Befürworter sehen in menschlichen embryonalen Stammzellen ein großes therapeutisches Potential, Gegner, dass für deren Gewinnung Embryonen zerstört werden müssen. Möglicherweise können beide Gruppen zufrieden gestellt werden.

Gleich mehreren Forschergruppen ist es nämlich im vergangenen Jahr gelungen, ausgereifte menschliche Zellen so umzuprogrammieren, dass sie menschlichen embryonalen Stammzellen ähneln. Die jüngsten Fortschritte bestärken mich in der Hoffnung, dass man eines Tages auf embryonale Stammzellen des Menschen verzichten kann.

Der Haken ist nur: Noch sind wir nicht so weit. Vor allem deshalb, weil man über die Eigenschaften der reprogrammierten oder pluripotenten Zellen noch viel zu wenig weiß.

Um herauszufinden, ob sie tatsächlich in allen Punkten dieselben Fähigkeiten aufweisen wie menschliche embryonale Stammzellen, müssen sie erst noch gründlich untersucht werden. Das aber ist nur möglich, wenn man die reprogrammierten Zellen mit dem Original - den echten embryonalen Stammzellen - vergleichen kann.

In Deutschland sind uns Forschern hierbei die Hände gebunden.

Unter strikten Vorgaben ist es zwar erlaubt, embryonale Stammzellen aus dem Ausland zu importieren. Allerdings nur solche, die schon vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Wie wir heute wissen, sind diese älteren Zellen aber vielfach beschädigt, was jegliche Versuchsergebnisse mit diesen Zellen verfälschen kann. Seit dem 1. Januar 2002 haben Stammzellforscher in anderen Ländern weit mehr als 500 Stammzell-Linien angelegt, die dank inzwischen deutlich verbesserter Kultivierungstechniken weniger Schäden aufweisen sollten.

Um wichtige Fragen für eine mögliche spätere Nutzung pluripotenter Stammzellen in der Medizin untersuchen und klären zu können, sollten auch Forscher in Deutschland mit den besten Stammzell-Linien arbeiten können, die es gibt.

Die häufig geäußerte Angst, dass durch die Nachfrage hiesiger Forscher ein Anreiz zur Züchtung weiterer Stammzell-Linien geschaffen würde, ist unbegründet.

Im Gegenteil, sowohl bei einer Verschiebung als auch bei einer Streichung des Stichtages achten Wissenschaftler in Deutschland den Lebensschutz sogar im besonderen Maße, da sie für neue Zelllinien gar keine Embryonen einsetzen wollen, sondern auf bereits existierende Zelllinien aus dem Ausland zurückgreifen würden.

Dies ist deshalb problemlos möglich, da sich Stammzellen im Labor nahezu unbegrenzt vermehren lassen.

Meiner Meinung nach sollte der bisherige Stichtag daher vollständig abgeschafft werden. Das heißt nicht, dass von nun an jeder Wissenschaftler in Deutschland embryonale Stammzellen importieren und nach Belieben daran forschen können soll. Vielmehr sollte die Erlaubnis für den Import - wie bisher - nur auf Antrag und in begründeten Ausnahmen erteilt werden.

Die Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES), in der Experten aus den Bereichen Ethik, Theologie, Biologie und Medizin sitzen und alle Importanträge vor der Genehmigung durch das RKI bewerten, hat seit ihrer Gründung unter Beweis gestellt, dass sie die Anträge verantwortungsvoll und kritisch prüft. Sie könnte dies auch ohne Stichtags-Regelung tun.