich dagegen 600-mal, so wird tatsächlich jede Zahl etwa 100-mal fallen - oder der Würfel ist gezinkt.

Daraus schließen viele ebenso messerscharf wie falsch: Wenn zum Beispiel an einem Roulettetisch fünfmal hintereinander eine rote Zahl gefallen ist, dann muss die Farbe Schwarz nun kräftig aufholen, um das Gesetz der großen Zahl zu erfüllen. Also setzen sie auf Schwarz - und wundern sich, wenn sie trotzdem verlieren.

Die Roulettekugel hat aber ebenso wenig ein Gedächtnis wie der Würfel oder die Lottomaschine. Jede Ziehung ist unabhängig von der vorherigen. Wie passt das mit dem Gesetz der großen Zahl zusammen? Selbst wenn in diesem Beispiel bei den nächsten 20 Würfen zwölfmal Rot und achtmal Schwarz fällt, also immer noch mehr Rot, dann ist der relative Rot-Anteil von 100 Prozent auf knapp 70 gesunken, er nähert sich also der Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an - und das, obwohl der absolute Abstand zu Schwarz noch gewachsen ist!

Dieser nicht verstandene Unterschied zwischen der relativen und der absoluten Häufigkeit wird vielen Systemspielern zum Verhängnis. Im Internet kann man zum Beispiel Tabellen finden, welche Lottozahlen lange nicht gezogen wurden und damit angeblich "überfällig" sind - das ist allerdings kompletter Unsinn.

Es gibt nur eine Strategie, um seine Gewinnaussichten beim Lotto zu optimieren: auf alle Tippmuster verzichten und den Schein möglichst zufällig ausfüllen, am besten mit einer eigenen kleinen Lottomaschine. Damit steigen zwar nicht die Chancen, aber man vermeidet die Enttäuschung, die zum Beispiel am 23. Januar 1997 die Lottogewinner überfiel: Ein Sechser brachte an jenem Mittwoch nur etwa 84 000 Mark ein. Die Gewinnzahlen 24, 25, 26, 30, 31 und 32 liegen als Block mitten im Lottofeld, und die 222 Tipper, die dieses schöne Muster angekreuzt hatten, mussten sich den Hauptgewinn teilen.