Wolken sind eines der größten ungelösten Klimarätsel der Erde. Nun soll ein neues Messgerät sie erkunden – von einem Wettersatelliten aus.

An schönen Tagen kann ich meine Forschungsobjekte aus meinen Büro-Fenstern studieren: Cirruswolken, die aussehen wie Federn, mit zarten Pinselstrichen über den Himmel getupft. Sie befinden sich in sechs bis 14 Kilometern Höhe, bestehen aus winzigen Eispartikeln und spielen eine entscheidende Rolle im Klimageschehen. Wie sie genau wirken, verstehen wir erst ansatzweise.

Um mehr über die Cirren herauszufinden, habe ich ein Messgerät entwickelt, das von einem Satelliten aus in die Eiswolken hineinsehen kann. 13 Jahre lang habe ich versucht, dieses Gerät bei der Europäischen Weltraumagentur Esa unterzubringen. Nun hat das endlich geklappt: Im Jahr 2022 wird ICI (für „Ice Cloud Imager“) mit dem Wettersatelliten MetOp-SG ins All starten und Cirren und andere Eiswolken 20 Jahre lang aus 800 Kilometern Höhe beobachten.

Wolken haben einen enormen Einfluss auf unser Klima. Einerseits reflektieren sie einen Teil der von der Sonne kommenden Strahlung zurück in den Weltraum. Anderseits halten sie einen Teil der von der Erde ausgehenden Wärmestrahlung zurück. So beeinflussen sie die Temperatur auf unserem Planeten.

Allerdings gibt es Unterschiede. Tiefhängende Wolken aus flüssigen Wassertröpfchen reflektieren vergleichsweise viel kurzwellige Sonnenstrahlung und lassen viel langwellige Wärmestrahlung der Erde entweichen – ihren kühlenden Effekt kann man oft am eigenen Leib spüren. Cirren und andere Wolken aus Eisteilchen haben hingegen ganz andere physikalische Eigenschaften. Sie lassen mehr Sonnenstrahlung durch und halten gleichzeitig mehr Wärmestrahlung zurück; wirken also eher erwärmend als kühlend.

ICI wird messen, wie viel der von der Erde kommenden Strahlung eine Eiswolke durchlässt. Bisher können Forscher dies nur in bestimmten Abschnitten des elektromagnetischen Spektrums messen: Ein Drittel entweicht unbeobachtet ins All. ICI dringt in diesen unerforschten Bereich vor und erfasst Strahlung im sogenannten Submillimeterbereich, zwischen 1,5 und 0,5 Millimetern Wellenlänge. Dass solche Messungen mit heutigen Sensoren möglich sind, haben wir geprüft. So haben wir zusammen mit britischen Wissenschaftlern einen Prototyp des Instruments auf ein Flugzeug montiert und über Eiswolken fliegen lassen. Mit den Ergebnissen sind wir sehr zufrieden. Das ist zwar noch keine Garantie, dass ICI auch im Weltraum fehlerfrei arbeiten wird, aber eine gute Voraussetzung.

Mit Hilfe der gewonnen Daten können wir bestimmen, wie sich eine Wolke zusammensetzt: Wie viel Eis sie enthält, wie groß die Kristalle sind und ob neben Eispartikeln auch Wassertröpfchen vorhanden sind. Diese Informationen brauchen wir, um unsere Klimarechenmodelle zu verbessern. Sie können Wolken nur stark vereinfacht darstellen: die Wolken, die es heute gibt, und erst recht die Wolken, die es in Zukunft geben wird. Denn der Klimawandel wird sich auf sie auswirken. Ob es zukünftig mehr oder weniger Eiswolken geben wird, wo sie auftreten oder sich anders zusammensetzen werden, wissen wir noch nicht. Dank ICI werden wir das besser vorhersagen können – und erste Veränderungen quasi live miterleben.

Die Forschung zum Klimawandel in Hamburg

Exzellenzcluster: Die Klimaforschung in Hamburg genießt internationales Renommee. Das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg (CEN), das Max­-Planck-­Institut für Meteorologie, das Institut für Küstenforschung des Helmholtz-­Zentrums Geesthacht und das Deutsche Klimarechenzentrum bilden gemeinsam den Exzellenzcluster für Klimaforschung (CliSAP).

Präsentation Einmal im Monat präsentieren CliSAP-Forscher den Lesern des „Hamburger Abendblatts“ Ergebnisse aus ihren Gebieten. Prof. Stefan Bühler ist CEN-Mitglied und geschäftsführender Direktor des Meteorologischen Instituts der Universität Hamburg