In den USA informierten sich 210 Nachwuchsforscher über ihre beruflichen Chancen in der Heimat - und blieben skeptisch.

Das Hamburger Forscherehepaar Silvia Kloster (31, Klimawissenschaftlerin) und Focko Meier (32, Nanowissenschaftler) hat seine Zelte an der Cornell University aufgeschlagen. Der Hamburger Physiker Bernhard Wunsch (31) forscht an der Harvard University in Boston. Der Desy-Doktorand Oliver Gutsche (32) arbeitet am Fermilab, dem Teilchenlabor bei Chicago. Vier hoch qualifizierte junge Hamburger Wissenschaftler, die ihr Glück in den USA suchen. Doch wollen sie auch bleiben? Das versuchten sie - wie 210 weitere promovierte Jungwissenschaftler - kürzlich auf einer Tagung im tropisch warmen Boston herauszufinden.

Zum achten Mal hatten die deutschen Wissenschafts- und Hochschulorganisationen ihre Spitzenleute aus Deutschland in die USA geschickt. Ihr Auftrag: Auf der Jahrestagung von GAIN (s. Kasten) für Deutschland zu werben. 19 Hochschulen und sieben Firmen präsentierten ihre Angebote vor Ort. "Wir haben das Beste, was wir in Deutschland haben, nach Boston mitgebracht", sagte Prof. Margret Wintermantel, Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), im Ballroom des Marriott-Hotels, nur wenige Meter vom weltberühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) entfernt.

Die Spitzenleute aus Deutschland schilderten begeistert, wie sich in Deutschland dank Bologna-Prozess und Exzellenz-Initiative für den Nachwuchs alles zum Guten wende. "Das können Sie uns ruhig glauben", sagte Dr. Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), und löste damit im Saal spöttische Heiterkeit aus.

Es waren vor allem die Geisteswissenschaftler, die in den Gesprächen am Rande der Tagung die Entwicklungen in Deutschland skeptisch betrachteten. Die Grundidee des Reformprozesses, der in Bologna von den EU-Bildungsministern beschlossen worden war, sei richtig, kommentierte Maximillian Terhalle (34), der als Nachwuchswissenschaftler an der Yale University forscht. "Verfehlt ist die Umsetzung." Wer wolle, dass man in drei Jahren das notwendige geistige Know-how für Geschichte, Germanistik oder eine andere Geisteswissenschaft lerne, müsse die Studenten wie beispielsweise in England betreuen. "Dort lehrt ein Professor nur zehn Studenten, in Deutschland sind es im Durchschnitt 63." Gleichwohl möchte Terhalle nach Deutschland zurückkehren. "Doch als ich im Mai in Deutschland Vorträge gehalten habe, haben mir mehrere Professoren geraten, erst noch einmal zwei Jahre in den USA zu bleiben. Dann könne man wohl die Auswirkungen der Veränderungen besser übersehen." Auch Bernhard Wunsch, der mit Frau und zwei Kindern in die USA ging, wäre froh, wenn er "ein schönes Plätzchen" fände.

Die Aussichten, eine angemessen bezahlte Professorenstelle zu bekommen, die auch eine Karriere erlaubt, sind nicht rosig. Ein Grund: Im Vergleich zu den USA, Frankreich oder England hat Deutschland mehr Qualifizierungsstellen, wie die Staatssekretärin Susanne Reichrath (Saarland) sagte, aber eben weniger Dauerstellen. Zwar sind nach Berechnungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Zuge der Exzellenz-Initiative 4000 neue Stellen entstanden. Doch diese sind vor allem für Doktoranden und Postdocs interessant. Und was mit diesen Stellen passiert, wenn die jetzigen Spitzen-Universitäten in einer neuen Exzellenz-Initiative nicht erfolgreich sind, weiß keiner. "Die deutsche Forschungspolitik hat diese Idee aufgebracht, jetzt darf sie sich daraus nicht verabschieden", mahnte denn auch Prof. Reinhard Putz, Vizepräsident der LMU München.

Doch es gibt noch weitere Hindernisse für eine Rückkehr. "Wenn wir zurückkehren, dann an einen Ort, an dem wir beide attraktive Stellen haben und Karriere machen können", sagt Silvia Kloster, die von den Arbeitsmöglichkeiten in den USA begeistert ist. Ihr Ehemann sieht das nicht anders. Aber die Tradition der "Dual Carreer", die in den USA schon lange gepflegt wird, muss sich in Deutschland noch etablieren "Es wird zunehmend ein wichtiger Faktor in den Berufungen", urteilt LMU-Vizepräsident Putz.

"Wir brauchen Sie alle, denn es wird einen Mangel an Akademikern geben", warb Prof. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, immer wieder. Den Hamburger Physiker Oliver Gutsche wird das nicht nach Deutschland locken. Er will am größten europäischen Teilchenlabor, dem Cern bei Genf, oder weiter am Fermilab bei Chicago arbeiten. "Das war immer schon mein Traum." Vielleicht geht es auch nicht darum, alle Deutschen wieder nach Deutschland zu holen, sondern die universitäre Wissenschaft in Deutschland so attraktiv zu gestalten, dass sie die besten Wissenschaftler der Welt anzieht.

Einen unschlagbaren Vorteil hat Deutschland aus Sicht der Biologin Sabine Arnold, die in Leipzig studiert, in Heidelberg promoviert hat und jetzt am Harvard-Medical-Center an adulten Stammzellen mit Mäusen forscht: "Dort wird wenigsten die Wäsche sauber, die Maschinen hier schaffen das einfach nicht."