Ich erinnere mich an das Leben in München gut, es hat mich stark geprägt, weckte in mir das Interesse an anderen Kulturen.

Hamburger Abendblatt:

Wir sind auf einer Konferenz, auf der junge deutsche Forscher über die Chancen in Deutschland informiert werden. Sie waren 1959 ein Jahr an der Maximilians-Universität in München ...

Dr. Norman P. Neureiter:

Ich erinnere mich an das Leben in München gut, es hat mich stark geprägt, weckte in mir das Interesse an anderen Kulturen.



Abendblatt:

Das Interesse hat offenbar Ihren Lebensweg bestimmt. Sie waren viel in der Welt unterwegs. Von 2000 bis 2003 waren Sie der erste Wissenschaftsberater des US-Außenministeriums, Sie haben für Madeleine Albright und für Colin Powell gearbeitet. Wie bewerten Sie die aktuelle Wissenschaftspolitik der US-Regierung?

Neureiter:

Die Regierung hat ein sehr konservatives Weltbild. Das hat unter anderem auch dazu geführt, dass einige wissenschaftliche Themen nicht richtig beachtet wurden.



Abendblatt:

Welche Themen sind das?

Neureiter:

Die wissenschaftlichen Ergebnisse zum Klimawandel wurden ignoriert. Er wurde nicht einmal als ein mögliches Problem anerkannt. Zweitens wurden Fehler in der Stammzellforschung gemacht. Das Verbot, mit öffentlichen Geldern an embryonalen Stammzellen zu forschen, hat dazu geführt, dass einige Forscher ins Ausland gegangen sind. Und auch im Bereich Umwelt nahm man die Empfehlungen nicht ernst.



Abendblatt:

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Neureiter:

Wir haben in der Außenpolitik - und das schlägt auch auf die Wissenschaft durch - damit angefangen zu glauben, wir könnten alles alleine machen. Das ist aus meiner Sicht völlig unmöglich. Wir müssen international wieder mehr kooperieren.


Auch die organisierte Zusammenarbeit mit der Europäischen Union muss verbessert werden. Viele Berichte zeigen zudem, dass wir in der Forschung nicht mehr überall Spitze sind, dass wir einige Entwicklungen verschlafen.


Abendblatt:

Wie konnte es dazu kommen?

Neureiter:

Die Betonung der militärischen Forschung und der Sicherheitsforschung in den vergangenen Jahren hat der Grundlagenforschung in anderen Disziplinen geschadet, weil dadurch Gelder, die für diese Forschung nötig sind, entzogen wurden.



Abendblatt:

Sie waren wissenschaftlicher Attache in den US-Botschaften in Bonn und Warschau, die damals auch für Ungarn und die Tschechoslowakei zuständig waren. Auf der Tagung vertraten Sie erneut die Auffassung, Wissenschaft als Teil der Außenpolitik zu betrachten. Warum?

Neureiter:

Wissenschaft und Technik sind wunderbare Instrumente, um sprachliche und kulturelle Grenzen zu überwinden.


Die gemeinsame Sprache, die es weltweit in den Wissenschaften gibt, erlaubt den Menschen, auch über Sprach- und Kulturbarrieren hinweg zusammenzuarbeiten. Das kann weltweit das friedliche Zusammenleben von Menschen stärken.


Interview: Angela Grosse