"Das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X wird die Frage beantworten, ob wir mit der Technik auch ein Kernfusionskraftwerk bauen können", sagt Plasmaphysik-Experte Thomas Klinger, der einen Lehrstuhl für Physik an der Uni Greifswald hat und Direktor am Max-Planck-Institut ist. Von seinem Büro aus blickt er auf Wiesen, auf denen Kühe grasen und Pferde traben. Das inspiriert.

Noch verwenden die Forscher zwei unterschiedliche Techniken, um das Sonnenfeuer auf der Erde zu entzünden. "Der Wendelstein 7-X ist ein sogenannter Stellarator. In ihm wird der Brennstoff der Fusion, das Plasma, ohne einen inneren elektrischen Strom zusammengehalten und nur von außen erhitzt. Das unterscheidet ihn von dem weltweit öfter gebauten und besser erforschten Tokamak-Typ, nach dem jetzt ITER in Frankreich gebaut wird", sagt Klinger. Die Konsequenz aus den unterschiedlichen Heizsystemen: Ein Stellarator kann leichter dauerhaft betrieben werden. Denn er benötigt - im Unterschied zum Kernfusionsreaktor nach dem Tokamak-Typ - keine komplizierte Steuertechnik. Verschmitzt fügt der Forscher hinzu: "Ein Tokamak ist so widerborstig wie ein Mustang, ein Stellarator ähnelt hingegen einem gut geschulten Dressurpferd." Und auf eben dieses setzen die Greifswalder Forscher.

Konkret wollen die Wissenschaftler mit Wendelstein 7-X lernen, wie das Plasma optimal gestaltet werden kann. Deshalb nutzen sie auch nur Wasserstoffgas als Plasma. Das Fusionsexperiment ist somit frei von jeder Radioaktivität. Das würde sich in einem richtigen Reaktor ändern. Dort sollen die beiden schweren Wasserstoff-Varianten Deuterium und Tritium fusionieren. Der Wermutstropfen: Tritium ist radioaktiv, und bei der Kernfusion entstehen ein Heliumkern und schnelle Neutronen. "Durch den Neutronenbeschuß werden Bauteile des Reaktors radioaktiv. Werden diese ausgetauscht, fällt somit radioaktiver Müll an. Aber die Abfallproblematik ist nicht mit der bei der Kernspaltung vergleichbar", so Klinger. Denn dieser Müll müsse nur maximal 150 Jahre - und nicht 50 000 Jahre - gelagert werden.

"Außerdem basiert die Fusion auf schier unerschöpflichen Ressourcen, die überall auf der Erde vorkommen. Deuterium wird aus dem Meerwasser gewonnen und Tritium in der Anlage selber erzeugt. "Somit ist kein Land im Vorteil", sagt Klinger. Und noch einen weiteren Pluspunkt nennt der Forscher: Während in einem Spaltreaktor einige Kilogramm radioaktives Uran stecken, brauchen Fusionsreaktoren nur ein bis zwei Gramm Brennstoff. "Wenn es einen Unfall gibt, kann nur diese Menge an radioaktivem Material frei werden. Zugleich bricht die Fusionsreaktion zusammen." Katastrophen wie Tschernobyl sind mit dieser Technik ausgeschlossen.

"Natürlich sind wir keine Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien, die brauchen wir. Aber wir benötigen die Kernfusion, um den Energiebedarf der Metropolen und Megastädte, die vor allem in der dritten Welt rasant wachsen, in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu decken", so Klinger. Die Abmessungen werden etwa doppelt so groß sein wie die herkömmlicher Großkraftwerke. Dafür ersetzt ein Fusionskraftwerk auch zwei Großkraftwerke.

Doch bevor diese Megakraftwerke gebaut werden können, müssen mehrere Knackpunkte überwunden werden. Gespannt warten Klinger und seine Kollegen darauf, die Forschunganlage in Betrieb zu nehmen. Sie soll fünfmal pro Woche für eine halbe Stunde Plasma unter Fusionsbedingungen erzeugen. "Das wäre der Beweis, daß ein Kernfusionsreaktor nach am Stellarator-Prinzip machbar ist", sagt Klinger.